Ist die Ära der lügenden Startups vorbei?
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Ist Sebastian Kurz der österreichische Carlos Watson?
Eigentlich wollte ich das Geschehen in der österreichischen Politik in diesem Newsletter ignorieren und mich diese Woche auf Carlos Watson konzentrieren – bis ich merkte, dass Watson und Kanzler Sebastian Kurz die gleiche Person sind.
Aber der Reihe nach: Wer ist Carlos Watson? Gründer des Medien-Startups Ozy, dessen Implosion ich vergangene Woche erwähnt hatte (Si apre in una nuova finestra). Nachdem durchsickerte, dass das Unternehmen seit Jahren seine Reichweite künstlich erhöht und mit falschen Behauptungen Investoren angelt, und MitarbeiterInnen über die fragwürdige Unternehmenskultur berichteten, wurde am Freitag das offizielle Ende verkündet. Am Montag allerdings erklärte der Unternehmer in einem TV-Interview, dass Ozy wieder zurück kommen werde. Wie, das weiß er selbst noch nicht so genau:
https://www.youtube.com/watch?v=ZmzKJ4YJDgg (Si apre in una nuova finestra)Und hier kommt Sebastian Kurz ins Spiel: Wer dieses Interview mit Watson sowie Kurz' Auftritt in der ZiB2 gesehen hat, erkennt die bemerkenswerte Realitätsverweigerung und die beneidenswerten Egos, die beide Männer haben (mit dem Unterschied, dass Watson seine Wegbegleiter nicht unter den Bus wirft, sondern vorausschauend nette Worte sagt).
Der eigentliche Grund, warum Watson im Fokus dieses Newsletters steht, ist aber folgende Frage: Ist Lügen ein erfolgreiches Geschäftsmodell? Ozy ist nur eines von vielen Medien- und auch anderen Startups, die ihre Zahlen schöner reden, und damit quasi "Fakten schaffen". Das passiert in vielen Fällen aufgrund des Drucks, Geld zu sammeln und Investoren zu überzeugen, und geht dabei in manchen Fällen wie bei Theranos oder eben Ozy zu weit. Das Problem spricht Eric Ries, Autor der Bibel "Lean Startup", im Dealbook-Interview an (Si apre in una nuova finestra):
This is a dilemma I think every start-up founder grapples with. Investors do a lot of due diligence, but at the end of the day, you’re doing diligence on someone’s ability to manifest something that does not exist today. There is this temptation always to basically deceive people about what you have or can do. That’s always a bad idea.
Lügen als Geschäftsmodell? Kann wohl funktionieren, aber nicht auf Dauer. Dennoch ist es offenbar nötig, eine bessere Welt zu verkaufen, um den gewünschten Erfolg tatsächlich zu erreichen – nach dem Motto "think big". Nach den Startup-Skandalen der vergangenen Jahre werden wir vielleicht in Zukunft bei vielen Jungunternehmen ein langsameres, aber auch nachhaltigeres Wachstum sehen. Die Geschichte des Ozy-Zusammenbruchs könnt ihr hier nachlesen. (Si apre in una nuova finestra)
Ist DAO das neue NFT?
Über NFTs (Non-fungible Tokens) haben wir dieses Jahr schon öfter geschrieben, nun taucht das nächste Buzzword aus der Kryptowelt an die Oberfläche, das ihr auch kennen solltet: DAO.
Die Abkürzung steht für "Decentralized Autonomous Organization" (Si apre in una nuova finestra) und erklärt im Grunde auch schon, worum es geht: um dezentrale, autonome Organisationen, die transparent operieren und deren Regeln in Smart Contracts definiert sind. Den Ursprung hat dieses Konzept zwar in Blockchain-Projekten, doch DAOs finden darüber hinaus immer mehr Anwendungsfälle – und deshalb erhalten sie wie NFTs mittlerweile Mainstream-Aufmerksamkeit.
