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Ecological Grief, oder: das Unfassbare fassbar machen.

Dem Leben geht keine Einladung voraus. Man wird nicht gefragt: Hey, möchtest du auf die Welt kommen? Man ist irgendwann einfach da. So in die Welt geworfen erleben wir, wie die Jahre vergehen und wir vom Baby zum Kind, dann zum Jugendlichen und schließlich zum Erwachsenen werden. Dabei tickt nicht nur unsere Uhr, das vergessen wir gerne. Auch an den Generationen vor uns nagt der Zahn der Zeit.

Unsere Eltern und Großeltern zeigen erste Alterungserscheinungen, was sich immer irgendwie befremdlich anfühlt – meine Mutter ist in meinen Augen schon immer irgendwie um die vierzig, aber wenn ich die Augen ein wenig zusammenkneife, wenn ich innerlich Abstand nehme, ist sie es eben doch nicht mehr. Dasselbe gilt für meinen Großvater, dessen einst rabenschwarzes Haar grau geworden ist. Ich könnte nicht sagen, wann das passiert ist.

Das Leben fordert seinen Tribut, mehr und mehr. Mit der Zeit verlieren wir unsere Urgroßeltern, unsere Großeltern und schließlich, wenn alles seinen natürlichen Lauf nimmt, unsere Eltern. Eines Tages stehen wir auf und stellen fest, dass es keine Vorgänger mehr gibt.

„Endling“ ist ein unglaublich trauriges Wort, vielleicht das traurigste, das ich kenne. Es wurde 1996 von Robert M. Webster und Bruce Erickson vorgeschlagen, um Menschen oder Lebewesen zu bezeichnen, die die Letzten ihrer Abstammungslinie oder ihrer Art sind. Es ist ein Begriff, der nicht nur einen biologischen oder kulturellen Zustand beschreibt, sondern auch eine tiefe emotionale Bedeutung hat. Es verkörpert den finalen Moment am Rande des Aussterbens. Das Vorhandensein eines solchen Ausdrucks in unserer Sprache spiegelt die Anerkennung dieser Realität wider. Der Komponist Andrew Schultz schrieb eine Symphonie namens „Endling“, und verfasste dazu auf seiner Webseite den folgenden Text:

“[Die Zeitung] Nature hat “Endling” als “das letzte überlebende Individuum einer Art oder Pflanze” definiert. Dieses Stück entspringt einem Gefühl des Bedauerns und der Trauer über all das, was von der Erde verschwunden ist. Wunderbar angepasste Pflanzen, Tiere und Gesellschaften, die alle nicht mehr existieren und ersetzt wurden durch was? Eine Welt der Hässlichkeit, der materiellen Besessenheit, des ständigen und sinnlosen Wandels und der abscheulichen “ Vermarktung “ von allem, von einer Symphonie bis zum Lächeln eines Kindes. (…).”

— Andrew Schultz

https://www.youtube.com/watch?v=9oHTeJBVNQ0 (Si apre in una nuova finestra)

Biologische Vielfalt verstehen

Sprechen wir über Endlinge, sprechen wir über Artensterben, über Biodiversitätsverlust. Viele Menschen haben den Ausdruck "Biodiversität" schonmal irgendwie gehört, nicht zuletzt dadurch, dass in den Medien häufiger darüber berichtet wird (aber noch lange nicht genug, nein). Schauen wir in Pubmed nach, der größten Datenbank für biologische und medizinische Artikel, sehen wir, dass bis in die 1990er Jahre nur wenige Artikel zu diesem Thema veröffentlicht wurden. Es war noch gar nicht auf dem Schirm der Weltöffentlichkeit, niemand ahnte damals, was für ein Vulkan unter unserem Wirtschaftswachstum schlummert.

Als 1992 die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio abgehalten wurde, änderte sich das. Zum ersten Mal wurde der Scheinwerfer auf Artenschutz und Nachhaltigkeit gerichtet, und danach schossen die publizierten Artikel über Biodiversität in die Höhe.

Dieser Begriff – Biodiversität, auch biologische Vielfalt genannt – beschreibt die gesamte Bandbreite des Lebens auf unserer Erde. Er umfasst nicht nur die Artenvielfalt, also die Anzahl unterschiedlicher Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen, sondern auch die genetische Variation innerhalb der Arten. Das bedeutet, dass verschiedene Individuen einer Spezies unterschiedliche Erbinformationen besitzen, die zu unterschiedlichen Eigenschaften führen können, die beim Überleben wichtig sein können.

Biodiversität umfasst auch die Vielfalt der Ökosysteme, also der verschiedenen Lebensräume und Lebensgemeinschaften wie Wälder, Wüsten oder Feuchtgebiete. Es geht um die Beziehungen zwischen Lebewesen, um Stoffkreisläufe, um Wechselwirkungen. Diese globale Komplexität befindet sich in einem empfindlichen Gleichgewicht, das die Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gewährleistet. Der Verlust dieser biologischen Vielfalt droht solche komplexen ökologischen Netzwerke zu zerstören – und damit nicht nur die Lebensgrundlage von Specht, Biber und Biene, sondern auch unsere eigene.

Der Verlust und das Leugnen

Es gibt Dinge, die kann man sich nur schwer vorstellen – wie es sein wird, wenn man tot ist; dass sich das Universum ununterbrochen ausdehnt; Unendlichkeit; dass die Menschheit ausstirbt; Gott. Das sind alles Dinge, die zu einem unkonkreten, unüberblickbaren Haufen in unseren Gehirnen verknotet werden. Dinge, bei denen sich keine richtigen Bilder auftun können, weil sie zu abstrakt für uns sind.

Der Philosoph Immanuel Kant hat Phänomene, die sich der unmittelbaren menschlichen Erfahrung entziehen, als "transzendental" bezeichnet. Das bedeutet, dass sie jenseits unserer sinnlichen Wahrnehmung liegen und nur durch reines Denken erfasst werden können. Was demnach jenseits unserer empirischen, also irgendwie messbaren und erfahrbaren Erkenntnisfähigkeit liegt, kann nicht gewusst, sondern nur geglaubt werden. Und es gibt Dinge, an die will man lieber nicht glauben.

Obwohl es sich um etwas Erfahrbares und Messbares handelt, fühlt sich der Verlust der biologischen Vielfalt für viele genau so weit weg wie die oben genannten Beispiele an. Für mich ist das menschlich und psychologisch nachvollziehbar. Wenn man hört: Stell dir vor, die Eisbären sterben aus. Das kann man sich vorstellen. Man hat Bilder im Kopf, ist vielleicht traurig, bedrückt. Man sieht leere Eiswüsten vor sich, sieht den letzten Eisbät in einem viel zu warmen Zoo vor sich hin altern.  Wenn man hört: Der fortschreitende Verlust der Biodiversität wird irgendwann dazu führen, dass die Menschheit zu einer bedrohten Art wird. Leere Leinwand im Kopf. Keine Bilder. Bitte was?

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Argomento Essay & Meinung

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