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Mickey 17 (Bong Joon-Ho)

Im neuesten Werk von Parasite-Regisseur Bong Joon-Ho begeben wir uns erneut in die Zukunft – wie zuletzt in Snowpiercer. Wir schreiben das Jahr 2054. Der technische Fortschritt hat alle natürlichen Grenzen überwunden, sodass nur noch gesetzliche Restriktionen verbleiben. Um diesen Fesseln zu entkommen, plant der gescheiterte Politiker Kenneth Marshall (Mark Ruffalo) die Kolonisierung des Weltraums, wo ihn die irdischen Regeln nicht länger aufhalten können.

Basierend auf Edward Ashtons Roman Mickey7 dreht sich die Handlung um Mickey Barnes (Robert Pattinson), der keinen anderen Ausweg sieht, als sich für das sogenannte Expendables-Programm zu melden. Mit seiner Unterschrift verpflichtet er sich nicht nur zur Arbeit, sondern auch zum regelmäßigen Sterben. Nach jedem Ableben erschafft ein Menschen-Drucker eine perfekte Kopie von ihm. Über viereinhalb Jahre hinweg wird Mickey auf dem Raumschiff unzählige Male geopfert – wie ein Crash-Test-Dummy, der stets für den Fortschritt herhalten muss.

Der Trailer ließ eine klamaukige Version von Moon (Duncan Jones) erwarten, doch der Film nimmt letztlich ganz andere Pfade. Besonders im letzten Drittel erinnert Mickey 17 stärker an Arrival (Denis Villeneuve) und Starship Troopers (Paul Verhoeven), denn der Fokus verlagert sich von der Identitäts- und Klon-Thematik hin zur Kolonialisierungsproblematik des fremden Planeten Niflheim.

Menschliche Verfügungsmasse

Bong Joon-Hos letzte Filme widmeten sich konsequent der Klassenfrage im Kapitalismus – und auch Mickey 17 macht hier keine Ausnahme. Seit jeher steht das Kapital vor der Herausforderung, die natürlichen Grenzen der menschlichen Ausbeutung zu überwinden. Fragen nach Erholungszeiten, Reproduktion und anderen „Störfaktoren“ für Unternehmen bleiben ungelöst. Unternehmer wie Elon Musk oder Jeff Bezos – und jüngst auch Allianz-Chef Oliver Bäte – fordern immer häufiger den Abbau von Arbeitnehmerrechten zugunsten der Unternehmenswertschöpfung. Schon während der Industrialisierung versuchte man, die Regenerationszeit der Arbeiter mit Drogen, Portwein und Kaffee zu minimieren, bis dieser Ausbeutung schließlich soziale und ethische Grenzen gesetzt wurden.

In Mickey 17 liegt die Lösung für dieses „Problem“ im technologischen Fortschritt. Durch das Klonprogramm werden Fragen des Mitarbeiterschutzes und nachhaltigen Arbeitsumgangs hinfällig. Lediglich rechtliche und ethische Überlegungen könnten den totalen Zugriff des Kapitals auf den Arbeiter noch verhindern. Um auch diesen Hürden zu entgehen, sucht Kenneth Marshall im Weltraum sein Heil. Dank des Menschen-Druckers kann Mickey alles zugemutet werden: tödliche Strahlung, riskante Erkundungen unwirtlicher Planeten und die Rolle als Versuchskaninchen für experimentelle Impfstoffe. Alles natürlich im Namen der Wissenschaft. Der Untertitel des ersten Alien (Ridley Scott) “Im Weltraum hört dich niemand schreien” bekommt hier eine arbeitsrechtliche Komponente. Während in Scotts Klassiker aus den späten 70ern die Crew dazu verdammt war, ihre Arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, wird in Mickey 17 einfach direkt der wilde Westen ausgerufen.

