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Harmonien für Jahrhunderte

Joseph von Eybler: La Follia di Spagna mit allen Instrumenten (ca. 1802)

In den Schleichwegen zur Klassik stelle ich regelmäßig nicht so bekannte Musikstücke vor, die ich hörenswert finde – mal sind sie einfach schön, mal schwierig, aber immer sind sie interessant. Da selbst Klassik-Spezis diese Stücke oft nicht kennen, herrscht Waffengleichheit. Hier ist alles für alle neu! Recherche und Schreiben kosten Zeit, also freue ich mich über deine freiwillige Unterstützung auf Steady (Si apre in una nuova finestra).

Es gibt eine Harmoniefolge, die so einprägsam ist, dass sie sich über die Jahrhunderte gehalten hat. Sie besteht aus acht Akkorden in moll. Über 150 Komponisten haben Stücke auf ihrer Basis komponiert, inklusive Beethoven. Angeblich geht die Hälfte der schwedischen Volkslieder auf sie zurück. Und dann basiert noch das Einmarschlied Henry Maskes darauf, das 1992 entstandene Stück “Conquest of Paradise” von Vangelis.

Diese unwiderstehliche Harmoniefolge heißt Follia und geht auf einen portugiesischen Tanz aus dem 16. Jahrhundert zurück. Wörtlich ist sie eine “Tollheit” oder “lärmende Lustbarkeit”. Was ihr über die Jahrhunderte widerfahren ist, zeigt sich gut in dem Stück des Mozart-Zeitgenossen Joseph von Eybler, das ich euch heute vorstellen will. Seine Follia-Version stammt vermutlich aus dem Jahr 1802.

Dafür griff er auf die Arbeit eines italienischen Barockkomponisten zurück, die hundert Jahre zuvor entstanden war: Arcangelo Corellis neunsätzige Violinsonate Op. 5, No. 12. Auf die Follia-Harmoniefolge legte Corelli ein eingängiges Thema. Der Kammermusikführer schreibt (Si apre in una nuova finestra): “In mehreren Spannungskurven wird das schlichte, schöne Thema rhythmisch und melodisch jeweils bis zu einem virtuosen Höhepunkt gesteigert, um sich dann wieder in einem besinnlichen Einschub zu beruhigen.“

Nun wären wir nicht auf den Schleichwegen zur Klassik, wenn wir uns mit dem verhältnismäßig bekannten Corelli begnügten. Wir steigen noch eine Etage tiefer in den Follia-Kaninchenbau. Rund hundert Jahre nach der Veröffentlichung von Corellis Violinsonate machte sich also der Österreicher Joseph von Eybler an die Arbeit, die von Corelli erdachten Rhythmen und Melodien auf großes Orchester zu übertragen: Es entstand die “Follia di Spagna mit allen Instrumenten”.

Hört sie euch an, in all ihrem Glanz, in allen Klangfarben des großen, klassischen Orchesters. Und achtet mal darauf, wie unterschiedlich die Variationen klingen, denen doch immer die gleiche musikalische Idee zugrunde liegt.

(Und falls ihr mir nicht glaubt: Hier ist  “Conquest of Paradise” von Vangelis (Si apre in una nuova finestra). Vergleicht ruhig mal.) 

https://www.youtube.com/watch?v=pO-mNDQ1Li4 (Si apre in una nuova finestra)

Hier gibt es das Stück im Streaming (Si apre in una nuova finestra).

Schöne Grüße aus Berlin
Gabriel

P.S.: Mein neues Buch ist da! Es hat nichts mit Musik zu tun, sondern stellt nicht ganz ernst gemeinte Fragen wie “Warum heißt es schlecht geschlafen und nicht Penne all’arrabbiata”. Dazu gibt es charmante Illustrationen von Christoph Rauscher. Gustav Seibt schrieb in der Süddeutschen Zeitung, das Buch sei ein “großer Spaß”. (Es ist ein schönes Weihnachtsgeschenk und direkt beim Verlag (Si apre in una nuova finestra), im Buchhandel und bei Amazon (Si apre in una nuova finestra) erhältlich.)

Argomento Klassik

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