Alkoholbeichte: Wie mich die Berichterstattung über Jenny Elvers geprägt hat
Mika macht sich Gedanken über Jenny Elvers – und den Unterschied, wie wir über Suchterkrankungen sprechen im Vergleich von damals zu heute.
Als Jenny Elvers zum ersten Mal für ihre Abhängigkeitserkrankung in die Schlagzeilen kam, war ich 22 Jahre alt und interessierte mich eigentlich mehr für Revolution als für Promis. Zugegeben, das hat sich nicht nennenswert geändert, und trotzdem denke ich seit geraumer Zeit immer wieder über die Schauspielerin nach. Denn obwohl im Jahr 2012 für mich noch alles in Ordnung schien, steckte ich bereits in der ersten Phase meiner Alkoholabhängigkeit: Ich trank zu viel und zu regelmäßig und ich dachte immer wieder darüber nach, wie es wäre, wenn ich eines Tages damit aufhören müsste. Während ich dabei zuschaute, wie mir langsam die Kontrolle entglitt, sinnierte ich darüber, wie es wohl wäre, sie gänzlich zu verlieren. Ich überlegte, was eine »Alkoholikerin« eigentlich auszeichnete, bestellte die nächste Runde und sehnte mich ganz generell nach mehr Selbstdisziplin. Ich sprach darüber mit niemandem.
Wir bauen unsere Welt aus Fragmenten zusammen. Irgendwo schnappen wir etwas auf; eine Information, ein Bild, eine unscheinbare Äußerung, und ziehen unsere privaten Schlüsse daraus. Welche das sind, ist unmöglich vorherzubestimmen – und meist sind die Lektionen unbewusst. So merken wir vielleicht erst mit Anfang dreißig, dass uns ein abfälliger Blick in der Sportumkleide der Mittelstufe stärker beeinflusst hat als fünf Jahre Französischunterricht. Oder wir merken erst nach einem medial verhandelten Rückfall, dass uns die Berichterstattung über Jenny Elvers doch irgendwie geprägt hat.
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