Mein Meditationskissen und ich
Mein Meditationskissen und ich verbringen jeden Tag eine halbe Stunde schweigend miteinander. Wir verstehen uns ohne Worte, könnte man sagen. Das würde ich gerne über mein Meditationskissen und mich erzählen. Die Wahrheit ist eine andere. Vor etwa einem Jahr habe ich es in einem christlichen Einkehrhaus gekauft. Dort gibt es täglich mindestens drei Gebetszeiten. Ich mag das sehr gerne, und es tut mir jedes Mal gut, wenn ich dort bin.
Das Meditationskissen ist eines der Dinge, die zeigen, wer ich gerne sein möchte. Wer das ist, fragst du? Eine Person, die ausgeglichen und ganz bei sich ist. Die Ruhe ausstrahlt und nicht dauernd „haben möchte“, sondern einfach „mehr ist“ – also es geht um das Sein. Eine Person, die schon mit einem Lächeln im Gesicht in den Tag startet. Die sich nicht von dem hektischen Draußen beeinflussen lässt. Die täglich auf ihrem Meditationskissen sitzt.
Meinem Meditationskissen sieht man es an, dass ich nicht ganz so bin. Es sieht noch wie neu aus. Mittlerweile fristet es sein Dasein auf einem Kasten. Ich frage mich, wieso ich es einfach nicht hinbekomme. Immer wieder lasse ich mich stark von dem Außen beeinflussen. Was ich mit Außen meine? Ich vermute, dass es hauptsächlich die Medien sind. In meinem Fall trifft es dann wohl vor allem auf Instagram zu, da ich dort am meisten Medienzeit verbringe.
Und dann kommt auch noch meine Persönlichkeitsstruktur dazu. Ich bin ein Scannertyp. Das heißt, ich bin vielseitig interessiert, möchte alles Mögliche ausprobieren. Aber nie bis zur Perfektion, denn vorher beginnt es mich zu langweilen, und ich wechsle wieder das Thema. Praktisch sieht es so aus, dass ich einen Online-Kurs nach dem anderen kaufe. Und meist hoffe ich dabei, dass ich dort mein großes Glück, besser gesagt, meine Passion finde. Aber dann kommt wieder die Langeweile, und ich mache mich erneut auf die Suche. Wobei suchen brauche ich da nicht wirklich, der Algorithmus von Instagram erledigt das schon für mich. Und so wusle ich in meinem selbstgemachten Hamsterrad herum.
Mein Meditationskissen und ich. Wie schön wäre es, wenn es eine Liebesgeschichte werden würde. Ich weiß, dass es mir sehr gut tun würde. Vielleicht lade ich es wieder einmal auf ein Date ein. Nur wir zwei und ganz ohne Worte.