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Selbstbewusst genug für Witz

Morton Gould: 4. Sinfonie (“West Point”) für Wind Band (1952)

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Gold glänzende Tuba, beleuchtete Notenpulte, im Hintergrund Musizierende

Tuba (Foto: B Mat an gelo (Si apre in una nuova finestra) auf Unsplash (Si apre in una nuova finestra))

Auf Schleichwegen marschiert es sich schlecht. Trotzdem geht es heute mal kurz um Marschmusik, denn von Mozart und Haydn über Wagner und Verdi bis Mahler und Ives – Märsche sind fester Bestandteil der Kunstmusik, wenn auch aus sehr unterschiedlicher Motivation.

Johann Strauss (Vater) schrieb zu unzähligen Anlässen Märsche, zum Beispiel den Radetzkymarsch (1848) zu Ehren des verehrten österreichischen Heerführers. Noch heute wird diese Musik regelmäßig beim festlichen Wiener Neujahrskonzert gespielt, und das Publikum, das über die Jahrzehnte begeistert mitklatscht, verursacht wohl nicht nur bei mir ein Mischgefühl aus Scham und Angst, wie es nur die österreichische Oberschicht kann:

https://www.youtube.com/watch?v=ewgUHC2cOdU (Si apre in una nuova finestra)

Musik wie diese wird der junge Gustav Mahler gehört haben in der böhmisch-mährischen Provinz, wo er aufwuchs. Doch seine Idee vom Marsch kennt keinen Nationalismus mehr. Mahler hat den Marsch psychologisiert und ins Groteske verzerrt. In seiner 5. Sinfonie (1901-1902) wird seine Kindheitserinnerung an vorbeimarschierende Soldaten zum Trauermarsch. Beginnend mit einer Trompetenfanfare wie man sie aus der Militärmusik kennt, führt sein Marsch geradewegs in den Untergang. Mahlers Märsche “gleichen Herzattacken”, sagt der Dirigent, Komponist und legendäre Musikvermittler Leonard Bernstein. Überzeugt euch selbst:

https://youtu.be/fEGNNuEM3Fc?t=33 (Si apre in una nuova finestra)

Strauss und Mahler kennen vielleicht einige von euch. Die Musik, die ich euch im heutigen Newsletter aber eigentlich vorstellen will, kennt ihr vermutlich nicht. Es ist auch nicht direkt ein Marsch, sondern eher eine Marschtextur, eine Musik, die Märsche zitiert, verfremdet, veralbert.

Der Amerikaner Morton Gould schrieb sie 1952 zum 150. Jubiläum der Militärakademie West Point: eine Sinfonie für Wind Band. Das ist eine in Deutschland nicht so gängige Besetzung:ein symphonisches Blasorchester wie es in Nordamerika verbreitet ist. Es ist ein Orchester, aber es fehlen die Streicher. Keine Geigen, keine Celli, keine Bratschen, kein Kontrabass, dafür viel Blech und Schlagwerk. Die Wind Band ist größer als eine Blaskapelle und sie marschiert nicht. Seit den 1950ern hat sie auch eigens für sie komponierte Musik. Zur Literatur für diese Besetzung hat Morton Gould einen originellen Beitrag geleistet.

Der erste Satz von Goulds zweisätzigem Werk (“Epitaphs”, Grabinschriften) betrauert noch die Toten. Der zweite (“Marches”, Märsche) strotzt dann aber vor verspieltem Witz. Ich weiß es nicht, aber ich bilde mir ein, das Selbstbewusstsein, die Nazis (vorerst) plattgemacht zu haben, in der Entscheidung erkennen zu können, eine militärisches Festivität mit gewitzter und nun gar nicht so staatstragender Musik – eines jüdischen Komponisten – zu begehen.

Hört euch den zweiten und letzten Satz von Morton Goulds 4. Sinfonie für Wind Band an, hier gespielt vom studentischen Wind Ensemble (noch ein Begriff für das sinfonische Blasorchester) der University of Texas:

https://youtu.be/pvnsmuk16ZA?t=740 (Si apre in una nuova finestra)

(Was der einsame Kontrabassist in dieser Wind Band verloren hat, ist mir ehrlicherweise nicht ganz klar.)

Hier findet ihr das Stück im Streaming (Si apre in una nuova finestra). Die Aufnahme ist alt, aber legendär. Das Eastman Wind Ensemble aus Rochester, New York zeigt, was die Wind Band kann.

Schöne Grüße aus Berlin
Gabriel

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Argomento Moderne

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