Das Buch dieses Sommers
Wenn mich jemand fragt, was ich am letzten Wochenende gemacht oder wie ich meine letzten Urlaubstage genutzt habe, dann würde ich wahrscheinlich sagen: Ich habe viel Zeit mit meiner Familie verbracht, war meistens draußen, habe Radtouren gemacht, Freund*innen besucht, war mit ihnen im Freibad, in der Eisdiele, in der Stadt und habe endlich mal wieder einen ganzen Roman am Stück gelesen. Das alles stimmt, ist aber natürlich nur ein kleiner Teil von dem, was ich getan habe.
Ich würde wohl nie sagen: Ich habe zahlreiche Tweets gelesen, Reels und Storys angeschaut und durch Nachrichtenapps gescrollt. Ah, und dann war ich ab und zu noch bei LinkedIn und habe Posts über Selbstfindung und fragwürdige Unternehmenspraktiken gelesen von Menschen, die ich nicht kenne und die mich eigentlich auch nicht interessieren.
Ich habe so etwas auch noch nie jemanden in meinem Umfeld sagen hören. Diese unglaubliche Masse an Zeit, die wir damit verbringen online zu sein, scheint etwas Beschämendes zu haben. Wir wissen um die Belanglosigkeit der meisten Inhalte und wissen, dass andere wissen, wie viel Zeit wir damit verbringen. Und dass wir auch nicht richtig davon loskommen. Dass wir kaum noch in der Lage sind, die Stille und uns selbst auszuhalten – und wenn wir schon nicht zum Smartphone greifen, es doch zumindest in unserer Nähe wähnen. Früher oder später, meistens früher, sehen wir dann nach, aus Gewohnheit, und ignorieren sicherheitshalber, dass die Grenzen zwischen Gewohnheit und Abhängigkeit fließend sind.
Dieses gute Buch, das ich in meinem Urlaub gelesen habe, ist Freizeit von Carla Kaspari. Freizeit ist ein leicht erzählter, sehr unterhaltsamer und zugleich erschütternder Coming-of-Age-Roman. Er erzählt von einer Generation junger Erwachsener, die ihre Freizeit aufgegeben hat, weil sie permanent online ist.
Jeder drohende Leerlauf wird im Keim erstickt und mit Content gefüllt. Jede offene Frage wird in die Suchmaske getippt noch ehe sie zu Ende gefragt ist und ehe man anfangen könnte, sich selbst mit einer möglichen Antwort zu beschäftigen. Carla Kaspari beschreibt eine Generation junger Menschen, die Antworten immer woanders sucht, weil es immer jemanden gibt, der es besser zu wissen scheint als man selbst. Fündig werden sie meistens in den sozialen Medien, die ihnen nicht nur ständigen Konsum, sondern auch die perfekte Selbstinszenierung abverlangt.
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