Sonntags gehöre ich mir selbst
Seit Montag ist der Alltag zurück. Die Schulferien sind vorbei, die Abwesenheitsnotizen, die ich auf E-Mails bekomme, werden seltener. Der Mail-Berg, der sich bei mir in den drei Wochen, in denen ich meine E-Mails weitgehend ignoriert habe, angehäuft hat, ist nicht einmal abgearbeitet, als die Nachferienflut neuer Anfragen beginnt. Ich bin seit bald neun Jahren Mutter und doch gehe ich weiterhin gesellschaftlichen Annahmen auf den Leim, die auf mein Leben schon länger nicht mehr zutreffen. Zum Beispiel der, dass ich nach dem Sommer und einigen Urlaubstagen erholter und voller neuer Ideen bin. Dass ich ,frisch‘ an die Arbeit gehe. Stattdessen bin ich müder als zu Ferienbeginn.
Denn sofern die eigenen Kinder noch jung sind und für diese Zeit keine Kinderbetreuung in einer Ferienanlage einspringen oder die Kleinen bei anderen Erwachsenen wie den Großeltern verbringen, ist die Ferienzeit für Eltern das Gegenteil einer Zeit, die Erholung von den arbeitsreichen Wochen davor bietet. Erst recht, wenn diese Zeit verregnet ist und sich in der Wohnung abspielt, statt in der Sonne, im Freibad, am See. Die Philosophin und Feministin Silvia Federici bringt es in einem Interview (Si apre in una nuova finestra) so einfach und prägnant auf den Punkt, wenn sie über die unbezahlte Arbeit Zuhause und in Familien sagt: „Urlaub gibt es auch nicht. Während des Urlaubs arbeitet man stattdessen doppelt so viel.“ Eigentlich weiß ich das – ich erlebe die Wochen ohne Kita und Schule nicht das erste Mal – und dennoch verbindet mein Kopf den Sommer, die Ferien, die Urlaubstage der Erwachsenen noch immer mit der Idee, dass sie die beabsichtigte Wirkung einer Auszeit entfalten werden. Doch um sich erholen zu können, brauchen Eltern jüngerer oder pflegebedürftiger Kinder Alleinzeit.
Dass die Ferienzeit insbesondere für Mütter wenig Erholung bietet, hat noch einen weiteren Grund als Familienaufgaben, die nicht pausieren. Die Zeitverwendungsforschung hat gezeigt, dass Frauen an den erwerbsarbeitsfreien Tagen wie dem Wochenende mehr Haushaltsaufgaben und mehr Kinderbetreuung als Männer übernehmen. So haben beispielsweise Väter jüngerer Kinder an einem Sonntag rund vier Stunden mehr Freizeit (Si apre in una nuova finestra) als ihre Partnerinnen. Wie kann das sein? Der so genannte Gender-Leisure-Gap hat unterschiedliche Ursachen, er erklärt sich unter anderem mit verinnerlichten Ansprüchen an das Wochenende und die Ferienzeit, die geschlechtsspezifisch geprägt sind. Als „gute Mutter“ oder „gute Ehefrau“ fordern sich insbesondere weiblich sozialisierte Menschen an erwerbsfreien Tagen höhere Standards ab an Dinge wie Mahlzeiten oder Aktivitäten mit den Kindern, um dem traditionellen weiblichen Rollenmodell nahe zu kommen.
