Running Microbe
Liebe Freunde & Freundinnen des Mikrobenzirkus,
ich hoffe, es geht euch gut. Ein kleiner Mai-Rückblick von mir. Draußen ist es sonnig und die Temperaturen klettern zusehends höher. Ich komme gerade von meinem ersten von drei Läufen in dieser Woche. Ja wirklich – vor drei Wochen habe ich wieder angefangen zu joggen – immer durch die gelben Rapsfelder. Aber so sportlich und locker wie sich das anhört, war es leider nicht. Mein Ziel war es, wieder 5 Kilometer locker durchzulaufen. Von 0 auf 5 Kilometer in 8 Wochen mit Trainingsplan.
Das ist nun schon mein zweiter Anlauf mit dem Laufprogramm – es kam im April immer etwas dazwischen. Termine im Job, das Wetter, abendliche Seminare, Netflix-Serien und mein Schweinehund oder leider auch schlimme gesundheitliche Notfälle bei den Eltern.
Aber diesmal halte ich durch…
Warum laufe ich ?
Mein Hauptgrund: als Büroarbeiterin im Job und als Autorin sitze ich ständig vor dem Computer und muss unbedingt etwas als Ausgleich tun. Ich bin ein „früher Vogel“ und daher finde ich den Morgenlauf an vollen und stressigen Tagen richtig klasse. Dann habe ich es abgehakt. Aber auch der Abendlauf zur Entspannung im Sonnenuntergang hat für mich seinen Reiz – gern mit einem Podcast auf den Ohren.
Nicole Staudingers Buch „Läuft schon“ war eine humorvolle Motivationsspritze für mich, um überhaupt wieder anzufangen. Sie kennt aus eigener Erfahrung alle meine Ausreden und meinen Schweinehund anscheinend persönlich :-). Empfehlen kann ich auch Thorsten Pretzsch vom www.ausdauerclub.de (Si apre in una nuova finestra) , der sehr effektive Laufprogramme für Laufanfänger entwickelt hat, die nicht überfordern und auch noch kostenlos mit einer netten FB-Community angeboten werden.
Es gibt also viele Gründe, warum wir laufen. Zum Abschalten, zum Abnehmen, für den sportlichen Ehrgeiz… Ich setze – wir sind hier schließlich im Mikrobenzirkus - noch ein paar mikrobielle gute Gründe drauf, warum wir uns sportlich betätigen sollten.
Etwas Wissensinput in Kurzform für euch – es geht aber auch um ein paar Stuhlproben als kleine Trigger-Warnung ;-)…
Sport verändert unser Darmmikrobiom
Unser Darm steht hoch im Kurs. Seit etwa 15 Jahren wird das Darmmikrobiom erforscht: seine Fehlbesiedlung steht in engem Zusammenhang mit Fettleibigkeit, Krebs, Diabetes oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Nicht alle Zusammenhänge konnten bisher zweifelsfrei bewiesen werden.
Sicher ist aber: Die Bakterien in unserem Darm beeinflussen unsere Gesundheit. Spannend für die Forschenden ist es nun, wie sie unsere Darmflora beeinflussen können. Und hier kommt der Sport ins Spiel. Die Studien ergaben, dass sich Bewegung direkt auf die Zusammensetzung der Darmflora auswirkt.
Nützliche Bakterien mögen es sportlich
Dazu untersuchten Forschende der Universität Illinois zwei Gruppe von Versuchsmäusen: eine sportliche Trainingsgruppe, die Zugang zu einem Laufrad hatten und eine „Sportmuffelgruppe“ ohne Sportgerät. Nach sechswöchiger Beobachtung entnahmen die Wissenschaftler Jacob Allen und Jeffrey Woods Stuhlproben der Tiere beider Gruppen und implantierten diese in keimfreie Nager. Das Mikrobiom der Spendertiere zeigte je nach sportliche oder untrainierter Gruppenzugehörigkeit einige Überraschungen, die sich auch auf die Empfängermäuse übertrugen.
