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Gender und Handys

Ich werde jetzt die gleiche Geschichte zweimal erzählen. Einmal so, wie ich es auf Türkisch erzählen würde. Und dann so, wie ich es auf Deutsch erzählen würde.

Version 1

Ich werde wach und sehe mir mein Telefon an. Mein Akku ist fast leer, also schließe ich das Gerät an das Ladekabel. Es gibt eine Warnung: „Es wurde Wasser am Stromnetz festgestellt. Bitte warte, bis dein Gerät trocknet, und versuche es erneut.“ Ich erinnere mich: Die Lupinenkerne! Es waren die scheiß Lupinenkerne!

Wir laufen am Abend zuvor die Straße lang. Meine Freundin, ebenso eine Autorin, hält an mein Arm, ich erzähle ihr etwas, sie hört aufmerksam zu. Und dann habe ich Augenkontakt mit einem älteren Mann: Ein Lupinenkernenverkäufer. Auf seinem Wagen liegen drei Tüten unterschiedlicher Größen. Ich frage, wie viel die größte Tüte kostet. Er antwortet: „30 Lira.“ Ich nehme die Tüte, die er in eine weitere Tüte gelegt hat, in die Hand, und bevor ich mein Portemonnaie aus meiner Tasche holen kann, bezahlt meine Freundin schon. Ich lege die Lupinenkerne in meine Handtasche – wir haben gerade eben zu Abend gegessen und haben noch keinen Hunger. Also, es ist unser Snack für später.

Wir laufen in die Altstadt und setzen uns in eine Kneipe. Unser Kumpel folgt, und paar Stunden später folgen zwei weitere befreundete Personen. Wir trinken Bier, ich Efes, die anderen Becks. Nach zwei Bier bestelle ich mir eine Kola und hoffe, dass sie mich wach macht. Das tut sie aber nicht. Es ist erst 23 Uhr, ich bin schon so müde, dass ich nach Hause gehe.

Zuhause will ich die Tüte mit den Lupinenkernen in den Kühlschrank legen, bevor ich mich schlafen lege, und hole die Tüte heraus. In dem Augenblick merke ich, dass sich der Knoten gelöst hat, und ich den Boden der Tüte in der Hand habe – der Fußboden ist jetzt voller Lupinenkernen, meine Tasche ebenso. Ich schimpfe, mache erst einen festeren Knoten und lege die Tüte in den Kühlschrank. Und dann sammele ich die kleinen gelben Snacks aus dem Boden. Ich werfe sie weg, nehme meine Handtasche mit ins Schlafzimmer und lege mich ins Bett.

Ich kann nicht schnell einschlafen, wenn ich den ganzen Tag unterwegs war, und mich ins Bett lege sobald ich zuhause ankomme. Ich muss etwas tun, um mein Gehirn zu entleeren: auf Social Media rumscrollen oder etwas schauen. Also hole ich das Handy aus der Tasche und merke, dass der gesamte Inhalt meiner Tasche nass ist. Handy, Zigaretten, Portemonnaie, Feuerzeug – alles. Diese scheiß Lupinenkerne!

Wenn sich mein Handy am nächsten Tag nicht auflädt, weil es immer noch nass ist, denke ich an die Lupinenkerne und rege mich schon wieder auf. Und dann schreibe ich meinem Kumpel, mit dem ich heute morgen zum Frühstück im Park verabredet bin, schnell eine Nachricht, bevor sich mein Handy ausschalten kann: Dass er einfach hierher soll, um mich abzuholen, dann laufen wir zusammen zum Park. Ich bin nämlich nicht erreichbar, wenn mein Handy gleich aus ist. Es lädt ja nicht. Er antwortet: „Alles klar. Ich bin gleich da.“

Ich versuche alles, um mein Handy zu trocknen. Ich föne all seine Öffnungen, lass das eine Weile auf dem Balkon stehen (ja, stehen). Ich hole meine Simkarte heraus und föne auch in die Öffnung hinein. Nichts bringt was, das Gerät lädt einfach nicht. Langsam werde ich panisch, denn erstens ist es ein brandneues Handy, das noch nicht abbezahlt ist, und zweitens hab ich bald wichtige Deadlines und ich brauche Netz, das ich ohne mein Handy nicht hätte. Mein ganzer Plan, etwas länger in Antalya zu bleiben und von hier aus zu arbeiten, fällt ineinander, wenn mein Handy nicht funktioniert. Es muss funktionieren!

