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Kompromisslos bis zum eigenen Untergang

Der Iran steht wegen der Sanktionen vor dem wirtschaftlichen Kollaps, doch anstatt Verhandlungen übers Atomprogramm einzuleiten, bringt das theokratische Regime Bauernopfer

Der Iran in der Flagge des Regimes, Haideer23, CC BY 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/4.0>, via Wikimedia Commons

Seit diesem Wochenende wurde der Iran von gleich zwei hochrangigen Personalentscheidungen erschüttert: Am Sonntag entließ das wenig einflussreiche iranische Parlament den Finanz- und Wirtschaftsminister Abdolnaser Hemmati (Si apre in una nuova finestra), nachdem eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten ihm das Vertrauen verweigert hatte.

Einen Tag später wiederum erklärte der Vizepräsident Mohammad Javad Zarif dem “reformistischen” Präsidenten Masoud Peseschkian gegenüber seinen Rücktritt (Si apre in una nuova finestra).

Beide Rücktritte stehen im Zusammenhang mit einer massiven Wirtschaftskrise im Land, die in den letzten Jahren immer mehr an Fahrt aufgenommen hat. Die Wut über die Wirtschaftskrise wird auf den Präsidenten und sein Kabinett abgeladen, er stellt aber eher ein Bauernopfer dar.

Der Grund für die Wirtschaftskrise untersteht nämlich nicht Peseschkians Kontrolle, sondern der des „Obersten Führers“ Ali Chamenei, der beinahe unbeschränkte Macht besitzt und über viele politische Fragen das letzte Wort hat. Chamenei weigert sich seit Jahren, einen erneuten Dialog über eine mögliche Aufhebung der wegen des Atomstreits veranlassten westlichen Sanktionen zu beginnen. Diese sind die Hauptursache für die Erschöpfung der ausländischen Devisenreserven (Si apre in una nuova finestra), der massiven Inflation im Land mit über 50% (Si apre in una nuova finestra) und damit der immer stärkeren Verarmung der Menschen im Iran. Proteste werden daher erwartet.

Der Präsident Masoud Peseschkian war eigentlich in einem wenig freien Prozess im Juli 2024 gewählt worden, um Schritte zu einer Verständigung mit dem Westen einzuleiten, doch Chamenei erlaubte ihm nicht, dies in die Tat umzusetzen. Der Präsident wie alle anderen demokratisch gewählten Organe haben im Iran nämlich nur sehr eingeschränkte Macht (Si apre in una nuova finestra). Stattdessen muss Peseschkian und sein Umfeld nun als Sündenbock für diese Politik herhalten, obwohl es gerade sein Umfeld ist, das durchaus offen für Kompromisse im Austausch für eine Abmilderung der Sanktionen wäre. Peseschkians Vize, Mohammad Javar Zarif, stand für diese Politik wie kein zweiter. Er hatte als Außenminister mit Billigung des „Obersten Führers“ Chamenei im Jahr 2015 die Aufhebung vieler Sanktionen im Austausch für eine Aufgabe des Atomprogramms ausgehandelt. Sein Rücktritt ist damit geradezu symbolisch.

Dass Peseschkian damals übrigens von Chameneis klerikalen Loyalisten im Wächterrat überhaupt zur Wahl zugelassen wurde, überraschte manche. Es gab Spekulationen, dass er als Sündenbock für die damals bereits aufziehende Wirtschaftskrise herhalten sollte und daher antreten durfte. Die jetzigen Rücktritte bei Peseschkians „Reformisten“ könnten diese Theorie bestätigen.