Dennoch bleibt der Film in seiner Kapitalismuskritik widersprüchlich. Mickey muss zu Beginn einen Arbeitsvertrag unterschreiben, was suggeriert, dass auch für Expendables gewisse Regeln gelten. Doch wenn im All tatsächlich Recht und Ordnung keine Rolle mehr spielen, warum wird dann überhaupt ein Freiwilliger benötigt? Warum wird Mickeys Kalorienration genau bemessen, obwohl er einfach neu ausgedruckt werden könnte? Und wieso existiert das Multiples-Problem noch, wenn doch keine juristische Instanz mehr über Klone entscheiden kann?

Selbstverschuldete Unmündigkeit

Die Debatte über zumutbare Arbeit und „Totalverweigerer“ ist derzeit hochaktuell. Die Agenda 2010 war ein historischer Kahlschlag des deutschen Sozialsystems zugunsten der Wirtschaft. Der Niedriglohnsektor ermöglichte enorme Exportgewinne, doch für Hartz-IV-Empfänger bedeutete das, praktisch jeden angebotenen Job annehmen zu müssen. Auch mit dem Bürgergeld gibt es kaum Verbesserungen – ein Pendelweg von bis zu drei Stunden wurde 2023 als zumutbar erklärt.

Was hat das jetzt mit Mickey 17 zu tun? Mickey unterschreibt freiwillig den Vertrag für das Expendables-Programm. Freiwillig ist hier selbstverständlich ein dehnbarer Begriff, sieht Mickey doch keinen anderen Ausweg, als der Erde zu entfliehen. Die Schulden bei Unterweltboss Darius Blank (Ian Hanmore) und die strikten Auswahlkriterien für die Weltraummission zwingen Mickey praktisch dazu. Dennoch stellt der Film klar, dass Mickeys Misere zu einem gewissen Grad selbstverschuldet ist: Seine Schulden sind das Resultat schlechter finanzieller Entscheidungen, und die Rekrutiererin warnt ihn mehrfach vor den Konsequenzen seines Vertrags. Doch Mickey hört nicht zu – zu betört ist er vom Duft ihrer Haare. Wir haben also weder eine bewusste Entscheidung zum eigenen Unheil aufgrund von externen, unverschuldeten Zwängen, noch eine gezielte Ausnutzung der geistigen Unzulänglichkeit durch die Machtinhaber. Dadurch fällt es schwer, echte Solidarität mit ihm zu empfinden.

Zeitenwende

Im letzten Drittel vollzieht der Film einen thematischen Wandel. Statt Kapitalismus- und Identitätsfragen steht plötzlich eine Art Neo-Kolonialismus im Zentrum. Im Stile von Starship Troopers will die Menschheit, unter der Führung Kenneth Marshalls einen Planeten besiedeln, auf dem die offensichtlich friedlichen Creeper wohnen. Wo Verhoevens Satire-Klassiker bis heute noch oft missverstanden wird, macht Mickey 17 seine Position so deutlich, dass es selbst der namensgebende Protagonist verstanden hätte, auch wenn seine Sitznachbarin noch so ein betörendes Shampoo benutzt hätte.

Mit den Creepern kann man sich praktischerweise verständigen, sie retten Mickey das Leben und eigentlich sind sie doch ganz süß. Und vor allem, wie sich ganz am Ende noch herausstellen soll, sind sie völlig harmlos. Marshall, als Führer der Menschheit, tritt als eiskalter Kolonialist auf und seine Frau ist an den Creepern nur interessiert, weil man aus ihnen eine köstliche Suppe zubereiten kann. Der Film lässt also keinen Zweifel daran, dass die Marshalls im Unrecht sind.

