Und plötzlich geht mitten in der Nacht die Sonne auf
Auf einmal warst Du da.
Auf einmal schien mitten i (Si apre in una nuova finestra)m Nachtdienst die Sonne.
Der Nachtpfleger kam rein und ich programmierte gerade Geräte.
Das übliche Moin, die üblichen Sprüche und alles schien wie immer.
Doch er hatte eine Auszubildende dabei: Dich.
Du rauschtest mit ihm rein, lachtest mich fröhlich an und warfst ein fröhliches „Hallo, ich bin Johanna!“ in unsere eher müde Runde.
Und auf einmal war Stimmung in der Bude. Wir Altgedienten wussten nicht, wie uns geschah. Normalerweise rauschen hier so einige Mitarbeiter:innen rein, kommen zurück von bisweilen anstrengenden Pflegeeinsätzen und meistens hebt dann eine große Welle des Wehklagens ein. Pflege. Hausnotruf. Patienten. Die Stimmung im Arsch, das Geld zu wenig, der Verein unterstützt uns nicht und die Patient:innen werden immer schwieriger. Und so weiter. Auch jammern und Pöbeln scheinen einem unsichtbaren Drehbuch zu folgen.
Nicht mit Dir
Meine Kollegin und ich machten uns Stunden später auf die Suche nach einem Fieberthermometer. Das konnte ja nicht sein, denn kaum warst Du bei uns, war alles anders. Wir lachten zusammen, waren begeistert zusammen und wir wussten nicht mehr, wie uns geschah.
Du warst erst wenige Stunden bei uns. Und wolltest alles wissen. Nicht nur über die Pflege, nein auch über den Hausnotruf. Du wolltest sogar mitmachen beim Neuprogrammieren der Geräte. Dich interessierte einfach alles. Nicht in der Rolle der Auszubildenden, sondern als Mensch. Du wolltest einfach wissen, was wir tun und gleich mitmachen.
Wir waren derart verwundert, dass wir erst mal Fieber messen wollten. Irgendwas konnte hier nicht stimmen - jahrelang wird hier nur gepöbelt und plötzlich steht Frau Johanna vor uns und mitten in der Nacht geht die Sonne auf?
Weil Du so bist
Wir hatten in dieser und in den kommenden Nächten viel Zeit für wirklich intelligente Gespräche. Du bist gerade in den letzten Monaten Deiner Ausbildung zur Pflegerin und hast bis heute weder Deinen Mut, noch Deine Freude verloren. Ich fing an, Dich zu interviewen. Natürlich denke ich an Stichworte wie Resilienz, Prägung, Elternhaus und was mir noch so alles einfällt an Ausreden, wenn ich nicht glauben kann, was ich so erlebe: Ein junger Mensch, unglaublich interessiert, begeistert, neugierig und noch nicht vom medizinischen Wahnsinn zerstört. Wir haben dann herausgefunden, dass Du irgendwie einfach so bist: Fröhlich, neugierig und unglaublich liebenswert. Weder von zu Hause geprägt, noch aus Managementbüchern hast Du es, was Du lebst, sondern aus Dir selbst, aus Deinem Herzen. Und wenn das nicht mehr geht, so sagtest Du unmissverständlich klar, wechselst Du sofort die Richtung. „Mein Leben ist mir zu schade und zu wertvoll, um mich zerstören zu lassen!“
Du hast mich erinnert
Eine Woche Nachtdienst liegt hinter mir. Fünf Nächte mit Dir. Normalerweise, ich bin keine 18 mehr, strengt mich so eine Woche ziemlich an. Und was ist? Ich kam noch nie mit so viel Power aus so einer Woche wie dieser. Voller Kraft, guter Laune und Freude begehe ich mein Wochenende und kann nicht anders, als zu staunen:
Was wir alle wissen, wurde wieder einmal sichtbar. Ein einzelner Mensch kann die Laune und die Energie einer ganzen Gruppe zerstören, wenn er mies drauf ist und das auch gepflegt rauslässt. Das sind wir gewohnt und erleben es alle mehr oder weniger oft. Du aber, liebe Johanna, hast gezeigt, dass es auch umgekehrt geht: Ein einzelner Mensch kann auch eine ganze Gruppe heben, motivieren und aufopfern. WoooooooooooooW.
Gut, das wussten wir ja schon. Es ist allerdings noch mehr passiert:Du hast mich mit Deiner Art an mich selbst erinnert. Irgendwie war ich im Trott fast eingeschlafen, mäanderte durch die Tage und Nächte, hatte Spaß, miese Zeiten und funktionierte. Und dabei habe ich übersehen: Das war nicht mehr ich. Ich funktioniere nur selten einfach vor mich hin, sondern ich LEBE.
Daran hast Du mich erinnert. Du hast mich geweckt und mich spüren lassen, was ich nicht mehr will, vor allem aber, was ich wirklich wirklich will. Plötzlich weiß ich wieder, wer ich bin, was ich kann und wohin meine Wege mich führen werden. Wow, Johanna, ich bin immer noch sprachlos.
Vor Dir verbeuge ich mich demütig und dankbar und wünsche Dir, dass Du spannende Wege vor Dir hast und noch viele viele Menschen verzauberst und weckst.
—
P.S. 01:
Ach ja, Du hast außerdem derart berührend von Deiner Partnerschaft und Eurem Leben erzählt, dass ich alter Single plötzlich wieder Lust verspüre, jemanden zu finden. Womöglich ist dass das größte Wunder an unserer Begegnung.
P.S. 02:
Und nein, Du heißt nicht Johanna. Du hast einen anderen wunderschönen Namen. Aber weder Dein Gesicht noch Dein Name gehören an dieser Stelle ins Internet. Zu Deinem Schutz zeige ich Dich nicht, erzähle nicht zu viel Spezielles von Dir und nenne Dich nicht beim richtigen Namen. Man weiß ja nie, welche Chefs mitlesen 😉