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Räusper

Well, this is awkward.

Eigentlich wollte ich die Sache an den Nagel hängen, wollte aufgeben, scheitern. Vielleicht sogar das Schreiben generell, weil sich alles seit Covid in meinem Gehirn so verknotet hat; ich kann nicht mehr so strukturiert denken und habe Probleme mit meiner Sprache. Ich dachte: Autorin kannst du vergessen. Aber dann begann es sich zu verändern.

Seit drei oder vier Wochen merke ich, dass ich das Schreib-Areal in meinem Gehirn wieder erreichen kann. Merke, wie mir im Alltag plötzlich wieder Sätze durch den Kopf wabern, wie früher. Erst war ich unsicher, weil ich das schon einmal kurz hatte und dachte, es sei endlich alles wieder gut, aber dann wurde es wieder schlechter; doch dieses Mal ist es anders. Ich kann wieder Schreiben.

Es fühlt sich noch ein wenig unsicher an, wie nach meiner Knie-OP 2013, als alles die ersten Monate wackelig war. Aber ich stand und konnte mit Gehhilfe laufen, also hey! Dieses Mal ist es auch so. Ich habe immer noch Probleme mit gesprochener Sprache, kann mein Vokabular nicht mehr so schnell abrufen. Bin in Interviews oder bei Gesprächen auf Lesungen nicht mehr so schlagfertig wie früher, brauche länger, um Fragen zu verstehen und eine Antwort zu finden, suche oft nach Worten, sehe die Bilder im Kopf, aber finde den Namen nicht. Auf Englisch ist es am offensichtlichsten; aber schriftlich kann ich es irgendwie. Ich weiß nicht viel über das menschliche Gehirn, und auch, wenn ich mich mit meinem Ehemann gefühlt die halbe Zeit wild fuchtelnd und auf Gegenstände zeigend verständige, reicht es mir, wieder schreiben zu können. Was uns hier hin bringt.

Ich habe lang überlegt, was ich hiermit mache. Mir immer gedacht: Kannste nur einstampfen, komplett versagt, chronisch Kranke sollten sowas eh nicht machen, du Versagerin, dies das. Dann habe ich gemerkt: Ach, huch, das ist ja meine Depression. Die auch noch, hatte ich schon fast ganz vergessen. Dann fiel mir ein, dass meine Depression trickst und lügt, und statt ihr weiter zuzuhören, habe ich zwei Gärten gepachtet. Was man eben so macht. Jedenfalls habe ich jetzt diese zwei Gärten voller Wildpflanzen und Tiere, und da dachte ich mir: Mensch, das wäre doch was für die Leute. Da kannste was mit machen.

In meinem Roman ENDLING lasse ich die Ich-Erzählerin Folgendes reflektieren:

Auguste, die eine wirklich brillante Biologin und eine außerordentlich geduldige Lehrmeisterin ist, hatte mir auf unseren Spaziergängen alles erklären können, alle Pflanzen und Tiere, die Stoffkreisläufe, Räuber-Beute-Beziehungen, all so was. Auf diese Weise hatte sie mir eine Ebene unserer Welt eröffnet, die den meisten Menschen ein Leben lang verborgen bleibt. Wenn man durch eine Landschaft geht und plötzlich die Namen der Organismen kennt, die dort leben, wenn man versteht, wie alles funktioniert und zusammenhängt, dann verwandelt sich diese Landschaft von einer dekorativen Tapete in eine Ansammlung von Akteuren. Dann ist das alles nicht mehr anonym, sondern unglaublich konkret. Ein bisschen so, wie wenn man auf eine Party geht und niemanden kennt. Man ist in dem Fall einfach von einer gesichtslosen Menschenmenge umgeben, die nichts in einem auslöst. Aber wenn man mit Jan quatscht und Samira begrüßt, ist alles so vertraut. Geschichten tun sich auf, Beziehungen werden sichtbar. Meine Tante leistete in unserer Kindheit genau das für mich – sie stellte mich der Welt vor, riss den Schleier von meinem Gesicht und ließ mich wirklich sehen, fühlen und verstehen, wo ich bin.

Ich hatte so jemanden nicht, ich war meine eigene Auguste, aber ich finde, das ist wirklich wirklich etwas, das man können sollte: Die Natur um einen herum verstehen, sie einordnen und sich in ihr verorten können. Also habe ich entschieden, das mit euch zu machen. Hier ein Beispiel, wie sowas geht.

Waldgarten und Dänegart

Einen meiner Gärten nenne ich den “Waldgarten”, weil 80% von ihm im Schatten großer Eichen liegt. So sieht es da aus:

Das war im Februar.

Wir haben schon viel geschafft, viele invasive Pflanzen rausgerissen und viel gesetzt, jetzt sah es im Mai im hinteren Teil so aus:

Im oberen Bild seht ihr links im Vordergrund die invasive Apfelrose. Über invasive Pflanzen werden wir noch ausführlich sprechen.

