Die Wahlanalyse Teil 1 - Der neutrale Überblick

Deutschland hat am 23. Februar die 630 Mitglieder des Bundestags gewählt und das vorläufige Ergebnis (Si apre in una nuova finestra) ist nun da.
Die CDU/CSU ist mit etwa 28,5% stärkste Partei, zweitstärkste Partei ist die AfD mit 20,8%, dann kommt abgeschlagen die Kanzlerpartei SPD mit 16,4% und die Ampelpartei der Grünen mit 11,6%, während die Ampelpartei FDP mit bloß 4,3% recht deutlich aus dem Bundestag fliegt. Die Linkspartei hat mit 8,8% ein überraschend starkes Ergebnis erhalten, das BSW scheitert wahrscheinlich knapp mit 4,9% an der Sperrklausel. Die Oppositionsparteien haben deutlich gewonnen, wie angesichts der Unbeliebtheit der Ampelregierung zu erwarten war, profitiert haben aber vor allem die Parteien rechts der Mitte, die CDU/CSU, aber noch viel stärker die rechtsextreme AfD. Links der Mitte hat nur die Linkspartei profitiert und das BSW, wenn man diese links einordnen möchte, zum Bundestagseinzug reichte das aber wohl dennoch nicht. Auch die sonstigen Parteien waren dieses Mal viel weniger wichtig als beispielsweise bei der Europawahl, nur 4,6% gingen an die Sonstigen (Si apre in una nuova finestra). Die proeuropäische liberale Partei Volt, bei der Europawahl noch Wahlgewinnerin, holte nicht einmal 1%, die Freien Wähler holten weniger als 2%, die Tierschutzpartei blieb bei ihren ungefähr 1%, die Satirepartei DIE PARTEI ging ziemlich unter. Die Impfgegner:innen-Partei DieBasis versank in der Bedeutungslosigkeit, ebenso die Werteunion und andere, die Nachfolgeparteien der NPD traten nicht einmal an. Wegen der kurzen Zeit bis zur Wahl und der bürokratischen Hürden für die Zulassung konnten viele kleine Parteien auch nicht wie sonst antreten.
Das Wahlsystem war dieses Mal anders als zuvor. Die Ampelregierung hatte das Wahlsystem geändert (Si apre in una nuova finestra) und dafür gesorgt, dass die Sitze des Bundestags auf 630 Mitglieder begrenzt würden. Dafür wurden Überhangs- und Ausgleichsmandate abgeschafft, die das Parlament stark über die ursprünglichen 630 Mitglieder vergrößert hatten. Diese fielen an, wenn es mehr direkt in Wahlkreisen über die Erststimmen gewählte Abgeordnete als Zweitstimmen der Partei gegeben hatte, deren Mandate dann ausgeglichen wurden, damit das Zweitstimmenverhältnis der anderen Parteien noch passt.
In dieser Wahl sind Erststimmen also weniger wichtig als zuvor, es kann passieren, dass direkt gewählte Abgeordnete wie die der AfD also trotzdem nicht in den Bundestag einziehen werden. Lediglich die Grundmandateklausel, die Parteien mit mindestens 3 Direktmandaten trotz Unterschreitens der 5%-Hürde den Einzug in den Bundestag garantiert, besteht noch fort. Direktmandate und die Erststimme sind also nur noch wichtig dafür, wer aus der Partei in den Bundestag einzieht oder für die kleinen Parteien, die mindestens 3 Direktmandate gewinnen können. Dieses Wahlsystem möchte die CDU/CSU im Übrigen wieder verändern.
Die CDU/CSU wird wahrscheinlich eine Regierung mit der SPD als Juniorpartner:in eingehen können, mit Friedrich Merz als Kanzler. Das erscheint angesichts der Umstände, dass alle Parteien angesichts der Probleme in der 3-Parteienregierung der Ampel eine Regierung mit 3 Parteien unbedingt vermeiden wollen, als wahrscheinlichstes Ergebnis. Das wiederum wird die SPD in Verhandlungen stärken, da die CDU/CSU ja quasi auf sie angewiesen ist, da diese ja keine 3-Parteienregierung haben will. Insofern wird es ein “weiter so” der schwarz-roten Koalition geben, die Deutschland in den letzten 20 Jahren ja 13 Jahre lang regiert hat und in der jeweils mindestens eine der zwei Parteien immer vertreten waren.
Wir werden also Koalitionsverhandlungen sehen, bei der Merz versuchen wird, seine rechtspopulistischen Versprechungen der letzten Wochen umzusetzen, was ihm nicht leichtfallen wird. Merz hat jedoch in der gemeinsamen Abstimmung mit der rechtsextremen AfD im Februar gezeigt, dass er sich an vorherige Versprechen (wie dem, nicht mit der AfD gemeinsam abzustimmen) nicht unbedingt gebunden fühlt. Das hat neben den anderen Parteien auch die SPD vor den Kopf gestoßen, die Merz nicht unbedingt vertrauen. Das könnte die Koalitionsverhandlungen und eine mögliche Koalitionsregierung insofern belasten und vielleicht erleben wir auch noch die einen oder anderen (unangenehmen) Überraschungen.
Wie auch immer die Koalitionsverhandlungen ausgehen werden, für die Zukunft heißt das erst einmal, dass die AfD weiterhin von einer Opposition von rechts profitieren kann, wenn sie ankreidet, dass Merz seine rechtspopulistischen Versprechen einer harten, rechtskonformen Abschreckungspolitik gegenüber Geflüchteten nicht umsetzen kann. Die Parteien links der Mitte wie die Grünen und LINKE können wahrscheinlich von links Opposition machen, während die FDP sich ohne den abtretenden Lindner neu aufstellen möchte. Die Grünen haben einen Neuanfang versprochen, Kanzlerkandidat Habeck hat seinen Rückzug aus der Führung der Partei angekündigt, weitere Personalentscheidungen gegen Habecks Mittekurs werden wahrscheinlich folgen. Das BSW wiederum wird angesichts des Scheiterns an der 5%-Hürde große Probleme haben, sich zu halten angesichts der Kritik an der Parteiführung, die Parteiaufnahmen stark beschränkt hat.
Letzten Endes war das Ergebnis der Wahl aber kaum überraschend oder spannend, die Umfragen (Si apre in una nuova finestra) hatten den Großteil der Ergebnisse vorhergesagt, vor allem das sehr starke Abschneiden der rechtsextremen AfD. Dass die LINKE am Ende noch so stark abschneiden würde, war eine der wenigen Überraschungen der Wahl, die sich erst in den letzten Wochen der Wahl abzeichnete, ebenso das Scheitern von FDP und wahrscheinlich auch das des BSW an der Sperrklausel.
Mit all diesen Ergebnissen im Hinterkopf werde ich nun eine Reihe beginnen, die die Ergebnisse der Wahl genau unter die Lupe nimmt. Wer hat welche Partei gewählt und warum? Welche Alters-, Geschlechts- und Tätigkeitsgruppen haben welche Parteien gewählt und warum? Welche Themen haben welchen Parteien besonders genützt oder geschadet?
Dafür werde ich die Parteien einzeln begutachten und dabei vor allem auf die Umfrageergebnisse der Tagesschau (Si apre in una nuova finestra) zurückgreifen.