Alle anderen Organe des theokratischen Systems der islamischen Republik werden derzeit nämlich von den Hardlinern, den Anhänger:innen des Obersten Führers Chamenei und seiner islamistischen Ideologie beherrscht. Bis zur Wahl Peseschkians war auch die Präsidentschaft unter der direkten Kontrolle Chameneis. Der ultrarechte Präsident Ebrahim Raisi, der persönlich für tausende Todesurteile politischer Gegner:innen in den 80er-Jahren verantwortlich gemacht wird, starb letztes Jahr jedoch infolge eines Flugzeugunglücks. (Si apre in una nuova finestra) Unter seiner nominellen Präsidentschaft hatte der Iran eine starke Protestbewegung unter dem Slogan „Frau Leben Freiheit“ erlebt, die die diskriminierenden Regeln des theokratischen System infragestellte. Chamenei ließ infolgedessen diese Proteste brutal niederschlagen (Si apre in una nuova finestra) und zahlreiche Demonstrant:innen inhaftieren oder gar exekutieren.

Mit der endgültigen öffentlichen Weigerung des „Obersten Führers“ Chamenei, Verständigung mit der USA zu ermöglichen und stattdessen das Atomprogramm zu verstärken, ist die Wirtschaftskrise nun noch weiter angezogen. Trump hatte nämlich angekündigt, eine Politik des „massiven Drucks“ gegen den Iran durchzuführen (Si apre in una nuova finestra) und Israel möglicherweise zu erlauben, iranische Atomanlagen anzugreifen.

Doch Chamenei steht auch anderweitig in der Kritik. Das iranische Regime steht seit der islamistischen Machtübernahme in der iranischen Revolution 1979 für eine imperialistische Außenpolitik, die auf schiitische islamistische Milizen im arabischen Raum setzt (Si apre in una nuova finestra). Diese sollen im Auftrag Teherans den „großen Satan“ der USA (Si apre in una nuova finestra) und den „kleinen Satan“ Israel bekämpfen und um jeden Preis aus dem nahen Osten entfernen. Der Titel: Die “Achse des Widerstands”. Dafür werden massive finanzielle Anstrengungen unternommen, Gelder, Waffen und Güter, die dann natürlich nicht mehr im Iran selbst zur Verfügung stehen. Diese Finanzierung islamistischer Terrorgruppen im Ausland und die daraus folgenden Sanktionen sind daher in der iranischen Bevölkerung äußerst unbeliebt (Si apre in una nuova finestra).

Seit die irantreue Miliz Hezbollah und die Hamas sich im Kampf gegen Israel eine blutige Nase geholt hatten und Anfang Dezember sogar das Assadregime in sich zusammenbrach, das Chameneis Revolutionsgarden 13 Jahre lang an der Macht gehalten hatte, steht diese Politik vor einem Scherbenhaufen. (Si apre in una nuova finestra) Viele Iraner:innen fragen sich, warum sie Milliarden für Terrororganisationen und die Aufrechterhaltung eines mörderischen syrischen Regimes bezahlen sollten, die militärisch weitgehend gescheitert sind und ihr Leben durch Sanktionen härter machen.

Das theokratische Regime rund um Chamenei hat das Land und damit auch sich selbst in eine Situation manövriert, aus der es nun schwer wieder herauskommen kann.

Und je schwieriger die wirtschaftliche Lage ist, desto größer ist die Angst vor regimekritischen Protesten, und desto stärker wächst auch die Repression an.

Diese ist seit den Protesten 2022 noch einmal angestiegen. Tausende Menschen sitzen in iranischen Gefängnissen wegen politischer Vergehen in Haft, etwa ein Dutzend politische Gefangene werden jeden Monat hingerichtet (Si apre in una nuova finestra), viele weitere wegen anderer Vergehen exekutiert, ein hoher Anteil davon Angehörige von Minderheiten. Der Iran hat in absoluten Zahlen die weltweit zweithöchste Rate an Hinrichtungen hinter China. (Si apre in una nuova finestra) Dennoch ist das genaue Ausmaß der Repression nur in Ansätzen bezifferbar, da die Meinungs- und Pressefreiheit im Iran enorm eingeschränkt wird.

Was auch immer aus diesen Krisenzeiten im Iran erwächst, für die Bevölkerung dort brechen zunächst noch schwerere Zeiten an. Doch an dessen Ende könnte auch der Sturz des Regimes stehen.

Argomento Nahost

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