November-Gedenken
8. November 2024
Liebe Lesende,
die Tage werden trüber, nicht nur draußen. Der November ist der Monat des Gedenkens: 9. November, Volkstrauertag, Totensonntag. “Die Toten mahnen”, sagt man. Doch wenn keine Zeitzeugen mehr davon berichten können, wie Millionen Menschen Gewaltherrschaft und Terror zum Opfer gefallen sind, braucht es neue Formen der Erinnerungskultur: Wie gehen nachfolgende Generationen mit Erinnerungen und Geschichte um? Dazu gibt es in Dahme-Spreewald zahlreiche Projekte und in den kommenden Tagen viele Gelegenheiten, am Gedenken teilzunehmen und sich damit mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen - gerade in Zeiten, da wieder Krieg in Europa herrscht.
Wie erreicht man die nachfolgenden Generationen mit Erinnerungsarbeit? Eigentlich auf herkömmlichen Wegen, wie eine Studie von 2023 nahelegt: “Junge Menschen interessieren sich für die Zeit des Nationalsozialismus, wollen sich damit auseinandersetzen und sehen viele Bezugspunkte in der Gegenwart”, heißt es in der Memo-Jugendstudie (Si apre in una nuova finestra) von 2023, die die Uni Bielefeld im Auftrag der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft explizit mit Blick auf das Thema Nationalsozialismus erstellt hat. Dafür wurden 3.485 Personen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren befragt.
Deutlich werde, dass die Befragten „darüber reden“ wollen und dass sie die Behandlung des Themas in der Schule und in den Medien sowie den Besuch von Museen und Gedenkstätten als wichtig erachten und einfordern. Knapp die Hälfte der Befragten interessiert sich demnach für Geschichte, etwas mehr als die Hälfte mag den Geschichtsunterricht in der Schule. Den Kontext der Zeit des Nationalsozialismus fanden dabei 82,6 Prozent der Befragten am wichtigsten. Etwa genauso vielen ist die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sehr oder eher wichtig. Da zeigten sich auch keine Anzeichen für Desinteresse oder inhaltliche Sättigung, so die Studienautoren. Als Zugangswege für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wünschen sich die Befragten klassische Bildungsformate und Anlaufstellen wie den Schulunterricht sowie Gedenkstätten und -orte.
Und immer wieder werden die Jugendlichen selbst aktiv. Vor einem guten Jahr hat die Lübbener Gymnasiastin Marleen Krüger einen überregionalen Preis für ihre Collage “Jüdisches Leben in Lübben” erhalten. Sie hatte sich aus eigenem Interesse mit dem Thema beschäftigt, Dokumente und Berichte gelesen und Gespräche geführt. Am Ende hat sie sich dem Thema künstlerisch genähert:
https://www.wokreisel.de/news/1/896769/nachrichten/896769.html (Si apre in una nuova finestra)Vor rund 15 Jahren haben in Lübben Jugendliche zum Thema “Jüdisches Leben gestern und heute” geforscht. Herausgekommen ist eine Broschüre, die das Lübbener Forum gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit damals herausgegeben hat. Am Samstag, 9. November, ab 15 Uhr wird im Museum Schloss Lübben eine neue, erweiterte Auflage mit dem Titel “Das jüdische Lübben. Einblicke in eine vergangene Epoche” vorgestellt (Si apre in una nuova finestra), diesmal in Trägerschaft des Fördervereins des Museums. Die Auflage wurde durch neue Beiträge, u.a. zur Lübbener Synagogengemeinde und Objekten des Museums mit Bezug zu den jüdischen Einwohnern ergänzt, andere Beiträge wurden aktualisiert.
Nach der Veranstaltung rufen die Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde, die Stadt und weitere Akteure zum gemeinsamen Putzen der Lübbener Stolpersteine (Si apre in una nuova finestra) auf. Die kleinen Messingtäfelchen vor ehemaligen Wohnhäusern von Jüdinnen und Juden erinnern an das Leben der Opfer des Nationalsozialismus und ihre Zugehörigkeit zur Stadtgesellschaft. Um 18 Uhr findet am Samstag eine Andacht in der Paul-Gerhardt-Kirche statt, die am Gedenkplatz der ehemaligen Synagoge beendet wird.
