Luftpost
Eigentlich kann man der Postkarte aktuell kaum ausweichen: Instagramer:innen bedenken sich damit gegenseitig, um sie dann virtuell vorzuzeigen. Museen schmücken ganze Wände damit für ihre zeitgeschichtliche Sonderausstellung. Und online präsentieren Spezial-Anbieter:innen (fast) alle Motive versandfertig feil. Je geläufiger es wird, seine Lieben per Handy aus dem Urlaub zu bedenken, desto wertvoller scheint der analoge Kartongruß zu werden. Denn mit dem altertümlich gewordenen Medium scheint immer auch etwas optimistische Leichtigkeit aus besseren Zeiten mitzuschwingen.
Aerobus zur Buga 75 in Mannheim (Bild: historische Postkarte)
Manche sammeln Postkarten höchst systematisch wegen der Schmuckseite, andere bevorzugen die Briefmarke, den seltenen Stempel oder den Text auf der Rückseite. Der Architekturjournalist Ulrich Brinkmann (Si apre in una nuova finestra), der gerade eine mehrbändiges Werk zu deutschen und italiensichen Postkarten herausgibt, bevorzugt das Prinzip Zufall: "Am liebsten sitze ich wie der Angler am Strom und schaue, was vorbeischwimmt." Was ihm unterwegs an Kiosken oder Tabakläden in die Händ fällt, was ihm Freund:innen zusenden, bereitet ihm die größte Freude. Sein Augenmerk gilt weniger den spektakulären Motiven, sondern mehr der Alltagswelt der frühen Nachkriegszeit. Die Szenerien, die Fotograf:innen eher beiläufig in den Fußgänger:innenzonen einfingen, fügt Brinkmann aus vielen Einzelkarten zum Gesamtbild einer Kulturlandschaft.
Münstereifel, Berghof (Bild: historische Postkarte)
Am Ende jeder Postkarte wartet zwangsläufig die Enttäuschung, denn der Himmel kann nie so blau sein wie im geschönten Farbdruck. Und die meisten fotogenen Bauwerke haben längst an Überlieferungsqualität eingebüßt oder sind gar völlig verschwunden. Damit teilen sie das Schicksal der Postkarte selbst. Denn so allgegenwärtig, wie die Hippster-Begeisterung es wirken lässt, ist sie längst nicht mehr. Oder haben Sie in letzter Zeit einmal versucht, eine von ihnen analog zu erwerben? Die Grabbelkisten sind aus den Edelantiquariaten ebenso verschwunden wie aus den Briefladenfachgeschäften und aus den Trödelläden. Was bleibt ist die Bestellung im Internet oder die Hoffnung auf den traditionsbewussten Kiosk unterwegs.
Lahr, Rundhochhäuser (Bild: historische Postkarte)