Ich renne zwischen Fön und Ladegerät und bald verliert mein Handy den Touchscreen. Ich kann also nichts mehr machen, wofür ich die Touchscreen-Funktion brauche – zum Beispiel das Handy ausschalten. Und da ich nichts mehr machen kann, wofür ich die Touchscreen brauche, kann ich auch nicht mein Hotspot aktivieren oder irgendwem irgendwelche Nachrichten schreiben. Ich kann auch nicht googlen, wie ich ohne Touchscreen das Handy ausschalten kann.

Circa eine Stunde nach seiner Nachricht „Ich bin gleich da“ ist mein Kumpel endlich da, er wohnt übrigens gleich um die Ecke. Ich sage ihm panisch – ich kann jetzt panisch sein, alleine musste ich funktionieren, aber jetzt kann ich mich ein bisschen auf seine Unterstützung verlassen – dass meine Touchscreen weg ist und ich das Gerät nicht ausmachen kann. Er sagt ich soll googlen, wie man ohne Touchscreen ausschaltet. Ich schreie: „Ich kann nicht googlen, dafür brauche ich die Touchscreen!“

Wir verbinden meinen Laptop mit seinem Hotspot und finden heraus, wie wir ohne Touchscreen einen Neustart erzwingen können. Beim Neustart kehrt auch die Touchscreen zurück. Er sagt: „Touchscreen ist wieder da!“ Ich schreie: „Beweg dich nicht!“ und schalte das Handy endlich ganz aus.

Mein Kumpel sagt: „Du musst das Handy im Reis liegen lassen. Bring Reis und einen kleinen Behälter!“ Ich laufe in die Küche und finde einen kleinen Teller. Und dann sehe ich im Schrank nach Reis, finde aber erst nichts. Ich schreie ins Wohnzimmer: „Ich glaube ich habe keinen Reis! Würden auch Nudeln gehen?“ Er antwortet: „Nein! Es muss Reis sein!“ Ich frage ihn: „Wieso? Was soll das überhaupt bringen, das Wasser ist doch im Handy drin!“ Und er so: „Keine Ahnung!“

Endlich finde ich den Reis und laufe ins Wohnzimmer. Mein Kumpel fragt: „Ist es Baldo-Reis oder Salat-Reis?“ Ich so: „Ist Baldo!“ Und dann bedecke ich zuerst den Boden der Schale mit Reis, bevor ich das Handy vorsichtig drauflege. Ich habe ein Fünftel Packung Reis also muss ich sparsam und effektiv arbeiten. Langsam lege ich die Reiskörner um das Handy herum, und dann darauf. Mein Kumpel sagt „Bete für ihn“, weil es aussieht wie eine kleine Mini-Beerdigung. Wir stellen die Schale in eine Ecke, die etwas Sonnenlicht abbekommt, und verlassen die Wohnung. Ich nehme die Tüte mit den Täter-Lupinenkernen mit.

24 Stunden später hole ich das Telefon aus der Reisschale raus, aber es lädt immer noch nicht. Ich fahre zum Arbeitsplatz eines anderen Kumpels, der ein Magsafe hat, um es damit auszuprobieren. Es funktioniert, jetzt muss ich mir nur noch so eins besorgen.

Version 2

Mein Handy wurde nass und ließ sich nicht aufladen. Ich ließ es 24 Stunden lang im Reis liegen aber es hat nichts gebracht. Es geht jetzt nur noch mit Magsafe.

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Heute feiert meine Mutter Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mutter! 💜

Ignorieren, korrigieren, solidarisieren

Von Amber Alex

„Gender“ ist ein Reizwort, ein allgegenwärtiges obendrein. Ob „gendern“, „genderneutrale Toiletten“ oder „Gender-Beauftragte“: kein Tag vergeht, an dem mir dieser Anglizismus nicht ins Gesicht starrt.

Muss das?