"Due to their flat structures, advocates believe that DAOs can shake up traditional corporate models and keep value within the communities that create it", erklärt dazu Decrypt (Si apre in una nuova finestra). Dapper Labs, das die NFT-Plattformen Crypto Kitties und NBA Top Shot betreibt, gründet jetzt eine eigene Business-Unit, um Tools für DAOs zu entwickeln. Potenzial haben DAOs unter anderem im Influencer-Bereich (Si apre in una nuova finestra) (Stichwort Creator Economy), aber auch in der Modebranche (Si apre in una nuova finestra). Und der US-Bundesstaat Wyoming erkennt DAOs als offizielle Gesellschaftsform an (Si apre in una nuova finestra). Wir werden in Zukunft also viel über DAOs lesen.
Auf der Watchlist
Als Facebooks Plattformen am Montag mehrere Stunden offline waren, nutzten die einen die Zeit, um sich darüber lustig zu machen, andere wiederum verfolgten den Aktienkurs und machten wohl den ein oder anderen Trade. Der Totalausfall hat den Kurswert natürlich negativ beeinflusst und auch die vergangenen Wochen seit den Facebook Files war ein Abwärtstrend erkennbar. Lange hält dieser Trend jedoch nicht an, und Kollege und FAANG-Beobachter Nils Jacobsen relativiert in seiner Kolumne (Si apre in una nuova finestra) Schlagzeilen über Milliardenverluste: "Dass sich Zuckerbergs virtuelles Nettovermögen am Montag am Ende um 6 Milliarden Dollar (nur in der Spitze waren es 7 Milliarden) und Facebooks Börsenwert um rund 45 Milliarden Dollar reduzierte, stimmt – nur hat es nichts mit dem Serverausfall zu tun, sondern dem gesamten Kursverlauf an einem ohnehin schwachen Handelstag und den Sorgen um die jüngsten Facebook-Enthüllungen." Und:
"Nebenbei suggerieren die Drama-Meldungen ein weiteres schiefes Bild – nämlich eine vermeintliche Endgültigkeit, die nicht existiert. Zuckerbergs Nettovermögen schwankt schließlich jeden Handelstag an Wall Street, also fünfmal die Woche, sechseinhalb Stunden am Tag."
Die aktuellen Turbulenzen könnten zumindest ein guter Zeitpunkt zum Nachkaufen sein.
Weitere News
Der US-Senat hat sich doch auf eine Erhöhung der Schuldenobergrenze geeinigt, damit ist die Zahlungsunfähigkeit zumindest bis Dezember aufgeschoben. (NYT (Si apre in una nuova finestra))
Bei der Streaming-Plattform Twitch kam es diese Woche zu einem 125 Gigabyte schweren Hack, der den Quellcode der Plattform als auch die Auszahlungen an die größten Streamer beinhaltete. Der größte Twitch-Verdiener hat seit August 2019 9,6 Millionen US-Dollar erhalten. (The Verge (Si apre in una nuova finestra))
In Deutschland sank die Gesamtproduktion im September um vier Prozent gegenüber dem Vormonat und damit mehr als erwartet, ein Grund dafür dürfte die "Flaschenhals-Rezession (Si apre in una nuova finestra)" sein. (FAZ (Si apre in una nuova finestra))
Der kanadische Buchhaltungssoftware-Betreiber Freshbooks übernimmt den deutschen Mitbewerber Fastbill. (FinanceFWD (Si apre in una nuova finestra))
Fürs Wochenende
Zum Erinnern: Wie 9/11 ist der Todestag von Steve Jobs ein Tag, an den ich mich für immer zurück erinnern werde. Ich war um 6 Uhr früh in der Straßenbahn auf dem Weg ins Fitnessstudio, als ich Twitter öffnete und die Nachricht las. Seine Stanford-Rede ist heute noch Inspiration und Motivation:
https://www.youtube.com/watch?v=UF8uR6Z6KLc (Si apre in una nuova finestra)Ihr seid Fans von ehrlichen Newslettern :) ? Dann empfehlt Smart Casual gern weiter!
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Bis nächste Woche!
Lisa