Menschen haben auch deswegen hohe Erwartungen an das Wochenende oder die Ferien, weil ihnen bewusst ist, dass die Werktage ihnen zu wenig Zeit für die Dinge lassen, die sie zufrieden machen. Aufgrund des Zeitmangels im Alltag überfordern wir die kurze Spanne freier Zeit. Teils existieren die Anforderungen an eine aufwendig gestaltete Zeit auch von außen, indem Menschen einander fragen, was sie am Wochenende vorhaben oder erlebt haben und Kinder in der Schule von den Ferien berichten sollen. Bei meiner Recherche für Alle_Zeit stieß ich auf ein Zitat des Zeitforschers Jürgen P- Rinderspacher in einem Essay von 1987, in dem er schrieb:
„Die alte Rollenverteilung und ein Grauschleier sozialer Fremdkontrolle verhindern also oft, was eigentlich möglich wäre: Sonntags gehöre ich mir selbst.“
Während zuletzt viel über Erwerbsarbeitszeiten diskutiert wurde und die Verteilung von bezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern nach wie vor feministische Debatten beherrscht – und Care-Zeiten zumindest am Rand vorkommen – sollten wir jedoch auch die so genannte Freizeit stärker in den Blick nehmen, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Denn da unsere Zeit „zufälligerweise unser Leben ist“ (Selma James), ist relevant, was wir innerhalb der freien Zeit tun, welche Freiheiten und Einschränkungen wir erleben und inwiefern diese unterschiedlich verteilt sind.
In der Debatte um die Kindergrundsicherung etwa versuchen ihre Gegner_innen, den Blick auf die Entwicklung von Kindern auf die Zeit zu verengen, die Kinder in Schulen und Kindergärten verbringen. Sie schreiben der Zeit in der institutionellen Betreuung eine überragende Wirkung für Bildung und Entfaltung der Kinder zu, während sie die Bedeutung der Zeit, die Kinder nicht an diesen Orten verbringen, nahezu für nichtig erklären. Dabei ist hinlänglich belegt, dass die materielle Situation der Familien die Lernfähigkeiten und das Selbstbewusstsein von Kindern entscheidend mit beeinflusst. Kinder lernen überall – nicht nur in der Schule – und wenn sich in der schulfreien Zeit und der Familienzeit weniger Möglichkeiten für sie auftun, die Eltern durch Geldnot ständig gestresst oder verzweifelt sind, fallen die Kinder hinter Gleichaltrigen, die auch am Wochenende oder in den Ferien viel erleben, zurück. Daher ist die Zeit jenseits von Kita und Schule auch politisch von enormer Bedeutung.
Wenn man die neoliberale Lüge, dass ,Chancen‘ primär über Bildung entstehen, auf uns selbst als Erwachsene überträgt, wird klar, wie emotional entfremdet der Blick auf Kinder oft ist. Sie werden dann als unfertige Menschen betrachtet, die primär über formalisierte Bildung ihre Reife erlangen und in der restlichen Zeit wie ein Stück Butter im Kühlschrank verwahrt werden, bevor sie am Morgen wieder auf die Fertigungsstraße rollen. Entfalten sich erwachsene Menschen vor allem innerhalb ihrer bezahlten Arbeit? Können Sie über ihre Jobs nahezu all ihre emotionalen Bedürfnisse erfüllen? Ist es für die eigene Entwicklung sowie das eigene Wohlbefinden so gut wie egal, was in der Zeit jenseits von Büros und Betrieben geschieht?
Oftmals ist es gerade die Zeit abseits der Jobs, die uns nährt und die wir herbeisehnen, weil wir ohne die Erlebnisse in der erwerbsarbeitsfreien Zeit nicht existieren könnten. Weil wir innerhalb dieser Zeiten mindestens genauso gut wenn nicht sogar stärker zeigen können, wer wir sind und was uns ausmacht. Weil die Art von Gesprächen, Berührungen und Nähe, die wir brauchen, um sich selbst zu spüren, vor allem in den Randzeiten von Tag und Jahr geschehen. Die Lebensereignisse, an denen Menschen wachsen, die sie prägen, von denen sie anderen erzählen, haben manchmal mit Schule, Ausbildung und Job zu tun – aber mindestens ebenso oft nicht.
In der Kindheit und Jugend hat die Zeit an den Lernorten zwar oftmals eine größere soziale und emotionale Qualität als später in den Berufen – sowohl im positiven als auch negativen Sinne – weil junge Menschen soziale Kompetenzen erst nach und nach ausbilden und viel Zeit in größeren Gruppen verbracht wird, dennoch ergibt es keinen Sinn, davon auszugehen, freie Zeit würde erst mit dem Erwachsenenalter bedeutsam sowie bewusst gestaltet.
