WeinLetter: #94: French Bloom oder: Der teuerste alkoholfreie Wein der Welt
Liebe Wein-Freund:in,
Du liest den WeinLetter #94. Heute gibt’s: Dry January. Alkoholfreien Schaumwein. Genauer gesagt: Ich habe den teuersten alkoholfreien Schaumwein der Welt getrunken - French Bloom!
Aber zunächst: Gutes Neues Jahr 2025!
Und tatsächlich begann ich das Jahr mit einem: Dry January. Ich habe entsprechend wieder alkoholfreie Wein-ähnliche Getränke verkostet. Wie 2022 schon einmal im WeinLetter. Meine Frage damals lautete: Alkoholfreier Wein – warum gelingt das nicht? (Si apre in una nuova finestra) Jetzt ist der WeinLetter ja prinzipiell der Aufklärung auf dem Fundament der Wissenschaften verpflichtet – in diesen anti-modernen Zeiten noch viel mehr. Also betreibt der WeinLetter auch in dieser Frage Empirie und versucht permanent, seine Thesen zu falsifizieren. Er ist der Sir Popper unter den Wein-Publizisten. Auch wenn das Falsifizieren in dem Fall immer noch nicht recht gelingen mag. Ich habe alkoholfreie Weine probiert, die immer noch extrem glukosig daherkommen, weshalb ich manchmal ColaZero-Schorle im Verhältnis 1/3 ColaZero zu 2/3 Mineralwasser bevorzugt habe. Schaumwein-ähnliche Getränke auf Kräutertee-Basis waren sogar ganz angenehm. Überhaupt: Wenn dann alkoholfreie Sekt-Ähnlichkeiten.
Und dann bin ich auf den teuersten, alkoholfreien Schaumwein der Welt gestoßen. Um ihn geht’s im WeinLetter #94. Denn der Ansatz des 2019 gegründeten Start-ups French Bloom aus Paris ist ambitioniert: Wenn es auf Empfängen Champagner gibt, warum gibt es nix Adäquates, also kein alkoholfreies High-End-Produkt. Die zwei wichtigsten Fragen vorab: Wie viel kostet das Luxusprodukt „La Cuvée Vintage“ aus dem Erstjahrgang 2022? 109 Euro! Und schmeckt der alkoholfreie Luxus? Das gibt’s jetzt im WeinLetter! +++ Viel Spaß beim Lesen! Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied!
Aber vor allem:
Trinkt friedlich – auch 2025!
Euer Thilo
Gegründet 2019 in Paris: French Bloom bietet alkoholfreien Schaumwein im Luxussegment FOTO: THILO KNOTT
Die 7 wichtigsten Fragen zu French Bloom und alkoholfreiem Schaumwein
1. Was ist French Bloom?
French Bloom ist ein 2019 gegründetes Start-up aus Paris, das sich der Produktion von alkoholfreien Schaumweinen verschrieben hat. French Bloom bietet mittlerweile drei alkoholfreie Schaumweine an: Einmal die Hybrid-Weine „Le Blanc“ auf Chardonnay-Basis und den „Le Rosé“ auf Chardonnay- und Pinot-Noir-Basis. Es sind Wein-Mix-Getränk aus französischem Quellwasser, Traubensaft, alkoholfreiem Chardonnay bzw. Chardonnay/Pinot Noir und Nuancen von Zitronensaft. Sie bewegen sich im 30-Euro-Premium-Bereich. 2021 war der erste Jahrgang. Der dritte Schaumwein, Erstjahrgang 2022, hingegen ist im Luxus-Segment platziert mit seinen 109 Euro. Es ist ein Schaumwein rein aus entalkoholisiertem Chardonnay-Wein, ohne das Quellwasser der Einsteiger-Schaumweine, nur mit natürlichen Aromen und Traubenaromen.
