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Ozean im Kopf - Juni 2023

Juni hat angefangen mit nem Besuch in der Kunsthalle und einem Picknick bei Sonnenuntergang. Und was danach alles kam, weiß ich gar nicht mehr so genau. Da war ganz viel grau. Aber ich hab die Wolke versucht zu verdrängen. Einfach weiter machen. Wollte weinen wenn ich alleine bin und konnte nicht. Hab mit Comfort Movies auf dem Teppich bei meiner Schwester gepicknickt, wenn sie nicht da war. Hab über den Mai nachgedacht. Darüber, dass ich gar nicht aufhören konnte zu strahlen und mir jetzt das Lächeln wieder mal schwerfällt. 

Die Wochen waren ein Mitdriften und Durchhalten und Ablenken, um überhaupt durchhalten zu können. Hat sich innerlich angefühlt wie endlos langer Strandspaziergang. Deine Beine sind müde vom im Sand laufen. Du hasst Sand sowieso. Und auch wenn du das endlose Meeresrauschen im Hintergrund hörst, was dich langsam in den Wahnsinn treibt, läufst du einfach weiter. Trottest einfach stumpf weiter den Strand entlang. Hoffst, dass die Musik dich all das verdrängen lässt. Aber tief drinnen weißt du: Wenn das Meer sich so zurückzieht und absolute Ebbe herrscht, dann wird’s auch wieder kommen. Mit aller Macht hereinbrechen.
Und deshalb baust du Mauern auf. Bröckelnde Sandfassaden, um Angst und Verletzung nicht an dich ranzulassen. Du wirst zynisch und abweisend und hasst es, dich so zu sehen. Willst aber noch weniger, dass andere dich verletzlich sehen. Hauptsache keiner bekommt mit, wenn die Wellen wieder kommen. 

Und dann liegst du an nem Montagmorgen nach 5 Stunden Schlaf wach, weil die Vögel frustrierend laut und die Luft eklig warm ist. Und zwei Stunden später stehst du auf und merkst, wie das Meer in dir rumort. Und die Wellen schwappen über, laufen über deine Wangen und du fragst dich, warum sie ausgerechnet an nem Montagmorgen kommen. Die Macht der tosenden Wellen in dir muss irgendwo hin. Du könntest gerade Wände durchboxen, aber stattdessen setzt du dich ins Auto, die Musik auf deinen Ohren laut und du schaffst es irgendwie vor der Arbeit deine Tränen abzuwischen. Und hoffst den ganzen Tag, dass niemand was merkt oder sagt. Und willst eigentlich, dass du deine Schutzmauern fallen lassen kannst. Du hast sie schon immer hochgezogen, sobald du merktest, dass das Meer sich zurückzog. Du weißt, mit welcher Macht die Wellen wieder kommen können. Und wie viel Schaden sie anrichten, wenn du sie rauslässt. Deshalb Schutzmauern hoch und weitermachen. Hauptsache keiner merkts. Und diesen Sturm hast du auch mal wieder überlebt. Nicht ahnend, dass das nur erste Vorboten waren. Nach der Arbeit wieder ablenken und am nächsten Tag genauso. Alle Aufgaben dauern länger, weil die Konzentration geteilt ist. Und am Mittwoch ist in dir drinnen Nebel. Einfach alles grau. Und trotzdem raffst du dich noch irgendwie auf und gehst mit deiner Mum und Schwester raus. Was gut tut. 

Und dann kommt Freitag. Klausur Nummer eins. Die Klausur-Deadline-Lern-Anxiety hat diesmal nicht reingekickt. Und da in deinem Gehirn grad eher so graue Suppe herrscht, fällt das Konzentrieren schwer. Der Pegelstand steigt weiter und du versuchst verzweifelt, die Wellen am Überschwappen zu hindern. Also lässt du ein paar Tränen raus. Drei Minuten lang, bevor‘s noch vier Stunden mit Unterricht weitergeht. Und zuhause fällst du einfach nur noch ins Bett. 

Aus irgendeinem Grund klart es am Wochenende auf. Du erwischst dich das erste Mal wieder dabei, dass dein Gesicht ganz unverhofft ein Lächeln formt. Du denkst, das Meer hat sich beruhigt. Dass es wieder heller wird. Das Schlimmste ist bestimmt vorbei. Und dabei ahnst du nicht, dass das nur Vorboten waren. Immerhin nutzt du das bisschen Klarheit im Hirn, um früher als sonst zu lernen. Und wirst paar Tage später dankbar dafür sein. 