Eine Gesellschaft, die will, dass es Kindern und Jugendlichen gut geht und sie ihre Persönlichkeit und Fähigkeiten entwickeln können, muss die Bedingungen, die junge Menschen Zuhause, am Wochenende, in der Stadt vorfinden, ebenso wichtig finden wie ein gutes Bildungsangebot. Denn wenn die Hälfte von Kindheit und Jugend so gut wie egal sind, nehmen wir junge Menschen nichts als vollständige, komplexe Menschen wahr. Kinder sind nicht nur Schüler_innen, sie sind ganze Menschen, die überall existieren, atmen, beobachten, fühlen.
Ebenso müssen die freien Zeiten von Erwachsenen und erwerbstätigen Menschen wieder stärker politisiert werden. Dabei reicht es nicht aus, allein mehr Zeit frei von Erwerbsarbeit zu fordern, denn wirklich frei verfügbare, selbstbestimmte Zeit, die Menschen guttut, kann nicht allein mit Zeit jenseits des Jobs gleichgesetzt werden. Zeit als echte Freizeit zu erleben hat zwar auch eine quantitative Dimension – es muss ausreichend Zeit als zusammenhängende Zeit zur Verfügung stehen – doch echte Freizeit bedeutet vor allem die wahrgenommene Qualität von Zeit. Menschen erleben die Zeit, die sie ohne Arbeitsaufgaben verbringen, nicht auf gleiche Weise, denn in der oberflächlichen Betrachtung ist eine Stunde Streit mit Beziehungspartner_innen ebenso Freizeit wie in einer Düne liegen und zu knutschen. Sich selbst zu fragen, welche Übrigzeiten am Rande des Alltags der Art von Freizeit nahekommt, in der man sich frei fühlt, „sich selbst gehört“, kann eine erste Annäherung dafür sein, sich zu beantworten, wie viel wirklich freie Zeit man selbst erlebt und wie man mehr davon bekommen könnte.
Im Buch „The Power of Fun. How to feel alive again“ von Catherine Price, aus dem ich in Alle_Zeit zitiert habe und das sich zunächst wie ein kitschiges, küchenpsychologisches Selbsthilfebuch anhört, aber ein fundiert recherchiertes, kritisches Sachbuch ist, erklärt sie warum sich manche zunächst der Freizeit zugeordneten Tätigkeiten nicht positiv auf die mentale Gesundheit und das eigene Wohlbefinden auswirken. Wir verwechseln sie lediglich mit Spaß und Erholung, dabei sind sie oft eher weitere Pflichten oder dienen dazu, unangenehme Gefühle nicht spüren zu müssen. Und so schräg es zunächst klingt: Als erwachsene Person ist gar nicht so einfach, wieder Beschäftigungen und Hobbys zu finden, bei denen man die Zeit vergisst und wieder in Kontakt mit sich selbst kommt. Die soziale Norm, auch in der freien Zeit produktiv zu sein, sie ,sinnvoll‘ zu nutzen, ist stark. Das Buch von Catherine Price ist mittlerweile auch in deutscher Übersetzung (Si apre in una nuova finestra) erschienen und ich empfehle es ebenso wie das Buch „Real Self-Care“ (Si apre in una nuova finestra) der Psychiaterin Pooja Lakshmin, die evidenzbasiert erklärt, wie echte Selbstfürsorge gelingt und klarstellt, dass Self-Care nichts ist, das man kaufen kann. Der erste Schritt zu mehr Selbstfürsorge ist daher, nicht mehr an Tuchmasken oder Massagen zu denken, wenn das Wort „Self-Care“ aufploppt, sondern zunächst ein wenig mehr GedankenARBEIT auf sich zu nehmen; denn Selbstfürsorge gelingt durch Wissen und Fähigkeiten, die man manchmal nur mit Hilfe von Therapeut_innen erlernen kann. Da die Möglichkeit, sich gut um sich selbst zu kümmern, zudem eng verbunden ist mit sozialer Gerechtigkeit, wie Pooja Lakshmin insbesondere für Care-Verantwortliche und diskriminierte Gruppen betont, müssen alle, die sagen „Self-Care ist wichtig“ ebenso politisches Engagement für Gleichberechtigung, Inklusion und Armutsbekämpfung wichtig finden und sich daran beteiligen.