Fazit: Die joggenden Mäuse lieferten an ihre Nagerkollegen viel mehr gute Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren (z.B. Butyrat) produzierten. Die guten Darmbakterien siedelten sich im Darm der Empfängermäuse an und daraufhin passierten einige positive Veränderungen im Darm:
Die kurzkettigen Fettsäuren senkten den pH-Wert im Darm und das behinderte, dass sich Krankheitserreger dort vermehren
Wenn die Fettsäuren fehlen, steht das in Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
Die Mäuse erholten sich auch schneller von Infektionen, wenn sie den transplantierten Sportlerstuhl bekommen hatten.
Mehr kurzkettige Fettsäuren bei schlanken Menschen
Die Hypothese wurde auch noch bei Menschen überprüft. Dazu wurden Studienteilnehmer eingeladen, die hauptsächlich sitzende Tätigkeiten ausübten. Die Probanden mussten dreimal wöchentlich ein Probetraining über sechs Wochen absolvieren und die Stuhlproben wurden untersucht.
Es konnten auch bei Menschen ähnliche Ergebnisse dokumentiert werden, die zeigen, wie wichtig mehr Bewegung für unsere Gesundheit ist.
Die Konzentration kurzkettiger Fett, wie Butyrat erhöhte sich.
Über genetische Nachweise wurden sogar Veränderungen im Mikrobiom belegt.
Bei schlanken Personen wirkte die Bewegung besonders gut, doch sobald sie den Sport wieder aufgaben, verschwanden die positiven Effekte wieder.
„Dies sind die ersten Studien, die zeigen, dass Bewegung Unabhängig von der Ernährung oder anderen Faktoren Einfluss auf den Darm hat. Die Quintessenz ist, dass es deutliche Unterscheide gibt, wie das Mikrobiom von übergewichtigen oder schlanken Menschen auf Bewegung reagiert. Wir müssen noch herausfinden, warum das so ist.“
(Jeffrey Woos, Universität Illinois, 2018)
Fitter Darm, fitte Sportler
Zu einem weiteren überraschenden Ergebnis kamen Mitarbeiter der Scheimans-Arbeitsgruppe der Harvard Medical School, die nach dem Boston-Marathon 2015 Stuhlproben von Läufern und Nichtläufern verglichen.
„Was wirklich auffiel, war ein Anstieg (der Bakteriengattung) Veillonella unmittelbar nach dem Marathon. Generell stellten wir fest, dass der Anteil an der Bakteriengattung bei Läufern im Vergleich zu Nichtläufern höher war.“
Aleksandar Kostic, Mikrobiologie an der Harvard Medical School und Mitautor der Studie)
Etwas Entscheidendes fehlte den Forschenden aber noch – eine Erklärung für den Befund. Und da stehen wir vor dem Problem, dass die Wechselwirkungen des Mikrobioms mit Sport noch insgesamt zu wenig erforscht sind. Von einem tieferen Verständnis würden nicht nur die Spitzensportler, sondern auch wir die breite Bevölkerung profitieren.
Eine Studie im Jahre 2017 betrachtete Unterschiede zwischen den Mikrobiomen von Amateur-und Profiradsportlern. Sie fanden heraus, dass die selbst angegebene Trainingsdauer einen Zusammenhang mit der Konzentration der Bakteriengattung Prevotella aufwies. Zahlreiche Medien griffen die Studie auf und schrieben zum Teil reißerische Berichte. Die Idee, dass ein Radsportler seine Leistung steigern könnte indem er bestimmte Mikroben in seinem Darm anreichert, wurde als Beginn einer neuen Ära des „Stuhl-Dopings“ interpretiert. Was natürlich Quatsch ist, zudem waren die Stichproben auch zu klein, um solch tiefgreifende Schlussfolgerungen zu ziehen.
Veillonella – die Geheimwaffe der Marathonläufer?
