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"Allein über möglichst viel Zeit zu verfügen, führt noch nicht zu einer hohen Lebensqualität."

In meinem letzten Newsletter (Si apre in una nuova finestra) habe ich über die leblosen Momente geschrieben, die entstehen, wenn die Zeit einfach nur vergehen soll. Weil wir auf etwas warten, oder auf jemanden, oder einfach darauf, dass etwas Unangenehmes vorübergeht. Es ist nicht immer besser Zeit zu haben. Freizeit ist etwas, was wir uns wünschen, wenn wir zu wenig davon haben. Doch freie Zeit ist zunächst einmal buchstäblich unerfüllte Zeit. 

Zeitwohlstand definierte der Sozialwissenschaftler und Zeitforscher Jürgen P. Rinderspacher einmal als "Wohlbefinden in der Zeit". Er gehörte in den 1980er-Jahren zu den ersten, die den Begriff Zeitwohlstand benutzten, und hat die Idee eines immateriellen Wohlstands, der Menschen aus der verbreiteten Zeitarmut befreit, immer weiter vorangetrieben. 

Als ich in meinem letzten Newsletter von der Corona-Infektion schrieb, die mir alles andere als Wohlbefinden in der Zeit gebracht hat, war ich auch schlagartig zurückversetzt in eine Zeit, von der ich geglaubt hatte, sie wäre endlich vorbei. Die Pandemie erlebte ich vor allem während der Lockdowns wie eine Phase außerhalb der Zeit, in der die Vergangenheit immer unwirklicher erschien und die Zukunft vollkommen außerhalb meiner Reichweite lag. Es war eine endlose Gegenwart.

Jürgen P. Rinderspacher hat ein Buch über die Zeiten der Pandemie (Si apre in una nuova finestra) geschrieben. Darin greift er auch die Wahrnehmung dieser Zeit auf und spricht von einem temporären, prekären Zeitwohlstand, den viele Menschen erlebten, als der Alltag zum Stillstand kam. Auch Rinderspacher schreibt: 

"Allein über möglichst viel Zeit zu verfügen, führt noch nicht zu einer hohen Lebensqualität. Das Individuum muss, um dies zu erreichen, persönlich fähig und von seinem sozialen Status her in der Lage sein, die Ressource Zeit mit anderen Ressourcen wie Geld, Gesundheit, Bildung und weiteren in bestimmter Weise zu kombinieren." 

Die reiche Verfügung über nur eine einzelne Art einer Ressource, sei es Zeit, Geld, Gesundheit oder soziales Kapital, sei für sich genommen wertlos, schreibt Rinderspacher. Es komme auf die richtige Kombination an, die es ermöglicht, die eigenen Bedürfnisse optimal zu befriedigen.

Ich hatte nicht nur das Glück, das im August erscheinende Buch schon vorab lesen zu können. Ich konnte Jürgen Rinderspacher auch einige Fragen stellen. Zum Beispiel wollte ich von ihm wissen, was von dem neuen Zeitgefühl der Pandemie bleiben wird, was er genau unter Zeitwohlstand versteht und welche ungelösten Zeitkonflikte die Pandemie aufgeworfen hat. Hier sind seine Antworten.

Herr Rinderspacher, es gab viele Frustrationserlebnisse während der Corona-Zeit. Welche Hoffnung haben Sie dennoch auf langfristige, positive Veränderungen in unserem Umgang mit der Zeit?
Jürgen P. Rinderspacher:
Potenziell können viele der Erfahrungen zu einem anderen Umgang mit der Zeit beitragen. Aber da wäre dann die böse Realität: Die meisten positiven Erfahrungen können in einer Nach-Corona-Epoche nicht weitergelebt werden, weil die zeitlichen Rahmenbedingungen dann wieder die alten sind. Also, unter anderem die Kurzarbeit oder das Homeoffice entfallen, die ja Voraussetzungen für einen anderen Umgang mit der Zeit waren.

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