(Si apre in una nuova finestra)Was ist eigentlich ein Stolperstein? - Link (Si apre in una nuova finestra) zum Video von Karen Ascher
Schon heute Abend werden, wie jedes Jahr (Si apre in una nuova finestra), Stolpersteine auch in Königs Wusterhausen geputzt, der Kreisjugendring lädt (Si apre in una nuova finestra) dazu ein.
In Wildau gibt es seit längerem ein Geschichtsprojekt des Jugendvereins KJV e.V. Die Schülerinnen und Schüler erforschen Geschichte und geben zahlreichen Namen von Toten ein Gesicht. Von 2017-2018 haben sie zum ehemaligen KZ-Außenlager Königs Wusterhausen geforscht (Si apre in una nuova finestra), seit 2021 haben sie Informationen zur Zwangsarbeit in der NS-Zeit in Wildau zusammengetragen. Dazu kommen Gedenkstättenfahrten sowie die Produktion von Podcasts (Si apre in una nuova finestra) und Beiträgen im Blog (Si apre in una nuova finestra) “Jugend braucht Erinnerung”. Seit einiger Zeit beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit dem Gräberfeld VII des Waldfriedhofs Wildau, auf dem sowjetische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und deren Kinder begraben sind. Die meisten sind namentlich bekannt, allerdings sind die Namen nicht auf den Grabsteinen vermerkt.
Projekten wie diesen ist die nächste Demokratie-Konferenz der Partnerschaft für Demokratie Dahme-Spreewald zum Thema “Historische Bildung – Element der Demokratiebildung” gewidmet (Si apre in una nuova finestra). Sie findet am 22. November ab 10 Uhr im Rathaus Königs Wusterhausen statt.
Ganz im Südosten des Landkreises wirkt (Si apre in una nuova finestra) seit vielen Jahren die Dokumentationsstätte “Die Lager Jamlitz” als Erinnerungsort. Von 1943 bis 1945 war dort das KZ-Außenlager “Lieberose” stationiert, danach bis 1947 das Sowjetisches Speziallager Nr. 6 Jamlitz. Damit ist Jamlitz neben Weimar-Buchenwald und Oranienburg-Sachsenhausen der dritte historische Ort in Deutschland, an dem ein nationalsozialistisches Konzentrationslager nach 1945 als sowjetisches Speziallager genutzt wurde.
Am Sonntag, 10. November, ab 13 Uhr findet dort eine Gedenkveranstaltung zum 81. Jahrestag der Errichtung des KZ-Außenlagers Lieberose statt. Sie widmet sich auf besondere Art dem Thema Ausgrenzung. Nach einem jüdisch-christlichen Gottesdienst in der Landkirche Lieberose wird in Jamlitz die Veranstaltungsreihe “Stigmatisierung – gestern und heute” vorgestellt. Anschließend liest Frank Nonnenmacher aus seinem Buch „Du hattest es besser als ich. Zwei Brüder im 20. Jahrhundert“. Er ist Nachkomme eines Mannes, der den Nazis als ‘genetisch verdorben’ galt und deshalb ins KZ kam. Diese Menschen wurden nach dem Ende des Faschismus nicht als Opfer anerkannt, sie blieben über 75 Jahre lang ausgegrenzt. Nonnenmacher war der Initiator eines Appells an den Deutschen Bundestag, der 2020 zur Anerkennung dieser NS-Opfergruppe führte.
Ebenso traditionell ist das Gedenken, das alljährlich am Vorabend des Volkstrauertages in Halbe stattfindet. Am 16. November, 17 Uhr lädt das “Aktionsbündnis gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche” im Kaiserbahnhof Halbe zu einem Erich-Kästner-Abend ein. Anette Daugardt und Uwe Neumann führen durch die Schaffensphasen des Künstlers. Am Volkstrauertag findet auf dem Waldfriedhof eine Kranzniederlegung statt, ihr voraus geht ein Gottesdienst ab 11 Uhr in der Dankeskirche.
In Halbe tobte 1945 die letzte Kesselschlacht des Zweiten Weltkriegs. Die Kriegsgräberstätte, heute Waldfriedhof Halbe, ist als einzige immer noch aktiv, weil noch immer Gebeine gefunden werden. Der Zeitzeuge Arnold Mosshammer erinnert sich an seine letzten Kriegstage in Halbe:
https://www.wokreisel.de/news/1/781024/nachrichten/781024.html (Si apre in una nuova finestra)Zahlreiche Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag finden in den Kommunen statt. Nähere Informationen gibt es meist auf den kommunalen Internetseiten.
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