Selbst der Montagmorgen bringt die grauen Wolken noch nicht wieder mit sich. Doch im Laufe des Tages zieht es wieder zu. Und du gehst spazieren im Wind und hoffst, dass die Wolken wieder verfliegen. Aber das tun sie nicht. Irgendwie schleppst du dich am Dienstag zur Arbeit. Und versuchst verzweifelt, dir den erneut aufziehenden Sturm nicht anmerken zu lassen. 

Und eigentlich musst du arbeiten, aber deine Sicht verschwimmt. Und eigentlich musst du Lernen, aber der Sturm zieht auf. Dein Gehirn am Kämpfen. Also lässt du die Tränen mit dem Himmel raus und versuchst den Sturm wegzunappen. Und dann wagst du dich an Schreibtisch, um zu lernen.

Und auf einmal platzt es in dir über dich herein. Die Wellen wirbeln dich umher und du versuchst irgendwie Luft zu bekommen, den Kopf über Wasser zu halten. Und versuchst alles, was du je gelernt hast für solche Situationen, aber nichts hilft grad. Also lässt du dich umher wirbeln. Lässt die Wellen raus. Und du spürst den körperlichen Kampf. Deine Muskeln verkrampft und zitternd. Deine Lungen ringen nach Luft. Jedes Luftholen wird zur Schnappatmung. Während die Wellen deine Wangen runterlaufen. Und du kannst nichts machen außer fühlen. 

Und das fühlt sich so verdammt beschissen an. Und das tut so paradox gut.
Weil es echt ist. 

Irgendwann flacht der Sturm ab. Der Pegelstand immer noch zu hoch, als dass die Tränen versiegen. 

Am nächsten Tag schleppst du dich zur Schule und das Einzige, was nach außen hin noch von den Wellen zeugt, sind geschwollene Augen. Sie brennen noch immer von salzigen Gewässern. Der Pegelstand hat sich noch nicht ganz gelegt. Deine Beine immer noch zittrig und wackelig, schleppst du dich in dritten Stock, um zwei Klausuren zu schreiben. Und du fühlst dich fehl am Platz. Wie in ner anderen Welt.  Und so versuchst du durch den Alltag zu treiben und erkennst dich selbst nicht wieder, sobald du das Haus verlässt. Mauer hoch und weitermachen. Einfach immer weiter machen. Und dabei willst du einfach grad mal nichts schaffen müssen. Mal für ne Weile nicht funktionieren müssen. Versuchst dir was Gutes zu tun. Aber du kommst nicht zur Ruhe. 

Am nächsten Tag schleppst du dich zur Arbeit. Besuch in ner fremden Firma mit fremden Menschen. Wenn hier irgendjemand auch nur ahnen würde, wie viele „Kleinigkeiten“ dich die Nacht wachgehalten haben. Kleinigkeiten, die für andere Selbstverständlichkeiten sind und bei dir nichts außer Panik triggern. Aber du schaffst es irgendwie zu funktionieren. Eine Fassade deiner selbst. 

Und statt froh zu sein, dass du nach Hause kannst, wirst du aufm Heimweg unverhofft konfrontiert. Unverständnis. Und du weißt grad nicht: Lässt du deine Mauern fallen oder startest du den Gegenangriff, aber dann ist die Situation auch schon vorbei. Und kaum bist du zuhause fließen Tränen wieder. Und der Sturm hat neue Gründe aufgesammelt, die in dir nun umher wirbeln. 

Du hattest in letzter Zeit vergessen, wie viel ein Mensch doch weinen kann. Und erinnerst dich zurück, als das vor vier Jahren noch dein Alltag war. Und du quälst dich trotz Angstgedanken in die Schule, weil noch ne Klausur zu schreiben ist. Und du wärst nicht mal überrascht, wenn du heute nicht mehr nach Hause kämst. Weil dein Gehirn die ganze Nacht 100 Gründe durchgespielt hat. Und umso absurder wirkt es, als du nach der Schule nach dem Nap wieder in deinem Bett aufwachst. 