Im Englischen bedeutet gender zunächst einmal „Geschlecht“, wird aber aktuell primär als Teil der sex–gender-Dichotomie verstanden: das angeblich „natürliche“, also „biologische Geschlecht“ gegen das „gefühlte“, also das „soziale Geschlecht“. Eine Erklärung darüber, warum diese Dichotomie Humbug ist, würde hier zu weit führen, findet sich aber problemlos im Netz. Sowohl von rechter als auch von linker Seite wird mit dem Wort um sich geworfen – und darin liegt das Problem.

Noch der wohlmeinendste Artikel über geschlechtsneutrale Sprache oder Toiletten kann nicht anders, als das G-Wort zu benutzen. Vermeintliche Allys sprechen auch im Deutschen von „Transgender-Personen“ oder philosophieren über „Gender“ und machen sich damit ein rechtes Narrativ zu eigen, mit all seinen Implikationen: Fremdwort, Modeerscheinung aus Amerika, gibt’s hier nicht, wollen wir hier nicht einführen – unecht. Undeutsch. Mit gutem Grund gibt es jedoch im Deutschen die englische Trennung zwischen „sex“ und „gender“ nicht. Das deutsche Äquivalent „biologisches/soziales Geschlecht“ ist in etwa so unhandlich, wie die Dichotomie verkürzt und obsolet ist; bis zu ihrer Schaffung durch neurechte Radikal„feministinnen“ vor wenigen Jahren waren Begriffe wie „sex-based“ auch im anglophonen Raum ungeläufig. Daher stellt sich die Frage: cui bono? Wem nützt das?

„Gender“ klingt fremdartig. Fragte man cis Personen auf der Straße, was ihr Gender sei, dann lautete die Antwort vermutlich: „Sowas hab ich nicht.“ Dschendah, das sind immer die anderen. Wollte man das Wort konsequent anwenden, müsste man das Geschlecht aller Menschen als „Gender“ beschreiben – realistisch kommt es aber nur zum Einsatz, wenn es um trans Personen geht.

Dafür gibt es auch einen Anglizismus: Othering. Andern. Menschen zu den Anderen machen. Entfremden. Exotisieren. Wir Geschlecht, die Gender. Sprachliche Trennung.

Die Lösung liegt nahe: weg mit dem „Gender“. Stattdessen sollten wir uns auf die Bedeutung des Wortes besinnen und von „Geschlecht“ schreiben. Die Sprache ist nicht „gegendert“, sie ist geschlechtsneutral. Die Toiletten sind genauso wenig „genderneutral“, sie sind nicht nach Geschlecht getrennt. Mein Frausein ist nicht mein „Gender“, das ist mein Geschlecht. Wir klären auch nicht über „Gender“ auf, sondern über Geschlecht, und das, was Rechten so ein Dorn im Auge ist, ist keine „Gender-Ideologie“, sondern der Kampf für Geschlechtergerechtigkeit.

Worte sind wichtig.

„Gender“ lässt sich leicht abtun und passt perfekt ins rechtsextreme Narrativ der neuen, von Fremden eingeschleppten Ideologie; durch seine von bösartig bis gedankenlos reichende Verwendung quer durch alle Medien ist der Begriff zum Synonym für die transgeschlechtliche Community geworden, die so sprachlich von den „normalen“ Menschen getrennt und in die Nähe von Modewörtern und Eliten-Heititei gerückt wird. Lasst uns deswegen im Deutschen „Gender“ genau so behandeln wie jede andere von Rechten aufgedrückte Fremdzuschreibung: ignorieren, korrigieren und dagegen solidarisieren.

August 2022

Amber Alex (sie/es) ist Musikerin aus Leidenschaft und Aktivistin aus Notwendigkeit. Es wünscht sich, in einer Welt zu leben, in der sie als behinderte trans Frau weniger Überlebenskampf muss und mehr Durchatmen kann. Ab und an hat es zwischen Nerdigkeit und Shitposting auch mal druckfähige Gedanken.

Das neue Album der Musikerin Gaye Su Akyol (Si apre in una nuova finestra): Anadolu Ejderi lohnt sich so sehr!

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Der offene Brief (Si apre in una nuova finestra) von dgti e.V. und Trans-Kinder-Netz e.V. an Marco Buschmann, Bundesminister der Justiz, nachdem er das gefährliche TERF-Märchen der durch trans Personen gefährdeten Frauenschutzräume in einem Zeit-Interview reproduzierte.

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