„When real self-care is a personal solution and not a commercial solution, that is the only chance that we have to lead to collective action. If you are somebody that has privilege, if you are somebody who has lighter skin, if you have financial resources, if you are able-bodied, knowing that you get power from this, you have a responsibility to put it back into your communities.“ – Pooja Lakshmin (Si apre in una nuova finestra)
Aktuell leben wir in einer kapitalistischen Gesellschaft, die erwerbsarbeitszentriert und konsumorientiert angelegt ist. Solch ein Gesellschaftsmodell ist nicht nachhaltig und verursacht langfristig immer mehr Probleme und Schäden, wie beispielsweise die Kitakrise, den Pflegenotstand oder den Klimakollaps, die ohne grundlegende Veränderungen nicht aufgefangen werden können. Die aktuellen Krisen können nicht mit „mehr Erwerbsarbeit“ und „mehr Wachstum“ beantwortet werden.
Die Unterkomplexität der Herangehensweise „alle müssen mehr arbeiten“ lässt sich auch hier schnell durch kleine Alltagsbeispiele zeigen. Denn Krisen wie Liebeskummer oder die Trauer um einen verstorbenen Menschen lassen sich weder durch mehr Erwerbsarbeit noch Trostshoppen verarbeiten. Die Lösungen, die sowohl gesellschaftlich als auch individuell aus Krisen herausführen, sind komplizierter, weil wir Menschen sind und keine ökonomischen Kennzahlen, die sich beim Rechnen still verhalten.
In der aktuellen Debatte über die Kindergrundsicherung und einkommensarme Familien wird „mehr Erwerbsarbeit“ als das vermeintlich beste Rezept gegen Armut gepriesen. Diese extremen Vereinfachung wendete auch Bundesfinanzminister Christian Lindner an als er sagte (Si apre in una nuova finestra), alleinerziehende Eltern müssten politisch dazu motiviert werden, mehr zu arbeiten. Nun kann man spekulieren, ob Lindner derart wenig Interesse an den realen Lebenssituationen von Familien in Deutschland hat, dass er tatsächlich glaubt, die meisten Alleinerziehenden seien erwerbslos, er in seiner Arroganz die Zuarbeit seines Team nicht gelesen hat oder ob seine Referent_innen ihn schlecht gebrieft haben, weil sie gerade von verkürzten Kitaöffnungszeiten betroffen und gestresst waren, oder ob Christian Lindner vorsätzlich Vorurteile gegenüber Alleinerziehenden, Migrant_innen und Armutsbetroffenen schüren möchte, damit ihnen weniger gesellschaftliche Solidarität entgegengebracht wird.
Fakt ist jedoch, dass Alleinerziehende bereits seit Langem das Konzept „mehr Erwerbsarbeit“ anwenden – alleinerziehende Mütter sind zu einem höheren Prozentsatz erwerbstätig (Si apre in una nuova finestra) als Mütter in Paarfamilien und arbeiten häufiger in Vollzeitjobs – sie jedoch trotz ihrer höheren Erwerbsorientierung häufiger armutsbetroffen sind und zusätzlich zu ihrem Erwerbslohn Sozialleistungen beziehen müssen. Um nicht trotz Arbeit arm zu sein, müsste sich vor allem innerhalb des Arbeitsmarktes einiges ändern, wie höhere Mindestlöhne, die Aufwertung weiblicher konnotierter Berufe, mehr Familienfreundlichkeit in Unternehmen und Arbeitszeiten, die zum Alltag von Menschen mit Care-Verantwortung passen. Für viele Alleinerziehende wäre sogar „weniger Erwerbsarbeit“ eine Lösung, da eine generelle Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich dazu führen würde, dass diejenigen, die aufgrund von Betreuungspflichten nicht in Vollzeit arbeiten können, bessere Löhne bekämen.
