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Morgen ist das Ding erledigt

Ein Rausch über meinen geliebten Fokus – nicht

Ich hatte es mir so fest vorgenommen, ich wollte alles fertig machen. Ich wollte den Bericht direkt am Freitag schreiben, dann über das Wochenende liegen lassen und Montag in Ruhe drüber lesen. Dienstag sollte das gute Stück raus gehen.

Aber Pustekuchen, es kam anders. Eigentlich hätte ich es vorher wissen müssen. Ich kenn mich doch. Natürlich kam an diesem so arbeitsintensiv geplanten Tag etwas dazwischen. Eine Überlegung musste diskutiert und gedacht werden. Ich nervte die Leute um mich herum mit der Entscheidungsfindung. Alle sagten und rieten mir etwas anderes. Na toll und auf wessen Rat sollte ich nun hören? Ich war fast wütend, dass sich die Menschen, die ich teilnehmen ließ, alle anders äußerten. Hätten die sich nicht absprechen können, bevor ich sie befragte.

Als ich dann endlich eine Entscheidung getroffen hatte, telefonierte ich ein letztes Mal und holte mir einen völlig anderen Rat ab. Die neutrale Person und schmiss alles über den Haufen. Danach freute mich über meinen neuen Entschluss. Der eigentlich für diesen Tag geplante Auftrag rückte immer weiter nach hinten.

Während ich also andere Pläne schmiedete, verging die Zeit. Die Zeit, die ich ja eigentlich nutzen wollte. Es wurde Mittag. Erst kam das Kind verschnupft nach Hause und dann der Mann. Eine:r von beiden machte einen positiven Corona-Test. Schreck. Panik. Masken. Isolation. Mein Zeitplan verfiel in seine Einzelteile. Übrig blieb nur noch das große TO-DO. Beim nächsten Blick auf die Uhr wurde ich sichtlich nervös und meine Gedanken immer hohler. Anstatt konzentriert zu arbeiten, schaute ich ständig auf die Uhr und hatte Angst nicht alles zu schaffen.

Ich habe die Yogamatte ausgerollt, um mich zu fokussieren – wie die Madys und Maschas von youtube es immer empfehlen. Aber an einen Fokus war nicht zu denken, der lag auf dem Zeiger der Uhr und wartete tiefenentspannt auf den Frühling. Tiktak, Tiktak, tief ein-und ausatmen. „Foooookusssss, komm runter zu mir und grinse nicht so süffisant.“ Aber anstatt sich zu mir auf die Matte zu schwingen, machte er Schweinebaumel und Hüftaufschwung auf den tickenden Zeigern. Die Zeit lief, der Fokus lachte mich an, aber kam nicht zu mir. Yoga funktionierte offenbar heute nicht. Weg mit der Matte. Eine halbe Stunde, bevor ich zum nächsten Termin huschte, kam der Geisterblitz. Die ersten dreieinhalb tausend Zeichen flossen wie von alleine aus meinen Fingerspitzen, durch die Tastatur in das Dokument. Dann musste ich los. Ich hängte den Fokus an die Haustür, vielleicht könnte ich ihn später wieder einsammeln. Oder morgen, denn der Termin, der vor mir lag, hatte nichts mit arbeiten zu tun.

Bouldern. Sauna. Ausgehen. Klingt nicht nur gut, sondern optimal. Ich nahm mir fest vor, nicht so lange zu bleiben, damit ich morgen rechtzeitig meinen Fokus einsammeln konnte. Ich hörte ihn förmlich hinter mir kichern: „Du kannst mich ruhig aufs Sofa an den Kamin legen, da friere ich nicht so. Ich muss ja doch bis übermorgen warten.“

Als ich das erste Mal wieder an F. dachte, stieg ich aus der S-Bahn, hörte die Vögel zwitschern – es war nicht der Nachmittag des Folgetages. Um fünf Uhr früh schloss ich die Augen, nur um sie nur drei Stunden später erschrocken und mit hämmerndem Schädel wieder zu öffnen. Das Motto der Fete war: „Feiern wie mit 21“. Habe ich gemacht, war geil, war wie früher, Kater inklusive. An Arbeiten war nicht zu denken. Ok, aber morgen dann, ganz sicher. Mein Fokus schlief tief und fest.

Als es mir besser ging und ich einigermaßen ausgeschlafen war, verlegte ich meinen Kadaver auf die Hollywoodschaukel. Vorsorglich hatte ich die am Tag davor in die Sonne geschoben. Wer weiß, dachte ich da noch, vielleicht kann ich am Ende des (arbeitsreichen) Tages mit dem Fokus in der Sonne sitzen und Kaffee trinken. Jetzt genoss ich die Schwere der ersten Frühlingssonne, die sich auf mich senkte, schleckte mit meinem Mädchen ein Eis und schwatzte mit der Nachbarin. Das Leben kann so einfach sein, herrlich. Meinen Fokus vergaß ich auf dem Sofa. Ich glaube, mittlerweile lag er auch unter dem Sofa und schlief dort weiter.

Am nächsten Tag hatte ich zwar beim Aufwachen kurz an ihn gedacht, mir aber dann gesagt: „Ey Heli, es ist Sonntag!“ Lieber wollte ich im Garten den Frühling einläuten. Aber erst kam der Regen, dann der Hagel. Wir haben ausgiebig gefrühstückt und dann Zeitung gelesen. Ich habe Vögel beobacht, wie sie fröhlich über die nasse Wiese hüpften und schrieb (immerhin) diese Zeilen. Später gingen wir bei Oma und Opa Mittagessen. Und es gab auch noch Kuchen. Am Abend Tatort, morgen ist Montag.

Morgen stehe ich um sieben auf und setze mich an den Text, denn mittags habe ich ein Interview, das schnell geschrieben werden will. Morgen ist das Ding erledigt. Und dann frage ich mich, warum zum Teufel, kann ich die Dinge nicht mal direkt erledigen? Warum kommt immer etwas dazwischen?

Und dann weiß ich es, weil es schön ist, auch mal abzuschweifen. Weil ich dann die besten Sachen erlebe, weil mein Kopf dann anders rauscht. Ich hätte den Nachmittag ohne vorangegangen Kater nicht auf der Hollywoodschaukel verbracht. Ich hätte nicht den Regen beobachtet und ich hätte nicht diesen Rausch geschrieben. Und „wortrauschen“ beglückt mich immer so.

Was ich damit eigentlich sagen will: Genießt auch mal die Ablenkung, das macht leicht und lebendig,
Helen

PS: Es kam anders und es war gut so, denn dadurch habe ich mich von meinem eigenen Druck befreit, habe schöne Dinge erlebt, und war am Ende so fokussiert wie selten.

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