Verliebt.
Über ein ganz neues Gefühl von Verliebtsein und über die Rolle der Frauen in meinem Leben. Und: Ein Perspektivwechsel, der dringend nötig war.
Mit angewinkelten Beinen in der rückenunfreundlichsten Schieflage, in der ich wohl jemals freiwillig lag, ist das der gemütlichste Ort, den ich mir in diesem Moment nur vorstellen kann: die Ritterburg meines Neffen. Einen Tag zuvor klopfte mein Bruder noch fachmännisch die Decke nach der richtigen Stelle für die Halterung dieses Stoffzeltes ab und nun liege ich hier und stecke all mein jemals aufgeschnapptes Halbwissen über Feuerwehrautos in möglichst wahrheitsgetreue Erklärungen – wie viele „Warum“ eines Dreijährigen hintereinander kann man wohl wirklich sinnvoll beantworten? Auch wenn ich bereits nach dem dritten „Warum“ ins Straucheln gerate, möchte ich in diesem Augenblick nirgendwo anders sein. Ich liebe ihn dafür, dass er unbequeme Fragen stellt, solange bis er eine zufriedenstellende Antwort bekommen hat.
Zurück in meiner Berliner Plattenbauwohnung denke ich darüber nach, in welchem Alter wir diese wunderbare Eigenschaft eigentlich ablegen. Fragen stellen, uns über die Dinge wundern und nicht mit halbgaren Erklärungen abspeisen lassen. Eine Sache, die ich während meiner Ausbildung zur Journalistin wieder lernen durfte. Als Autorin ist es meine Aufgabe, mich zu wundern über die Welt und die Menschen, die darin leben und funktionieren. Was für ein Privileg! Dieser Tatsache wurde ich mir in den letzten Tagen wieder einmal bewusst. Ich kann es mir nicht nur leisten, über die Dinge nachzudenken, die um mich herum passieren (oder eben nicht) und darüber zu schreiben – es ist mein Job, das zu tun. Es gehört zu meiner Arbeit als Schriftstellerin, jetzt hier in einem Café in Berlin-Mitte zu sitzen und darüber nachzudenken, wie ich das Erlebte der letzten Wochen in Worte fassen möchte. Ja, das ist doch zum Verlieben, oder nicht? Für mich jedenfalls ist klar: So darf es bleiben, mein Leben. Es darf sich verändern, immer wieder und mich in Situationen manövrieren, die ich noch nie erlebt habe, damit ich darüber schreiben kann, wie es sich anfühlt, darin zu existieren. Das ist die eine Sache, das Schreiben, das einfach dazugehört und ehrlich gesagt immer irgendwie passiert, ohne dass ich groß darüber nachdenke.
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Ein ganz anderes Ding, für das ich immer noch wieder und wieder den Mut finden muss, ist es, dieses Geschriebene auch in die Welt hinauszutragen und nicht einfach in die Schublade zu legen. Mich als Autorin zu zeigen ist eine wundervolle Sache, die sich gleichzeitig großartig anfühlt und mir doch dann und wann noch Angst macht. Und das wird es wohl immer irgendwie. Aber darum geht es ja auch gar nicht, wie wir mittlerweile verstanden haben, nicht wahr? Diese Angst hat nach wie vor ihre Daseinsberechtigung und vermutlich ist sie auch einfach eine Art von gesundem Respekt. Ob diese Einschätzung der Wahrheit entspricht oder einfach nur das Ergebnis meines Schönredens ist, weiß ich selbst nicht so genau. Wichtig ist aber doch eigentlich auch viel mehr, wie wir damit umgehen. Ich führe viele Gespräche mit Freundinnen und Kolleginnen über das „sich zeigen“. An dieser Stelle habe ich nicht vergessen zu gendern, denn es sind tatsächlich ausschließlich Frauen, mit denen ich diese Konversationen führe. Dabei begegnet mir fast immer die Angst, nicht gut genug zu sein, in dem, was wir tun und davor, dass alle irgendwann merken, wie wenig Plan wir eigentlich von dem haben, was wir da tun. Irgendwann merken die alle, dass ich keine Ahnung habe! Wie gut ich diesen Satz kenne… Dennoch schaffe ich es bisher, die Zeit bis zu dieser Erkenntnis zu nutzen und als Autorin ganz gut durchzukommen. Vielleicht mache ich das doch nicht so schlecht?
Dieser Funke von Selbstsicherheit ist einerseits meiner eigenen inneren Arbeit geschuldet, doch gleichermaßen den Frauen, mit denen ich mich umgebe. Ich bin regelrecht verliebt in meine Frauen-Freundschaften, denn noch nie habe ich so viel bedingungslose Fürsorge, Unterstützung, Wohlwollen und Vertrauen erlebt, wie mit ihnen. Wer weiß, ob ich das Ganze hier überhaupt noch machen würde, wären da nicht die Freundinnen, die diesen Newsletter sofort abonnierten als ich davon erzählte und mir nach jedem neuen Beitrag ihr Feedback per WhatsApp schicken, kaum, dass ich ihn hier veröffentlicht habe. Wenn ich auf etwas stolz bin, dann darauf, so wunderbare Menschen in meinem Leben zu haben. Insgesamt genieße ich einen Support, wenn es um mein Schreiben geht, mit dem ich niemals gerechnet hätte, sagte mir doch mein Papa jüngst, dass er meine Beiträge hier gerne liest und das gut findet, was ich so mache. Dabei dachte ich immer, ich müsste eine „anständige“ Karriere hinlegen, um diese Form von Lob einzuheimsen. Meinen eigenen Träumen zu folgen, bringt mir nun doch mehr Respekt ein als das zu tun, was von einem erwartet wird. Träumt groß, ihr Lieben, traut euch!
Ich tue es, groß träumen und alles auf eine Karte setzen. Es sind noch gut zwei Monate, bis meine Festanstellung als Redakteurin endet und ich das Pflaster der kreativen Selbstständigkeit betrete. Ohne Teilzeitjob oder sonstigen „vernünftigen“ Broterwerb. Ich werde an dieser Stelle nicht lügen: Es macht mir eine Heidenangst! Denn dann kommt die Wahrheit ans Licht – bin ich wirklich eine Vollblut-Autorin? Eine ganze Künstlerin? Wir werden sehen. Neben einer gewissen Versagensangst (berechtigt, oder?) begleitet mich eine Vorfreude, die dafür sorgt, dass ich schon mitten in den Vorbereitungen für die Selbstständigkeit stecke und irgendwie weiter bin, als ich das für diesen Zeitpunkt geplant hatte. Eine herrliche Gleichzeitigkeit von „Es geht mir nicht schnell genug“ und „Irgendwie kommt das jetzt ein bisschen plötzlich“. Da kommen wieder die Frauen meines Lebens ins Spiel: Aus einer Mittagspause mit der Lieblingskollegin und mittlerweile sehr engen Freundin wird ein ausgefeiltes Workshop-Konzept, aus einer Instagram-Nachricht an eine Fotografin ein fix geplantes Shooting und die leise ausgesprochenen Ideen werden mit Zuspruch befeuert. Noch vor fünf Jahren war dieses Leben, das ich hier leben darf, ein Traum, der mir riesig vorkam und vielleicht irgendwann einmal in Teilen in Erfüllung gehen würde.
Immer wenn ich denke, ich bin nicht weit genug oder zu langsam oder schlichtweg nicht genug, halte ich mir diese Tatsache vor Augen. Und wage es, meinen Träumen beim Wachsen zuzusehen. Wie steht es um deine Träume?
Bis bald!
Alles Liebe
deine Sarah