Und die ganze Woche hat der Wind dir eingeredet, dass du nicht darüber reden kannst. Ein „du hast es grad nicht leicht, aber mir geht es viel schlechter“ aus vergangener Zeit hüllt dich seitdem in Schweigen. Und du willst wirklich keine Last mehr sein. Dachtest diese Stürme lägen hinter dir. Du kannst doch nicht schon wieder schreiben. Was, wenn es der anderen grad noch schlechter geht? Und du willst eigentlich dagegen ankämpfen. Einfach mal in der Story schreiben, dass es grad echt mies dunkel in dir ist. Aber alle Storys, die du grad schreibst, löscht du wieder, bevor jemand sie sehen kann. Du willst nicht, dass sich jemand Sorgen macht oder dich anspricht. Oder sonst was von dir denkt. Und du willst erstmal den Schritt gehen und dich einer Person anvertrauen, der du vertraust. Aber das ist so verdammt schwer. Und verzweifelt vorsichtig wagst du es trotzdem, während die Gedanken in dir lauter werden. Und du bist selbst fast erschrocken, wie schnell sie wieder so arg dunkel geworden sind. Es ist nicht so, dass du sie noch nicht kennst. Nur waren sie lange nicht mehr zu Besuch. Und es gesellen sich noch mehr dazu, als du deine Schutzmauer mal kurz an anscheinend falscher Stelle runterlässt. Und Gedankenstrudel sich noch schneller abwärts drehen und du verzweifelst versuchst, nicht auf dein Kopf einzuschlagen, damit die Gedanken endlich Ruhe geben. Und das mag absurd klingen, wenn man es nicht von sich selbst kennt. 

Und mitten in alle dem fragst du dich beim Besuch im Labor, auf der Arbeit, in der Schule, in der Bahn, wem es wohl grad noch so geht. Wessen Augen von Salzwasserwellen gezeichnet sind. Wer im Stillen mit den Wellen ums Überleben kämpft. 

Und am Donnerstagabend endet eine 9-minütige Sprachnachricht dann unverhofft mit den Worten „Du bist mir wichtig und mir liegt echt viel an dir.“ Und ein „ich bet für dich“ – was früher so vertraut war und auf einmal seltsam fremd ist. Aber guttut. Und die Tränen fließen wieder. But this time in a good way. Da ist wer, der mich sieht, dem ich nicht egal bin. Und am Freitag nach der Schule, als du dich erschöpfst in dein Zimmer schleppst, stehen da auf einmal frische Blumen mit den Worten „ich bin immer für dich da und ich bin so, so froh, dass es dich gibt.“ 

Und du denkst, dass wir Menschen manchmal gar nicht ahnen, welche kleinen Gesten oder leisen Worte anderen ein Rettungsanker im Sturm sind. Und du weißt zwar nicht, wies weiter geht. Deine Suchanfragen häufen sich auf der Suche nach Hilfe (Si apre in una nuova finestra). Und du fühlst dich wie nach 100 Boxkämpfen und 20 Marathonläufen. Ausgelaugt, Matsch, erschöpft und leer. Und da stehen Blumen neben deinem Bett. Und die erinnern dich, dass es okay ist, grad einfach nur zu überleben. Die Plastikbälle fallen zu lassen und sich auf die Glasbälle zu fokussieren. Ich werde nicht zur Arbeit gehen, wenn ich nicht einen Tag hatte, an dem ich es geschafft hab, drei Mahlzeiten zu essen und genug zu trinken. Das hab ich mir vor einem Jahr gesagt. Alltäglichkeiten, die in grauen Zeiten zu viel Energie verlangen, die ich nicht hab. Und dann wird die Energie noch weniger. 

Ich darf Pause machen. Darf mir Zeit nehmen, mich zurück ans Land zu kämpfen. Und das ist okay, wenn ich dann nicht gleich aufspringen und weiterlaufen kann. Ich darf auch einfach mal kurz liegen bleiben. Weils so halt auch einfach nicht weitergehen kann.
Und ich weiß gleichzeitig nicht, wie sonst. Und ich hab Angst vor den nächsten Monaten. Hab Angst, dass die grauen Wolken da sein werden, wenn ich abliefern muss. Und dass ich  es dann einfach nicht kann. Und ich weiß, ich sollte nicht im Übermorgen versinken. Weiß einfach grad nicht, wie es weiter geht. Und proklamiere gequält: Schritt für Schritt und Tag für Tag und hoffe, wie schon seit Jahren, dass Sein irgendwann vielleicht einfach mal reicht, weil's manchmal mühsam ist, Mensch zu sein. (Si apre in una nuova finestra)

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