In der finalen Schlacht, sehen wir Mickey 17 und Mickey 18, wie sie sich dem Kolonialismus entgegenstellen. Das sanfte Gemüt 17s hilft, das gestohlene Baby zurückzubringen und mit den fremden Lebewesen den Dialog aufzubauen. 18 hingegen wurde bisher als 17s pöbelnder Rivale dargestellt. Jetzt, wo das Schicksal der Aliens auf dem Spiel steht, also das Schicksal der Rechtschaffenen, kämpft 18 gegen Marshall und opfert sich schließlich. Am Ende wird Nasha (Naomie Ackie) einstimmig zur neuen Anführerin gewählt, um ein friedliches Zusammenleben mit den Creepern zu ermöglichen.

Wie müssen wir das verstehen? Seit drei Jahren tobt der Krieg in der Ukraine, seit über einem Jahr eskaliert der Konflikt im Nahen Osten. Deutschland hat ein 500-Milliardenbudget für die Bundeswehr beschlossen, und die Wiedereinführung der Wehrpflicht scheint nur noch eine Frage der Zeit. Pazifistische Stimmen werden zunehmend marginalisiert. Mickey 17 stellt den Pazifisten dar, der auf Diplomatie setzt – doch erst der kämpferische Mickey 18 kann den Tyrannen besiegen. Ähnlich, wenn auch ironisch, hat es Team America: World Police (Trey Parker) auch schon dargestellt: “Sometimes you need the Dicks to fuck the Assholes to protect the Pussies”.

Die Moral dahinter ist eindeutig: Um mit Putin fertig zu werden, müssen wir nur den Kreml wegbomben und schon gibt es wieder Weltfrieden. Dass sich dafür ein paar Soldaten opfern müssen, ist verschmerzbar, die machen das bestimmt gerne. Die Analogie geht hier nicht ganz auf, kommt der Widerstand doch von innen. Schließlich sind die Mickeys ja ebenso Menschen. Jedoch können wir das Szenario auch etwas umdeuten. Autokratische Führer, wie Trump, Putin oder Netanyahu, die territoriale Grenzen willkürlich verschieben wollen, müssen durch internen Widerstand zu Fall gebracht werden. Auch hier sind zivile Opfer selbstverständlich. In das Machtvakuum kann dann die Demokratie Einzug halten.

Eine gefährliche Simplifizierung. Selbst wenn ein Putsch Putin aus dem Weg räumen sollte, ist klar, dass lediglich ein anderer Autokrat seinen Platz einnehmen wird. In Mickey 17 wird das zuerst angedeutet, wenn Mickey zufällig beobachtet, wie aus dem Menschen-Drucker einfach ein neuer Marshall ausgedruckt wird. Doch der Film erteilt diesen Bedenken direkt eine Absage, indem er auflöst, dass das nur ein Alptraum war, der echte Menschen-Drucker wird ein paar Sekunden später dann auch in die Luft gesprengt.

Zu guter Letzt, offenbaren die Creeper am Ende, dass ihr alles-vernichtender Angriff lediglich ein Bluff gewesen sei. Aus ethno-pluralistischer Sicht haben wir es also tatsächlich mit einer überlegenen Rasse (Menschheit) und einer minderwertigen Rasse (Aliens) zu tun.

Fazit

Die Hoffnungen auf ein weiteres Meisterwerk von Bong Joon-Ho waren groß – doch Mickey 17 enttäuscht auf ganzer Linie. Der Film schwankt ideologisch zwischen Halbgar und Gefährlich, viele interessante Themen werden nur angerissen. Die zentrale Frage des Klonens – was es mit einem Menschen macht, sich selbst zu begegnen – bleibt unbeantwortet. Stattdessen gibt es eine belanglose Andeutung einer ménage à trois, die ins Nichts führt. Charaktere wie Kai (Anamaria Vartolomei) und Timo (Steven Yeun) werden scheinbar auf halber Strecke vom Drehbuch vergessen.

Am Ende bleibt ein konfuser Film, der wild zwischen Themen springt, ohne eine klare Aussage zu treffen – und damit kaum etwas zum gesellschaftlichen Diskurs beiträgt.


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