Die Gründerinnen von French Bloom: Maggie Frerejean-Taittinger und Constance Jablonski FOTO: FRENCH BLOOM
2. Wer sind die Gründerinnen von French Bloom?
Maggie Frerejean-Taittinger und ihre Freundin Constance Jablonski. Sie leben in Paris und New York. Maggie Frerejean-Taittinger war 2019 Managerin des Michelin Guides, Constance Jablonski ist Model und auf Covern von Harper’s Bazaar zu sehen. Sie treffen sich zu der Zeit in der französischen Hauptstadt, merken, dass es bei Stehrümchen keine Schampus-Alternative gibt. Vor allem weil Maggie Frerejean-Taittinger 2019 schwanger war. Da entsteht die Idee zu French Bloom. Zu den beiden Gründerinnen gesellt sich Rodolphe Frerejean-Taittinger, Maggies Ehemann, der mit der Champagnerherstellung als Spross der Taittinger-Champagner-Familie bestens vertraut ist.
3. Was ist die Idee hinter French Bloom?
Es ist also klar: Das French-Bloom-Team entstammt zu 2/3 der Champagner-Dynastien. Champagner ist für das Start-up die Benchmark. Nur alkoholfrei eben. Schon allein die Informationen zu „La Cuvée“ zeigen die Philosophie: Vegan, halal, bio, “pregnancy friendly”, wenig Kalorien, ohne Sulfite, keine Zusatzstoffe, kein Zuckerzusatz (2,3 g/100 ml). „Wir wollten Gesundheit mit Vergnügen verbinden“, sagte Constance Jablonski der NZZ. Alkoholfrei, aber so hochwertig in Geschmack und Status, um es mit Champagner aufnehmen zu können. Jablonski: „Das gab es damals auf dem Markt nicht.“
4. Wie wird der French Bloom „La Cuvée Vintage“ gemacht?
Zwei Jahre lang haben die Macher:innen von French Bloom in Forschung, Entwicklung und Technologie investiert, ehe 2021 die beiden „kleinen“ Produkte auf den Markt kamen. 2022 folgte „La Cuvée“. Er besteht zu 100 Prozent aus biologisch angebautem Chardonnay aus dem Languedoc. Zwei Wochen früher als üblich werden die Trauben geerntet, um mehr Säure zu erhalten. Die Trauben werden gepresst, der Großteil wird in neuen französischen Eichen, der Rest in Edelstahltanks ausgebaut – sechs Monate lang. Die Chardonnay-Trauben werden manuell und aufwändig in drei Durchgängen bei niedrigen Temperaturen schonend entalkoholisiert, der Chardonnay-Wein verliert also seinen Alkohol. Ein paar Aromen sind hinzugesetzt.
0,0 Prozent Alkohol, 109 Euro: Der “La Cuvée” von French Bloom FOTO: THILO KNOTT
5. Und schmeckt der French Bloom „La Cuvée Vintage“?
Ja, er schmeckt, bis zur Säure-Kante. Zunächst hat er etwas Nussiges und Steinobstiges. Eine Mischung aus Lübecker Marzipan und Sauren Aprikosenringen von Haribo. Das meine ich gar nicht billig. Eher so: Er weckt sofort Assoziationen. Auch die Struktur ist angenehm fordernd, nicht flach, nicht lieblich, sondern komplex. Bis dahin ist es ein erstaunlich gutes Schaumwein-Produkt – und das bei wenig Zugabe von Kohlensäure. Bis hierhin gehe ich noch mit, dass es Richtung Champagner gehen könnte, wenn so ein Vergleich angesichts völlig anderer Verfahrenstechniken überhaupt zulässig ist.
Und dann? Kommt eine Säure-Kante, die ziemlich alles an Aromen guillotiniert. Das ist schade. Das Getränk zerfällt regelrecht in zwei Hälften. Kann das einfach dem geschuldet sein, dass es der erste Jahrgang ist?
Ich komme darauf, weil es dem – naja – günstigeren Blanc de Blancs durchaus gelingt, anspruchsvoll harmonisch zu produzieren. Der „Kleine“ von French Bloom hat zwar nicht die Komplexität, kommt aber ohne die Säure-Kante aus. Ist aber als Mix-Getränk auf Wasserbasis allein in der Herstellung schon auf Trinkigkeit ausgerichtet. Ich würde dem „La Cuvée“ drei Jahre geben – dann probiere ich ihn nochmal. Sagen wir zwei.
