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Fragen über Fragen

28. Februar 2025

Liebe Lesende,

vor einer Woche habe ich mich darauf gefreut, dass der Bundestagswahlkampf mit all seinen Zuspitzungen, Vereinfachungen und Beschimpfungen endlich zu Ende sein würde. Doch einen Tag nach der Wahl ging eine Kleine Anfrage (Si apre in una nuova finestra) der CDU/CSU an die - noch im Amt befindliche - rot-grüne Bundesregierung mit 551 Fragen zu gemeinnützigen Organisationen, darunter Medienorganisationen wie Correctiv, Netzwerk Recherche oder die Neuen Deutschen Medienmacher*innen. Ist denn immer noch Wahlkampf? Die Fragen zielen auf den Status der Gemeinnützigkeit ab und darauf, ob Organisationen, die staatliche Fördergelder erhalten, für oder gegen Parteien gearbeitet haben. Ausgewählt wurden offenbar diejenigen Organisationen, die aus Sicht der Partei “Proteste gegen die CDU Deutschlands” organisiert oder unterstützt haben. Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Was hat das mit Kommunalpolitik und Lokaljournalismus in Dahme-Spreewald zu tun?

Nun, um den Lokaljournalismus ist es bekanntermaßen nicht gut bestellt (Si apre in una nuova finestra). Wo sich Lokaljournalismus aus der Fläche zurückzieht, sinken Wahl- und Bürgerbeteiligung, gedeihen Korruption und Missbrauch, wie US-amerikanische Studien festgestellt haben (Si apre in una nuova finestra). Um diese Phänomene zu verdeutlichen, so der Medienwissenschaftler Christian-​Mathias Wellbrock von der Hamburg Media School, sage er seinen Studierenden immer: “Ihr benehmt euch ja auch anders, wenn die Eltern zu Hause sind.” Er hat kürzlich eine Studie (Si apre in una nuova finestra) mit dem Titel “Wüstenradar” zur Lage deutscher Lokalmedien erarbeitet (gemeint sind Nachrichtenwüsten - also Kreise, wo es keine Zeitungen mehr oder nur noch eine gibt).

Um Wege aus der “Wüste” nicht nur zu diskutieren, sondern zu erproben und zu finden, haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Lokalmedien gegründet, die vor allem digital erscheinen, immer im engen Austausch mit ihrer Leserschaft: VierNull Düsseldorf, RUMS Münster, Relevanzreporter Nürnberg, das Bürgerportal Bergisch-Gladbach und viele andere. Auch wokreisel.de (Si apre in una nuova finestra) mit diesem Newsletter zählt dazu. Und auch Correctiv als großes gemeinnütziges Medienhaus, das eine eigene Sparte für Lokaljournalismus hat. Darin sind rund 1.800 Lokaljournalisten in ganz Deutschland vernetzt, die gemeinsam an Themen recherchieren (z.B. zum Thema Grundwasser (Si apre in una nuova finestra)) und gemeinsame Projekte umsetzen (z.B. die Umfrage (Si apre in una nuova finestra) zur Bundestagswahl “Deine Stimme, deine Themen”).

Sie alle fühlen sich der gemeinwohlorientierten Arbeit verpflichtet oder haben bereits den Status der Gemeinnützigkeit erreicht (und wer das Prozedere einmal durchhat, weiß, wie streng die Finanzämter in Deutschland sein können). Alle arbeiten auf der Grundlage eines Redaktionsstatuts oder einer Selbstverständnis-Erklärung (wie wir (Si apre in una nuova finestra)) und nach den Regeln des Pressekodex (Si apre in una nuova finestra)’.

Hätte sich die CDU/CSU eingehend damit beschäftigt, hätten sich ihre Fragen erledigt. Correctiv hat der Union auf die Sprünge geholfen und umgehend auf die Fragen geantwortet (Si apre in una nuova finestra). Der Deutsche Journalistenverband kritisiert (Si apre in una nuova finestra) die Kleine Anfrage derweil scharf. Sie operiere “im Wesentlichen mit in Frage gegossenen Unterstellungen. Die Stoßrichtung dieses Katalogs wird so von den Beteiligten als Drohung empfunden. Wir fordern daher dringend die Rücknahme der Absätze, die Journalistinnen und Journalisten betreffen”. Der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster stellte fest, “dass Pressefreiheit gerade dann den Journalismus schützen soll, wenn die Mächtigen eine Veröffentlichung angreifen”. Explizit will die CDU/CSU in der Anfrage von der Bundesregierung wissen, wie sie den Correctiv-Artikel (Si apre in una nuova finestra) „Die Rechtstreiber der CDU“ bewerte - “vor dem Hintergrund des gemeinnützigkeitsrechtlichen Neutralitätsgebots”.

Was bleibt, ist der Eindruck, dass das Papier der CDU/CSU die Arbeit hunderter Medienschaffender mindestens infrage und ihnen schlimmstenfalls Parteinahme unterstellt. Auch Wokreisel wird gerade in Sozialen Medien immer wieder Parteilichkeit vorgeworfen - meist von Menschen, die offensichtlich der AfD nahestehen.

Schließlich bleibt die Frage, wie es für gemeinwohlorientierte / gemeinnützige (Lokal-)Medien weitergeht. Die scheidende Bundesregierung hatte sich vorgenommen, die Gemeinnützigkeit von Journalismus (neben z.B. Schach und Karneval) anzuerkennen. Dazu ist es nicht gekommen. Ein Erlass sollte mehr Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus schaffen, was am Widerstand der Landesfinanzämter scheiterte. Eine Rechtssicherheit in diesem Punkt würde vielen Medienprojekten neue Möglichkeiten der Finanzierung und weitere Experimentierfelder eröffnen.

Wie intensiv Lösungswege im siechenden Lokaljournalismus diskutiert und ausprobiert werden, zeigt diese Debatte (Si apre in una nuova finestra) auf dem Portal LinkedIn. Darin werden journalistische Gründer sogar mit Dachdecker- und Friseurbetrieben verglichen. Echte Lösungen: Fehlanzeige.

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