Konsensrealität
Vor kurzem kam mir der Begriff "Konsensrealität" unter, der recht präzise zusammenfasst, worüber ich schon länger nachdenke.
Es ist nämlich so, dass, sagen wir, 70 bis 90% der Bevölkerung zu jedem gegebenen Thema fest auf dem Boden gemeinsamer Tatsachen stehen und wir alle uns über die jeweils meisten Dinge im Prinzip immer einig sind.
Rund 10 bis 30% werden dagegen immer anderer Meinung sein, zu jedem Thema, egal was die Fakten sagen.
Einschub: Wichtig ist dabei zu beachten, dass dieses ~80/20 Verhältnis immer nur für ein bestimmtes Thema gilt. So kann jemand die Konsensmeinung zu Covid teilen, die Erde aber für flach halten, und jemand anderer der Konsensmeinung, dass Chemtrails Hirngespinste sind, zustimmen, dafür aber nicht an den Klimawandel glauben und so weiter.
Es ist also kein stabiles 80 gegen 20 bei allen Themen, sondern immer nur zu jeweils einem Thema. Obwohl es natürlich so etwas wie Clusterbildung gibt und Putin-Freunde auch eher gegen das Gendern sind und so weiter.
Das Problem an den Alternativmeinungen ist jedoch, dass die abweichenden Minderheiten (besonders über Social Media) besonders laut wirken, weil sie ja eine Agenda haben, die sie verbreiten wollen, während die Konsensmehrheit eher in sich ruht und zu ihren bereits gefestigten Ansichten unaufgeregt schweigt. Wobei natürlich gilt, was ein Bekannter von mir (Herb Sinus) so formuliert hat: Die Mehrheit hat nicht automatisch recht. Aber noch weniger hat sie automatisch unrecht.
Die Aufreger-Ansichten verbreiten sich dann jedenfalls jedoch gerade wegen ihres Konfliktpotentials oft rasch, unterstützt von den Algorithmen der sozialen Medien, was ihnen den Anschein einer größeren Menge von Zustimmenden gibt.
Soll heißen, stoßen wir auf eine besonders absurde Irrmeinung, fühlen sich viele von uns bemüßigt, dagegen mit den Fakten der gesicherten Konsensrealität zu antworten und in scharfe Diskussionen zu gehen – was die Unbelehrbaren zwar nie belehrt, die Sichtbarkeit der Irrmeinung jedoch befeuert.
Das sollte jede/r von uns (ich nehme mich da gar nicht aus) stets aufs Neue bewusst behirnen, den Kampf gegen die Windmühlen der Trolle vielleicht etwas reduzieren und stattdessen mehr spazieren gehen oder was weiß ich.
Diese Sache mit dem Missverhältnis müssen auch Medien und Politik noch lernen, damit sie nicht sofort bei jedem nicht-Thema aufspringen – wie etwa jetzt gerade die Sache mit dem Bargeld, die der großen Mehrheit völlig am Arsch vorbeigeht.
Natürlich kann sich die Konsensrealität auch ändern, etwa wenn es neue wesentliche Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung gibt oder jemand charismatisch eine neue Sichtweise auf das soziale Miteinander verbreitet oder sich die Einstellung und Toleranz in gewissen Bereichen, zum Beispiel Haartracht, Mode, Tattoos oder Sexualverhalten, gesellschaftlich wandelt.
Aber nur, weil ein paar Hanseln irgendwo im Internet irgendetwas behaupten und ein paar erschreckende, verstörende oder propagandistische Memes produzieren, ist das noch lange kein legitimes Anliegen und spiegelt nicht automatisch die Meinung von Vielen wieder.
Nicht zuletzt sollten wir uns diese immer mehr um sich greifende, permanente Aufgeregtheit etwas abgewöhnen. Viele der hochgekochten Themen gehen ja sowieso schnell wieder vorbei. Das wäre gut für den individuellen Blutdruck und das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft insgesamt.
PS: an alle, die nur wegen der UFOS hier sind. In diesem Blog hier schreib ich über alles und jedes, kunterbunt. Vielleicht auch wieder einmal über UAPs, aber Regelmäßiges zu diesem Thema findet sich verlässlicher in meinem Standard-Blog (Opens in a new window).
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