Alleinerziehende haben im Vergleich zu Menschen ohne Sorgeverantwortung und Eltern in Paarfamilien überlange Arbeitstage und noch weniger Zeit für Regeneration und eigene Interessen. Denn die Arbeit und Aufgaben Zuhause stemmen sie oft oder weitgehend allein. Sie können sich nicht abwechseln beim Einkaufen, Kochen, Kinder ins Bett bringen, bei den Hausaufgaben helfen und Aufräumen. Und selbst wenn das Kind oder die Kinder auch tageweise beim anderen Elternteil leben: Das Putzen der Wohnung fällt in jedem Haushalt an. Die Familienaufgaben, die sich auf getrennt-lebende Eltern verteilen, sind in der zeitlichen Summe insgesamt mehr als bei gemeinsam lebenden Eltern, da viele Aufgaben genau wie Anschaffungen für das Kind oft doppelt anfallen. Insbesondere die zeitliche Mehrbelastung von Alleinerziehenden wird in der politischen Diskussion bislang nicht berücksichtigt. Viele Alleinerziehende (und auch zusammenlebende Eltern) können die zeitliche Anforderung einer 40-Stunden-Stelle nicht erfüllen oder die Kombination aus Vollzeitjob und Familie geht mit hohen gesundheitlichen Belastungen und sozialen Einschränkungen einher, die ihre Lebensqualität sowohl kurz- als auch langfristig beeinträchtigen und sie gegenüber als Paar lebenden Eltern und Menschen ohne Sorgeverantwortung stark benachteiligen.
Vielmehr als „Welche Strukturen braucht es, damit Alleinerziehende Vollzeit oder mehr erwerbsarbeiten können?“ sollte eine feministische oder schlicht langfristig orientierte Politik fragen: „Sollten Alleinerziehende Eltern 40 Stunden arbeiten müssen?“ Alleinerziehende Eltern sind kein Nischenphänomen, knapp ein Fünftel aller Eltern wird zu dieser Familienform gezählt. Dennoch werden sie an Anforderungen innerhalb des Arbeitsmarktes gemessen und müssen Lebenshaltungskosten bestreiten, die sich an Maßstäben orientieren, die für sie entweder gar nicht oder unter zumutbaren Bedingungen kaum zu erreichen sind. Alleinerziehende sollen so tun, als seien sie ein kinderloser Hochschulabsolvent, der sich neben der Arbeit nur um sich selbst kümmern muss. Das ist Politik für einen Science-Fiction-Roman, aber nicht Politik für real existierende Menschen. Um es knapp zu formulieren: Die Anforderungen und Lebensbedingungen von Alleinerziehenden sind potentiell gesundheitsgefährdend und sozial isolierend – diesem Umstand wird politisch so gut wie nichts entgegengesetzt. Dafür müsste er von Politiker_innen zunächst benannt werden.
Gute, flächendeckende Ganztagsbetreuung von Kindern ist keine Revolution für Alleinerziehende und armutsbetroffene Eltern. Sie richtet sich zudeem an alle Eltern und Kinder – anderweitig müssten alleinerziehende und arme Eltern bei der Platzvergabe bevorzugt werden. Etwas, das man durchaus diskutieren könnte, aber aufgrund der überall fehlenden Kitaplätze und fehlenden Ganztagsbetreuung die Solidarität unter Eltern weiter bröckeln ließe. Ein überfälliger politischer Schritt wäre es, die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten, von denen so viele Eltern auch in finanzieller Hinsicht betroffen sind, einzuräumen und Lösungen zu entwerfen, die berücksichtigen, dass viele Eltern aktuell nicht oder nur wenig erwerbstätig sein können, selbst wenn sie es anders wollen. Die politische Anerkennung der Realität, in der Familien leben, bleibt aus. Den politischen Diskurs über die Erwerbstätigkeit von Eltern, pflegenden Menschen und Gleichberechtigung muss man demnach als Gaslighting bezeichnen.