6. Ist French Bloom ökonomisch erfolgreich?
Die Anekdote ist bezeichnend für Innovationen in einem extrem volatilen Weinmarkt. Rodolphe Frerejean-Taittinger ist der Neffe von Pierre-Emmanual Taittinger. Also ein Nachfahre der großen Taittinger-Dynastie. Rodolphes Onkel und Ehrenvorsitzender des Champagnerhauses, also Pierre, hat kürzlich erklärt: „Alkohol ist Alkohol. Wenn wir dazu greifen, dann weil wir trinken wollen. Wenn Sie nicht beten wollen, gehen Sie nicht in die Kirche.“ Die Worte klingen nach einer Bewerbung als Top-Manager in der deutschen Autoindustrie. Die (alkoholfreie) Kirchenmusik spielt deshalb jetzt nicht bei den Taittingers, sondern bei den Moet & Chandons. Die Getränke-Sparte Moet Hennessy des französischen Luxus-Konzerns LVMH (Christian Dior, Louis Vuitton, Kenzo, Dom Perignon, Moet & Chandon) hat im Herbst 2024 einen Anteil an French Bloom erworben: 30 Prozent.
Philippe Schaus ist CEO von Moet Hennessy und sagt: „Diese Investition zeigt unser Engagement, Verbrauchern, die ihren Alkoholkonsum einschränken, hochwertige alkoholfreie Produkte anzubieten.“ Es ist überhaupt der Einstieg in das alkoholfreie Segment. Er sei zuversichtlich, „die Zukunft dieser Kategorie zu gestalten“.
Interessant ist, dass sich erst mit Produktion und Verkauf der ersten Flaschen die Zielgruppe herausgeschält hat. Es ist nämlich so: Käufer sind nicht die No-Trinker, sondern Flexi-Trinker oder Low-Trinker. Also Menschen, die ihren Konsum eher reduzieren, aber nicht aufgeben. „Wir dachten, wir würden vor allem Leute ansprechen, die nicht trinken dürfen“, sagt Constance Jablonski, „letztlich sind es vor allem solche, die mal nicht trinken wollen“.
7. Was nehme ich persönlich mit von der French-Bloom-Verkostung?
Hier sind meine 3 Erkenntnisse – to be discussed:
Ich würde als Winzer:in in diesen Markt investieren. Das ist nicht einfach, klar: Erstens ist die Investitionsbereitschaft einer verunsicherten Branche derzeit nicht gerade groß. Zweitens ist das veränderte Trinkverhalten eine echte Herausforderung. Denn letztlich bedeutet der Flexi-Trinker für die Winzer:in: Er trinkt weniger, also auch weniger von meinem Wein, dafür mehr alkoholfreien Wein. Also mehr von meinem Wein? Gedanklich zumindest ist das ein herausforderndes Null-Summen-Spiel. Angesichts der einbrechenden Märkte aber immerhin ein Zeitgewinn und ein weiterer Schritt in der Differenzierung des Portfolios bei auseinanderdriftenden Zielgruppen? Tbd.
Vielleicht liegt es an der Herkunft der Gründerinnen von French Bloom: Paris. New York. Champagner-Familie. Laufsteg. Alles Haute. Volée. Couture. Cuisine. Vielleicht geht das nur in Frankreich mit entsprechender kulinarischer Luxuskultur: Aber die Art und Weise, wie French Bloom sich sofort im Luxus-Segment an die Seite von Champagner stellt, ist schon beeindruckendes Marketing. In Deutschland krepeln die alkoholfreien Sekte ja gerade mal um die 10-bis-15-Euro-Marke rum. Genau darauf achtend, dass sie preislich knapp unter okayem Winzersekt platziert sind. Warum? Was wird hier für ne Story erzählt: Dass die Qualität der Ausgangsprodukte nicht stimmen oder die Verfahren noch nicht sitzen? Mehr Selbstbewusstsein. Tbd.
French Bloom ist mittlerweile in 30 Ländern vertreten. Hauptabsatzmarkt sind die USA, doch sofort dahinter kommt Frankreich. 500.000 verkaufte Flaschen war das Ziel für 2024. Ambitioniert. Internationalisierung geht mit einem Champagner-ähnlichen Produkt aus Frankreich vielleicht einfacher. Aber Internationalisierung ist für Deutschland vielleicht ein wichtiger Weg. Dafür trinken die Deutschen viel zu wenig deutschen Wein. Tbd.
Was sind eure Erfahrungen mit alkoholfreiem (Schaum-)Wein? Schreibt mir gerne an: weinletter@posteo.de (Si apre in una nuova finestra)
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