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Thalaris Almanach - Buch 1: Initiierung

Teil 7 - Erste Fortschritte

Ein infernalisches Kreischen ertönte mir. Ich sah über meine Schulter und erstarrte zur Salzsäule.  Riesige gefiederte Laufvögel, mit einem raptorähnlichen Maul standen hinter mir auf den Felsen. Eine Gruppe aus vier Tieren. Lange Beine, die den Gedanken schnell genug wegzukommen, in Luft auflösten.  

„Hölle, was nun?“, wimmerte ich. Bei dem Schmerzempfinden hier wäre das ein grauenvoller Tod. 

Eines der Tiere hob den Kopf und sah mich direkt an. Über der Stirn richtete sich ein Kamm aus Federn auf, dieser schimmerte rotgolden. Sicher der Anführer. Bevor ich nur mit einem Muskel zucken konnte, kreischte der Chef der Bande. Wie ein einziges Wesen drehten sich die Tiere um und verschwanden.  

Da stand ich, nach wie vor zu keiner Regung fähig. Noch nie hatten mich virtuelle Wesen so eingeschüchtert. Ich wusste nicht, ob das an dem Wissen lag, dass ein Tod permanent war. Oder daran, dass die Präsenz dieser vier Kreaturen so unheimlich tiefgreifend, fast greifbar war. Es konnte auch der Tatsache geschuldet sein, dass alles fehlte, was in gewohnten VR-Spielen normal war: eine Anzeige, die erste Fähigkeit, Waffen oder überhaupt ein Minimum an Ausrüstung. Alles, was ich hatte, war Kleidung in Bastoptik, die sich schlicht, nahezu schäbig anfühlte und aus einer Art Pflanze bestand. 

Und … was war das? Ich tastete meine Hüfte ab und fand eine Art Röhre, ebenfalls aus diesem Bast. Sie war so flach, dass ich sie erst nicht wahrgenommen hatte. Vorsichtig entfernte ich den Verschluss und zog den Inhalt heraus. Zum Vorschein kam ein Stück Papier, eine Schriftrolle. Lederartige Konsistenz, leicht bröselig. Ich entrollte sie und fand seltsame Symbole darauf. Mehr nicht. Im selben Augenblick veränderten sie sich und formten einen Text: 

„Suche die Rolle des Oylien, den Obersten der Graubrut. Dies wird dein Sein bestimmen und dein Werden formen. Suche dort, wo kein anderes Wesen finden würde.“ 

Toll, einfach toll! Ich müsste happy sein, endlich die erste Quest. Wenn es eine war, denn ich hatte keinerlei bekannte Funktionen hier, verdammt! Tief durchatmen, Rupert! ermahnte ich mich selbst. Es wurde Zeit, herauszufinden, was ARTOS erschaffen hatte. In meinem Kopf, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, kam Faszination auf.  Dieses Spiel würde eine Herausforderung werden.  

Ich lief los. Meine Umgebung war so interessant, wie sie karg war. Rotes Gestein, durchzogen von schwarzen Adern und Flecken. Hinter mir lagen die Felsen, wo die Kreaturen gestanden hatten, auf einem Hügel. Links und rechts erhob sich eine hohe Felswand, die mir bis weit über den Kopf ging. Auch diese war von diesen schwarzen Adern durchzogen. So wie es aussah, war ich in einem Felseneinschnitt mit zugeschüttetem Schluchteingang gelandet. Trotz aller Kargheit rannten hier allerlei Insekten und kleine Echsenwesen herum.  Viele davon in ähnlicher Musterung wie die Umgebung. Perfekt angepasst. 

Der Untergrund war abschüssig und so kam ich gut voran. Die Sonne war weniger heiß, als ich dachte. Dennoch bekam ich langsam Durst. Und da war sie: die Freude des Spiels. Ich hatte Durst! In einem Spiel! Es wurde Zeit, eine Wasserquelle zu finden. Und dann würde ich sowohl das Rätsel um meine Spezies als auch um die Schriftrolle lösen. 

Ein Kreischen riss mich aus meiner Euphorie. Oh nein! Bitte nicht!  Langsam drehte ich mich um. Oben auf der Kante der Felswand standen wieder diese Wesen. Doch waren es nicht nur vier. Es waren Dutzende. Einer stach ungeheuer hervor. Er war doppelt so groß wie die anderen, trug ein schimmernd schwarzes Federkleid und blutrot geschuppte Beine. Das war dann wohl der Boss der Gruppe! Ich entschied mich für das, was Tutor v1 empfohlen hatte: Rennen! 

Das Gefälle half mir, auf Geschwindigkeit zu kommen, doch ich hörte die Bestien erbost fauchen und die Verfolgung aufnehmen. Steine klackerten, Schritte, die immer heftiger wurden. Wütendes Zischen und Schnattern.  

Ich sprang über kleine Felsbrocken und umrundete größere. Langsam wurde der Untergrund flacher und glatter. Aber staubiger. So schlimm, dass meine eigenen Schritte mich in eine Wolke hüllten und ich husten musste. Keuchend hielt ich mir die Seite. Rennen und husten war keine gute Kombination, denn ich bekam ein Stechen in der Seite.  

Ich sah nach hinten. Meine Verfolger hatten die Felskante überwunden und wurden immer schneller. Viel schneller als ich es je werden konnte. Ganz vorn der Boss. Panisch sah ich mich um und entdeckte nicht allzu weit eine Felsformation mit einer dunklen Lücke. „Bitte lass es nicht nur diese schwarzen Flecken sein!“, murmelte ich vor mich hin.  

Dicht hinter mir fauchte es. Vor Schreck machte ich einen Satz und blieb mit dem Fuß hängen. Ich geriet ins Trudeln, es gelang mir jedoch, mich abzufangen. Schmerzen schossen durch meinen Arm. Stoff zerriss und ich spürte ein warmes Rinnsal an meinem Rücken. Es hatte mich erwischt. Freudig zwitscherte das Biest. 

Ich sammelte alle Kräfte und spurtete auf die Formation zu. Sie kam immer näher. Ja, es war ein Hohlraum. Ein weiteres Tier hielt sich plötzlich rechts von mir. Schaute mich an, schwenkte den Kopf herum und schnappte zu. Verfehlt. Links rannte jetzt das große Wesen. Es blinzelte. Die Pupille war tiefschwarz, umrandet von einer glutroten Iris. Es starrte mich nur an, während es locker mein Tempo hielt. Dann kam es rüber, wollte mich abdrängen. Es hatte verstanden, was ich vorhatte. 

Nicht mit mir. Die Felsen waren nur wenige Schritte entfernt. Ich griff zum letzten Mittel: Ich bremste ab. Die beiden schossen an mir vorbei und ich nutzte den Augenblick, mich zu Boden zu werfen und mit den Füßen voran in den Hohlraum zu rutschen. Ich hörte die Kreaturen empört kreischen und schuf Abstand zwischen dem Eingang und mir. Ein Kopf erschien darin und sah mich böse an. Dann fauchte das Tier ohrenbetäubend. Stinkender Speichel spritzte mir ins Gesicht. Doch es kam nicht heran. 

Ich kroch weiter zurück. Etwas krachte vorn gegen den Eingang. Und hinter mir polterte es. Der Untergrund löste sich auf und ich sackte nach unten. Hektisch griff ich nach der Kante vor mir. Keine Chance. Ich fiel. Auf dem Weg nach unten stieß ich mir den Kopf. Alles wurde schwarz.

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