Ein Morgenspaziergang im November
Mittwoch, sieben Uhr morgens. Wendy und ich machen uns auf zu unserer Morgenrunde. Heute habe ich Zeit. Vierzehntäglich ist mein Mittwoch ein schulfreier Tag.
Wendy und ich treten vor die Haustür. Es wirkt ungemütlich. Kalt und neblig. Mein Nachbar vom Nebeneingang hat es eilig. Ich nicht. Unendlich dankbar dafür.
Wendy ist trotz des Nebels ein Sonnenschein und kann es gar nicht erwarten, dass wir losgehen. Also raus aus dem Innenhof und rein ins Abenteuer mit uns.
VolksschülerInnen mit ihren Schultaschen kreuzen unseren Weg. Sie haben es scheinbar nicht eilig. Die Kinder schauen sich den Reif auf den Grashalmen genauer an. Man könnte meinen, dass sie bereits mitten im Sachunterricht stecken.
Wendy und ich gehen in die andere Richtung. Weg von den viel befahrenen Straßen, weg von den Menschen. Ich liebe die Ruhe. Der Nebel verstärkt das Gefühl von Ruhe.
Wir sind unterwegs Richtung Felder und Au. Auf unserem Weg kommen wir bei einem Bauernhof vorbei. Hier wird schon fleißig gearbeitet. Das automatische Tor vom Stall geht auf. Ein paar Kühe stehen bereits in Gruppen auf der Wiese. Wendy beobachtet sie interessiert.
Wir lassen den Bauernhof hinter uns und biegen auf dem Feldweg Richtung Au ab. Man hört eine Kuh muhen. Das ist Wendy gar nicht geheuer. Mit eingezogenem Schwanz reizt sie die Länge der Leine aus. Weg von hier, so schnell wie möglich.
Nicht mit mir. Ich möchte diese Stimmung bewusst wahrnehmen. Ich bleibe stehen und schaue mich um. Der Nebel lichtet sich nicht. Ich atme tief ein und wieder aus. Die Luft ist frisch und kühl. Im Gesicht spüre ich die leichte Feuchtigkeit vom Nebel. Es tut gut. Die Landschaft ist in eine grau-weiße Farbe eingetaucht. Ich mache mit meinem Handy ein paar Fotos. Wendy wartet geduldig.
Weiter geht es. Neben uns fließt ein Fluss. Ich höre das Wasser rauschen. Ich spüre die Ruhe in mir.
Eine Frau mit einem größeren Hund kommt uns entgegen. Der Hund ist über unsere Begegnung nicht so erfreut. Wendy bleibt ruhig. Meine kleine Maus. Zur Belohnung gibt es ein Futterstück.
Neben dem Fluss ist es deutlich kälter. Auf meinen Oberschenkeln und Knien kribbelt es. Hätte ich mich wärmer anziehen sollen?
Wendy ist wieder voll in ihrem Element. Vor und zurück, die Nase immer wieder am Boden. Habe ich schon erwähnt, dass sie ein Sonnenschein ist?
Bei der nächsten Abzweigung lassen wir den Fluss hinter uns. Wir gehen auf einem schmalen Spazierweg. Links von uns sind Felder, rechts ein paar Bäume. Laub liegt auf dem Weg. Ich nehme den Herbst mit allen Sinnen wahr. Das Laub raschelt leise unter meinen Füßen. Es hat die roten und orangen Farbtöne verloren und ist nur noch braun. Die Äste der Bäume und Büsche fühlen sich nass an. Man kann ihn riechen, den Herbst. Herbst duftet erdig und nach Laub. Auf den Bäumen hängen nur noch vereinzelt Blätter. Ich mache wieder ein Foto.
Unser Weg führt uns noch ein kleines Stück durch diese stille Landschaft. Gedanklich bin ich bereits beim Schreiben dieses Textes. Die Schreibwerkstatt „Meine kleinen Alltagsmomente“ soll mir helfen, mehr im Hier und Jetzt zu sein, achtsamer durch meinen Alltag zu gehen. Wenn ich während eines entspannten Morgenspaziergangs bereits gedanklich beim Niederschreiben dieses Moments bin, bin ich dann achtsam im Hier und Jetzt? Ich bleibe stehen, lasse die Fragen sacken und bewundere die neblige Landschaft.
Für heute und diesen Spaziergang kann ich meine Fragen mit Ja beantworten. Da ich gedanklich bereits beim Schreiben bin, schaue ich mich auch bewusster um. Versuche meine Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen. Halte Ausschau nach schönen Motiven. Ich bleibe immer wieder stehen, atme tief ein und wieder aus, und bin dabei unendlich dankbar für diese Momente.
Wendy möchte weiter. Ein paar Schritte noch und die Zivilisation hat uns wieder. Es ist Mittwoch. Man merkt es an der Geschäftigkeit der Menschen. Autos fahren an uns vorbei. Menschen, die zur Arbeit müssen oder ihre Kinder in die Schule bringen. Wendy und ich sind auf dem Heimweg. Ein entspanntes Frühstück wartet auf uns.