Zumindest für die Bakteriengattung Veillonella bei den Marathon-Läufern von Boston zeichnet sich eine mögliche Ursache ab. Diese Mikroorgansimen verspeisen sehr gern Milchsäure oder Laktat. Dabei handelt es sich um ein Nebenprodukt der anaeroben Atmung, das bei intensivem Sport in den Muskeln entsteht. Ihr erinnert euch. der Muskelkater…
Das Stoffwechselprodukt Laktat wird bei einem Marathon im Überfluss gebildet und die Bakterien können es wunderbar zur Energiegewinnung nutzen. Das dabei von den Bakterien wiederum gebildete Propionat fördert wiederum die Musekelfunktion der Sportler. So entsteht durch die Anwesenheit von Veillonella also eine Feedback-Schleife, von der Sportler und Bakterien gleichermaßen profitieren.
„Wer regelmäßig trainiert, schafft eine metabolische Nische für Laktat verwertenden Bakterien wie Veillonella.“
(Aleksandar Kostic, Mikrobiologe Harvard Medical School)
Ein endgültiger Beweis steht auch hier noch aus. Die Studie geht aber den entscheidenden Schritt von der Korrelation zur Kausalität…
Fitness-Mikroben kaufen?
Ermutigt von den Ergebnissen gründeten Scheiman und seine Kollegen das Start-up Fitbiomics. Statt der Leistung von Sportlern wollten sie nun aber die Gesundheit der allgemeinen Bevölkerung verbessern. Das ist eine schöne Idee wird aber von Experten und Expertinnen als doch komplizierter erachtet. Patentrezepte kann man nicht erwarten.
„Es ist schön, ein experimentelles Ergebnis zu haben. Aber wenn ich für die Olympischen Spiele trainieren würde, würde ich so etwas nicht kaufen. So weit sind wir noch nicht…
Jonathan Eisen, Mikrobiologe
Fazit für uns:
So lange die Forschung noch nach endgültigen Beweisen forscht, können wir schon etwas für unsere Gesundheit und einen gesunden Darm mit den richtigen Bakterien tun. Meine Turnschuhe stehen schon wieder startbereit und ich berichte euch, wenn ich als Finisherin über die 5 Kilometer-Marke zische mit Veillonella oder Prevotella an Bord :-).
Link zur Butyrat-Studie (Si apre in una nuova finestra)
Scheiman-Studie (Si apre in una nuova finestra)
Für die Nichtsportler:innen unter uns noch ein paar Kulturtipps :-)…
Ich lese…
Acht Berge, Roman von Paolo Cognetti (Si apre in una nuova finestra)
Ein feiner, lebenskluger Roman, über eine Freundschaft, die mich etwas an „Narziss und Goldmund“ von Hesse erinnert. Mit ruhigen beeindruckenden Beschreibungen der Bergwelt als atemberaubender Naturkulisse und der Folgen des Massentourismus ohne Wertung. Ein stille Geschichte, die mich berührt.
Ich schaue…
Killing Eve (Netflix)
Ein Katz und Maus-Spiel zwischen zwei besonders intelligenten charakterstarken Frauen, die voneinander besessen sind. Villanelle (Jodie Comer) ist eine psychopathische Attentäterin und Eva Polastri, die Agentin (Sandra Oh), die sie aufspüren soll. Ich schaue sonst selten Agententhriller- aber das ist ein Lichtblick. Queere Protagonistinnen, gutes Timing, Ausstattung zwischen Pariser Grandeur und Londoner Tristesse, sarkastische Dialoge, Sandra Oh sehe ich sowieso gern…Tipp!
Museumstipp…
Das Museum Groningen (Si apre in una nuova finestra) ist ein Muss für Kunstliebhaber. Wir waren auf einem Tagestrip in der Universitätsstadt. Das vielfarbige Gebäude mit seiner modernen Architektur (Alessandra Mendini und andere) ist ein „Hingucker“ für sich und die vielseitigen oft provokanten Ausstellungen haben schon zu leidenschaftlichen Diskussionen geführt. Mir hat u.a. der „De Ploeg Salon“ sehr gefallen, Arbeiten eines 1918 gegründeten jungen und mutigen Künstlerkollektivs.
Im nächsten Newsletter geht es um Tipps für ein gesundes Mikrobiom und gute Immunabwehr.
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Grüße aus dem Mikrobenzirkus
Susanne
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