Gen Z Kolumne: Social Media Balance trotz Social Media Job?
Berufskrankheit Social Media
Es gibt zwei Feierabend-Szenarien, die dir vielleicht auch bekannt sind, wenn du mit Social Media arbeitest.
Szenario 1: Endlich aufs Sofa und mal etwas entspannen. Plötzlich verfärben sich alle Apps grau, App-Sperre und eine Benachrichtigung poppt auf: „Du hast das Limit für deine Bildschirmzeit schon erreicht.“ Obwohl du das erste Mal privat auf Social Media vorbeischauen wolltest, ist dein Limit durch den Arbeitstag schon voll. Na, was jetzt? 🤡
Szenario 2: Endlich aufs Sofa und ein Blick in die privaten Social Media Accounts:
3 noch nicht abgehörte Sprachnachrichten (darunter natürlich eine 7-Minuten Audio von der besten Freundin aka persönlicher Podcast),
+20 TikToks, die dir Freunde über den Tag geschickt haben (die du aber schon alle auswendig kennst, weil du heute stundenlang nach passenden Sounds oder Meme-Vorlagen suchen musstest)
10 Benachrichtigungen vom Unternehmensaccount, bei dem du auch aus Bequemlichkeit auch noch eingeloggt bist
Reaktion? Handy in „Nicht Stören“-Modus, Freunde ghosten und Müdigkeit von Social Media.👻
Na, bei welchen Szenarien habt ihr euch wiedererkannt? Ich bei beiden.
Bei Szenario 1 steigt der Frust, dass man doch die eigenen Vorsätze durchziehen möchte, endlich eine Bildschirmzeit von unter 3 Stunden zu haben. Eigentlich ist man doch gar nicht so viel am Handy, aber trotzdem schickt dein Smartphone dir einen wöchentlichen Reminder, wie viel Zeit du diese Woche auf den unterschiedlichen Apps verbracht hast. Doch, wie viel davon war jetzt wirklich ich und was beruflich? Und wie kriege ich die Bildschirmzeit runter, wenn meine Arbeit hauptsächlich auf Social Media stattfindet?
Szenario 2 ist schädlich für die eigene Einstellung zum Beruf. Wie willst du auf dem Laufenden bleiben, wenn du nicht mehr reinschaust? Wie willst du dich inspirieren lassen, wenn alles nervt? Was ist mit sozialen Interaktionen mit deinen Freunden, die du unabsichtlich meidest, nur weil du eine Social Media Fatigue hast?
👉 Können Personen, die primär mit Social Media arbeiten, überhaupt so etwas wie eine gesunde Social Media Balance aufbauen?
Ich habe es drei Monate getestet und hier kommen meine Erfahrungen.⚡️
Mehr Offline-Zeit auf Social Media
Start with goals.
Bevor ich mein Selbstexperiment gestartet habe, habe ich hinterfragt, was ich mir konkret unter einer Social Media Balance vorstelle. Um sich ein Verhalten an- oder abzugewöhnen hilft es, sich nicht auf die Sache zu fokussieren, die wir weniger machen wollen, sondern stattdessen den Fokus auf das zu setzen, was wir dadurch erreichen oder mehr machen wollen. (Quelle: Die 1% Methode (Si apre in una nuova finestra))
🎯Meine Ziele:
kein sinnloses Doom-Scrolling im Alltag und keine Ablenkung bei Aufgaben durch Social Media, sondern mehr Fokus und produktiveres Arbeiten
keine negative Einstellung, sondern Überblick und Bewusstsein über meine eigene Nutzung erhalten
und natürlich: Social Media freie Erholung (vor allem am Abend)
Mein indirektes Ziel war es somit nicht weniger Social Media zu benutzen, sondern Social Media bewusst zu nutzen und zu wissen, wann ich es nicht benutzen möchte. Mein direktes Ziel: Nicht weniger Social Media, sondern mehr Leben. =Präsent sein, bewusst im Augenblick sein, mehr Zeit für meine Offline-Hobbys haben.
Wie bekomme ich eine geringe Bildschirmzeit?
Vielleicht ähnelt mein Experiment einem Konzept, aber ihr wisst ja: keine Zielvorhaben ohne Erfolgskontrolle. 😉
Nach der Zielsetzung brauchte ich die richtigen KPIs und ein Indikator war eher schädlich als hilfreich: die Bildschirmzeit.
2024 ist es nicht nur ein Muss für Kommunikatoren, die Messbarkeit von kommunikativen Aktivitäten zu etablieren, sondern auch die richtigen KPIs überhaupt zu identifizieren.
Die Bildschirmzeit gibt keinen genauen Aufschluss darüber, wie ich Social Media tatsächlich nutze. Auch wenn ich persönlich vielleicht nur eine halbe Stunde im Alltag mit Nachrichten verbringe und Abends 1-2 Stunden rumscrolle, kann meine Bildschirmzeit je nach meinem beruflichen Alltag trotzdem hoch ausfallen.
KPI: mehr offline Zeit, mehr offline Aktivitäten.
👉 Next thing needed: Maßnahmen. Mir persönlich hat es geholfen, stattdessen 5 Dinge aufzuschreiben, die ich in meinem Alltag häufiger unternehmen möchte. Unter anderem standen Punkte wie „Mehr Lesen“ oder „mehr Zeit an der frischen Luft“ auf meiner Liste. Mein Ziel war es, täglich mindestens 4 von diesen 5 Dingen zu erreichen. Dadurch, dass ich es geschafft habe, jeden Tag mindestens 4 dieser Offline-Aktivitäten in meinen Alltag zu integrieren, war ich automatisch weniger am Handy.