Eine feministische Familien- und Care-Politik muss zur Diskussion stellen, wie Menschen, die sich um andere kümmern, ausreichend Zeit für Erholung, sich selbst und Engagement bekommen. Sie muss die Erwerbszentrierung der Debatten aufbrechen, denn Familien – genau wie alle Menschen – brauchen mehr als ein existenzsicherndes Einkommen. Insbesondere für alleinerziehende Eltern und pflegende Eltern müssen Kinderbetreuungsangebote nicht nur die Zeit für die berufliche Arbeit abdecken, sondern ebenso freie Zeit ermöglichen. Das ist keine absurde Forderung, Erholung und Freizeit sind als Menschenrecht formuliert und abgesichert (Artikel 24). Daraus leitet sich ab, dass die Unterstützung bei Care-Aufgaben eine politische Frage ist und nicht als private Angelegenheit deklariert werden kann, denn Pausen von direkten Care-Aufgaben können nur von anderen Menschen ermöglicht werden. Die Zeitarmut einer alleinerziehenden Mutter kann nur durch Zeit, in der andere ihre Pflichten übernehmen, gelindert werden. Diese anderen Menschen sind wir alle. Wir alle, die Care als gesellschaftliche Aufgabe anerkennen und uns im persönlichen Umfeld und unbedingt auch politisch dafür einsetzen, dass ein Kind von vielen Menschen betreut wird und Zuwendung erfährt, dass Eltern, deren Tage bislang kaum Pausen vorsehen, von anderen unterstützt werden, dass pflegende Angehörige nicht allein verantwortlich sind. Dass jede_r sagen kann, wenn es zu viel wird, und dafür nicht verurteilt, sondern gefragt wird, was er_sie jetzt braucht.
Christian Lindner wird wissen, dass wenn er Alleinerziehende fragen würde, was sie brauchen, wohl keine_r von ihnen antworten würde: „mehr Anreize.“ Dieses Wort wird im alltäglichen Sprachgebrauch nicht einmal benutzt, da es weder Problem noch Lösung beschreibt. Deswegen fragt Lindner Alleinerziehende nicht, und macht Politik an ihnen vorbei. Ob man Ideen, die weder auf empirisch korrekten Zahlen noch auf Bedürfnissen beruhen, die Menschen habene und formulieren, überhaupt Politik nennen sollte, lasse ich hier als Frage stehen. Welche Anreize, welche Bildung könnten da helfen?
Bis bald,
Teresa
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06.09.2023 – Flensburg
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Dänische Zentralbibliothek
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07.09.2023 – Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe
„Quoten, Jurys, Gagentransparenz: Welche Reformen braucht es für Geschlechtergerechtigkeit in den Künsten?“
Zum Abschluss der re:balance-Pilotrunde und der Ausstellung „The F*word“ laden die Rudolf Augstein Stiftung und das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zur Diskussion.
Mehr Infos (Si apre in una nuova finestra)
20.09.2023 – München
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10 bis 15 Uhr
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22.09.2023 – Dresden
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28.09.2023 – Niedernhausen
BildungsZentrum Oberjosbach, www.bzo.de (Si apre in una nuova finestra)
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02.10.2023 – Berlin
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06.10.2023 – Berlin
RIOT NOW!
Infos folgen (Si apre in una nuova finestra)
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Konzeptwerk Neue Ökonomie
„Keine Zeit?! – Wie wir Arbeit und Zeit gerechter verteilen können“
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16.11.2023 – Mainz
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