Und im Juli so:

Das oben ist der vordere Teil, in dem wir Beete gebaut haben. Da gibt es ein bisschen Sonne für ein paar Stunden. Der Boden ist sauer, weil der Garten auf einem ehemaligen Moor steht. Der ganze Stadtteil war früher Moorlandschaft, wie viele andere Teile Hamburgs auch, und der Boden zeugt noch davon.

Was besonders spannend ist am Waldgarten: Die Vögel. Es gibt so, so viele Arten, deshalb fokussiere ich mich hier auf die gefiederten Freunde. Mein Ziel ist es, den Garten so vogelfreundlich zu machen, wie es nur geht; das bedeutet: Nistplätze, Verstecke, Nahrung und Wasser. Natürlich zeige ich euch dann auch, wie man das am schlausten anstellt. Und ich zeige euch auch, wie man aus einem schattigen Garten ein wunderschönes Biotop erstellen kann. Das ist ja immer so ein Ding, das viele ratlos zurücklässt: Was mache ich mit den schattigen Ecken in meinem Garten, da blüht und wächst doch nüscht! Doch, tut es. Nur anders. Kommen wir dann zu.

Den anderen Garten nennen wir “Dänegart”, weil er ein Wikingerhaus hat und wir oft nach Dänemark fahren, da hat sich das angeboten:

Der Zaun, den du da siehst, grenzt an das Moor, an dem ich forsche. Wie hoch ist DIE Wahrscheinlichkeit? Und doch, here we are. Wie man sieht, ist er ebenfalls verseucht von invasiven Pflanzen wie Kirschlorbeer, aber wir gehen ein Problem nach dem anderen an. Das Haus liegt im Schatten, der Garten hat natürlich Moorboden, also auch eher sauer. Der Rest des Gartens liegt in der Sonne, dementsprechend unterscheiden sich die Pflanzen, die dort wachsen, als auch ein wenig die Tiere und anderen Organismen, die es da gibt.

Den hinteren Teil lassen wir wild, ich habe lediglich Wege reingeschnitten, damit wir nicht auf den Fröschen und Molchen herumtrampeln, die sich dort quasi stapeln.

Das Interessante ist: Wenn man einen Aspekt eines Lebensraumes verstanden hat, kann man Rückschlüsse auf viele andere Bereiche des Lebensraumes ziehen, die man vielleicht noch gar nicht so gut kennt. Wenn ich die Pflanzen (er-)kenne, kann ich erahnen, welche Tiere dort vielleicht leben, wie die Zusammensetzung des Bodens ist, dies das. Mit Pflanzen geht das besonders gut, denn da hilft uns das Konzept der Zeigerpflanzen. Wenn man das draufhat und einige der wichtigsten Zeigerpflanzen kennt, kann man beim Spaziergang mit anderen angeben, auf Pflanzen zeigen und sagen: Das ist das, das ist jenes, jenes gibt es normalerweise in diesen und jenen Landschaften, vermutlich entstanden vor xy Jahren, ich bin mir sicher, wir finden Tier X hier und Tier Y, vielleicht sogar Tier Z, weil es hier viel Totholz gibt, und schaut mal, die Pflanze zeigt auch an, dass der Boden hier wohl sehr nass ist …. all sowas eben.

Deshalb reden wir in der nächsten Ausgabe über Zeigerpflanzen in meinen Gärten. Habe in den letzten Tagen die auffälligsten zusammengetragen, sodass du lernen kannst, wie du Feuchtwiesen erkennst und welche Tiere du da erwarten kannst. Ich wollte hier nicht alles in die eh schon zu lange Mail stopfen. Außerdem will ich noch Leuten Zeit geben, zu deabonnieren, wenn die auf einmal erinnert werden Ach du kacke, die Alte gibt es ja auch noch! Ja, gibt es noch, auch wenn meine Depression in stetigem Austausch mit mir ist und darüber verhandeln will, ob das mit dem Existieren wirklich sein muss, nervig. Aber hab gemerkt, es hilft, wenn man so viele Gärten wie Hunde hat (3) und einfach Zeit dort verbringt. In der Natur langweile ich mich nie, ich bin niemals verloren und niemals allein. Das liegt daran, dass das ganze Grün um mich herum nicht nur Deko ist, sondern einzelne Lebewesen. Bäume sind auch nur komplett eskalierte Gänseblümchen, und wenn man da mal durchblickt, ist es auf einmal ziemlich cool.

Schauen wir mal.

Jasmin

PS: Den Gärten könnt ihr auch auf Instagram hier folgen:

https://www.instagram.com/insektengarten/ (Si apre in una nuova finestra)

@insektengarten


Habe das von meinem großen Account entkoppelt, weil mir dieses große Publikum zu viel Druck ist. Momentan mag ich es lieber klein. Die Insekten in meinem Garten sind beispielsweise eine Größe, mit der ich super umgehen kann.

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