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Review: Weiße Flecken von Lene Albrecht

Language: German

“Auf dem prunkvollen, gotischen Stein, vermutlich aus Deutschland importiert, versicherte die Inschrift dass der Tote VON SEINER FAMILIE BEWEINT, OPFER SEINES WISSENSDURSTS UND ABENTEUERGEISTES wurde.” (Lene Albrecht, Weiße Flecken, S. 42-43)

Auf einmal ist es da, das Gefühl des Fremdseins.

Eine junge Frau reist mit einem Aufnahmegerät nach Togo, um dort den deutschen Kolonialismus zu erforschen und Interviews mit den Menschen zu führen. Doch ihre Rolle gerät ins Wanken, ihre eigene Familienbiografie wird bald schon der Fokus ihres eigenen Familieninteresses — sowohl die ihrer weißen Vorfahren als auch als auch die der eigenen Großmutter und Urgroßmutter, die in Deutschland Fremde war, und deren Vergangenheit bislang unergründet ist. Gleichsam Heimsuchende wie Heimgesuchte verliert sich die Protagonistin in den Archiven Togos, in den angelegten Denkmälern für die Deutschen, die allgegenwärtig sind und, von kollektiver Amnesie betroffen, doch keinen Gedanken an ihre Kolonialgeschichte in Togo, an das, was dort hinterlassen wurde und über Generationen weitergereicht wurde, verlieren.

Die Ausrichtung der Menschen hin zu einem uneingelösten Versprechen, dem kolonialen Patriarchalversprechen, dass sich so zu verhalten, wie es den Deutschen wohl gefallen mag, deren Sprache zu erlernen und kulturelle Praktiken teilweise zu erhalten, zu Verwalter*innen kolonialer Geister zu werden, wird ebenso beleuchtet wie die zwiespältige Rolle als weiße Person, als Geist, der dieses Haunting selbst vollzieht. Was bedeutet diese Rolle, und wie wird diese Rolle nochmals komplizierter, wenn die eigene Familienbiografie, die eigene Vergangenheit nicht eindeutig weiß ist?

Wer darf über welche Leben erzählen, wer das Archiv der Vergangenheit (und der Zukunft) tatsächlich verwalten?

Dieser zweite Roman von Lene Albrecht (für den ich, full disclosure, die Premiere moderieren durfte), stellt diese Fragen — Fragen, die alle Uneindeutigen dieser Welt beschäftigen, und tut dies auf kluge und sorgfältige Weise, und spannt riesige Bogen mit sprachlicher Finesse. Der Wechsel an Erzählperspektiven aus derselben Figurenperspektive ist dabei genauso gewieft wie die vielen intertextuellen Elemente.

Ein sehr empfehlenswertes Leseerlebnis für alle, die Widersprüchlichkeiten aushalten wollen — und vor allem für diejenigen, deren Blick auf den deutschen Kolonialismus bislang unscharf geblieben ist.

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