Was bedeutet eine Social Media Balance?
Was bedeutet es denn, eine Social Media Balance zu haben? Eine Sache, die mir aufgefallen ist, ist, dass wir Erholung mit Social Media verwechseln/ gleichstellen. Es ist keine MittagsPAUSE, wenn du nur am Handy chillst und darauf wartest in 30 Minuten wieder weiterzuarbeiten. Es ist keine Erholung nach Feierabend, total ausgebrannt und erschöpft, passiv am Handy zu scrollen, um mal etwas „weniger anspruchsvolles“ zu machen.
Wir brauchen auch Pausen von Social Media und belangloses Doom-Scrolling ist keine Erholung.🙅
21 Tage Social Media Detox oder radikales Löschen von allen Plattformen, nur um dann beim Re-downloaden genauso aktiv zu sein wie vorher, sind keine Lösungen für eine langfristige Social Media Balance. Wenn Social Media so einen starken Einfluss auf dich hat, dass du nur ohne seine Existenz wieder zur Ruhe kommst, dann hat Social Media keinen guten Einfluss auf dich. Sorry, but thats the truth.
Ein Ausgleich entsteht, wenn wir neben der Zeit, die wir auf Social Media verbringen, mindestens genauso viel oder am besten mehr Zeit offline verbringen. Eine Balance entsteht somit, wenn…
1) … beide Seiten ausgewogen sind oder sich ggf. je nach Situation gegenseitig aufwiegen. Beispiel: Während der Woche arbeite ich viel auf Social Media, aber am Wochenende oder nach Feierabend verbringe ich mehr Zeit offline.
2) … die Anreize/ Inspo/ Energie/ Freude/ was auch immer, die wir in den sozialen Medien verspüren, auch im Offline-Leben gegeben sind. Ist doch klar, dass wenn du nur bei Memes, was zu lachen hast, du immer wieder dahin zurückkehrst, wenn du Unterhaltung suchst.
Was bringt dich im echten Leben zu lachen? Wer oder was inspiriert dich im Alltag? Wo findest du Erholung oder kannst in echt entspannen?
Social Media Detox Herausforderungen als Job “irgendwas mit Kommunikation”
Die größte Herausforderung war es, nicht mehr das Handy zu benutzen, sondern andere Geräte. Mal eben schnell eine Story posten oder ein Video schneiden? Ich habe versucht so viel wie möglich am Laptop zu machen, auch wenn es nur ein anderes Gerät ist. Wieso diese Umständlichkeit? Weil Benachrichtigungen oder die Verlockung mal ganz kurz durch den Feed zu scrollen, Ablenkungsfaktoren sind.
Pro: weniger Ablenkungen durch die ganzen Social Media Benachrichtigungen, die auf dem Homescreen bereits auf dich warten
Contra: Umständlich.🥴
Mein Tipp: Die App Opal (keine Werbung). Ich persönlich bin kein Fan von der Bildschirm-Funktion bei Apple und fand die Sperren wenig hilfreich. Bei Opal kann sich verschiedene Zeitfenster einstellen, um eine Auswahl an Social Media Apps zu blocken. Morgens nach dem Aufstehen? Full Block fürs Handy und im Hier und Jetzt in den Tag starten. 8 bis 16 Uhr? Nur Social Media Blocks, die man für wirklich notwendige To-dos kurz snoozen kann, aber Achtung: je öfter du snoozst, desto mehr langsamer bekommst du die nächste Snooze-Option angezeigt. Nach dem Feierabend? Arbeitsrelevante Apps blocken.
Mein Gamechanger: die Unterteilung von produktiven und unproduktiven Apps. Wenn ich 2 Stunden auf CapCut arbeite, dann tue ich das für Trend Z, nicht privat. Also habe ich diese App als produktiv eingestuft und bekomme auch beim Reporting angezeigt, ob ich mein Handy produktiv genutzt habe oder auf unproduktiven Apps.
🤝Weitere Motivation: Gemeinsam mit Freunden kann man sich verbinden und um eine geringe Bildschirmzeit anpeilen. Vielleicht eine Challenge für dich und deine Work-Bestie?
Das Ergebnis des Experiments: Funktioniert eine Social Media Balance wirklich?
Hier kommt ein ehrlicher Reality Check:
Es hat funktioniert, aber anders als gedacht.
Nach drei Monaten ist man immer noch in einem Prozess, aber dem Ziel näher.
Was haben mir die drei Monate meines Selbstexperiments gebracht?
Zu wissen, was eine Social Media Balance überhaupt bedeutet und was zur Offline-Balance gehört.
Social Media ist eine Gewohnheit und Ablenkung in unserem Alltag. Um mit damit umgehen zu können, müssen wir selbst reflektieren, was wir uns von der Nutzung erhoffen, welche Bedürfnisse wir damit erfüllen wollen, welche Muster wir erkennen.
Keine Verteuflung mehr von Social Media. Social Media kann produktiv und gut sein, allerdings kommt es hier auf die Nutzung und Wahrnehmung an.
Der Fokus auf die Offline-Zeit sorgt automatisch für weniger Online-Zeit.
Unterscheiden zwischen beruflicher und privater Nutzung und die Akzeptanz, dass Social Media immer einen Teil meiner Arbeit einnimmt.
👉 Und falls ihr euch fragt, ob das Experiment sich trotzdem auf meine Bildschirmzeit ausgewirkt hat. Meine Bildschirmzeit hat sich seitdem um 48, 5 % reduziert.
- Eure Katharina