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Meine Seele blüht

In jedem Newsletter reagiert Mara Klein bildlich auf das Geschriebene. Ihr Assistent: Dall-E.

Vor einem knappen Jahr saß ich zum ersten Mal auf der Straße, protestierte. Jedes Mal, wenn ich jetzt an der Stelle zufällig vorbeikomme, muss ich daran denken. Der winterkalte Asphalt und das Auto, das mich fast überfuhr. Der Passant, der uns heißen Kaffee brachte. Die Polizei.

Es geht mir mit vielen Berliner Kreuzungen mittlerweile so, die Geographie der Stadt hat sich für mich geändert, seit ich bei der Letzten Generation bin, genau wie meine seelische Landschaft.

Als Reporter habe ich vor allem alleine gearbeitet, im besten Fall mal mit jemandem unterwegs, der die Fotos machte. Ich ging raus, schrieb über Probleme, in der Hoffnung, dass sich jemand anderes darum kümmern würde. Ich fühlte mich oft hilflos, hatte Angst vor allem angesichts der Klimakrise.

Dann kam die erste Straßenblockade und dieses Gefühl von Festigkeit: Ich bin jetzt hier, ich mache nicht mehr mit, ich stelle mich gegen diesen ganzen Wahnsinn.

Dann war da dieser Protestmarsch. Nicht der erste, aber einer der größten. Hunderte von uns, in den Händen Briefe für Olaf Scholz. Die Polizei wollte uns abhalten, bis zum Kanzleramt zu kommen. Irgendwann waren wir schon in Sichtweite, als die Polizei wieder versuchte eine Kette vor uns zu formen, ein Beamter brüllte: „Wenn sie jetzt weitergehen, bekommen sie alle eine Anzeige!“ und wie sich alle in unserer Gruppe einmal kurz gegenseitig anschauten, nickten und durch die lose Polizeikette strömten, wir die Briefe ablieferten – hunderte davon.

Manche Dinge muss man selbst erleben, um sie so richtig zu verinnerlichen, und diese Lektion war: Regeln und Gesetze werden von Menschen gemacht, und sie können von Menschen geändert werden.

Dann die Menschen, die vielen, vielen anderen bei der Letzten Generation, die ich kennengelernt habe, die sich Tag für Tag den Arsch aufreißen. Einige sind Freund:innen geworden, anderen bin ich tief, tief dankbar, viele bewundere ich – meine seelische Landschaft blüht an vielen Tagen.

Das heißt nicht, dass ich die Stürme nicht spüre.

Nachdem ich den April über fast täglich auf der Straße war, war ich noch Wochen danach verändert. Verschlossen, verhärtet von den vielen Beschimpfungen, der Gewalt durch Autofahrer und Polizist:innen.

Dann der Druck, die Belastung, weil es viel zu tun gibt, immer noch mehr zu tun gibt, so vieles so sinnvoll ist, ich die anderen nicht hängen lassen will, wenn auch sie schon am Limit sind. Aber letztlich dann gerät man an eine Grenze, und wenn man dann neun, zehn, elf Stunden schläft und morgens trotzdem noch zerschlagen aufwacht, weiß man, dass es zu viel war.

Und jetzt kommt noch das Finanzielle dazu. Ich habe nicht mitgezählt, wie viele Proteste ich gemacht habe, wie viele Anzeigen ich kassiert habe, aber derzeit bekomme ich fast wöchentlich Post von der Polizei, vom LKA, dem Amtsgericht. Und während es zwar auch immer öfters Richter gibt, die die Notwendigkeit unseres Protests erkennen und uns freisprechen, gibt es viele, die absichtlich härter strafen. Eine von uns wurde gerade für drei Blockaden zu acht Monaten Haft verurteilt.

Gleichzeitig springen meine Auftraggeber ab. Seit zwei Jahren verdiene ich mein Geld auch damit, bei Veranstaltungen übers Klima zu sprechen – bei Parteien, in Unternehmen, vor Schulklassen. Seit dem Sommer schon werden die Aufträge weniger, und kürzlich wurden die letzten beiden auch noch gekündigt –einer mit explizitem Verweis auf mein Engagement. Zum ersten Mal, seit ich parallel zur Uni angefangen habe zu arbeiten, habe ich kein regelmäßiges Einkommen mehr.

Meine Erfahrung ist, dass das schon wieder kommt: Immer wenn ich das getan habe, woran ich geglaubt habe, kam das Geld dann auch irgendwie – das Prinzip Hoffnung.

In der Zwischenzeit würde es mich beruhigen, wenn ich meine Miete sicher wüsste. Monatlich zahle ich warm mit Internet und allem Drum und Dran 610 Euro.

Eine Reihe von Menschen unterstützen mich schon monatlich über Paypal, andere fragen manchmal, auf welchem Wege es am besten ginge – auch ein Grund, warum ich noch mal den Newsletter-Anbieter gewechselt habe: der neue kommt aus Deutschland, Abwicklung und Datenschutz sind sehr schick.

Was ist noch neu? Ich habe einen Roman veröffentlicht, über die Klimakrise, Protest und darüber, dass alles noch gut ausgehen kann, wenn wir weitermachen – gemeinsam. Ich habe noch einen Stapel zuhause und freue mich, einige signierte Exemplare als Dankeschön zu verschicken.

Du hast vielleicht Lust mich zu unterstützen?

Dann hier entlang:

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