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Der Bärenreport - Totgesagte leben länger

Von einem Bär, der ein Todesurteil erhielt und es einfach ignorierte

Im Moment schaffe ich nur Wohlfühlcontent und was böte sich da mehr an als zu erzählen, wie mein Kater seiner schlimmen Diagnose ins Gesicht lacht. Doch von Anfang.

Begonnen hat alles damit, dass mein Kater ohne Namen, den ich meistens Bärli nenne, beim Schnurren in Maulatmung ging. Ich dachte mir nichts dabei, er hat seit vielen Jahren Asthma, das in Schüben auftritt, und ich ging davon aus, dass es damit zusammenhängt. Anfang Dezember fiel mir dann aber auf, dass er auch ohne Schnurren schwer atmete. Der ganze Körper schien an der Atmung beteiligt zu sein. Als er dann auch noch aufhörte, mit mir zu kuscheln, zu spielen, zu miauen und die ganze Zeit nur noch in Bauchlage auf der Bettkante kauerte, rief ich meine Tierärztin an, die mich für denselben Tag einbestellte.

Das Röntgen ergab Wasser in Brust- und Bauchraum, Pleuraerguss und Ascites heißt das im Fachjargon, falls Ihr mal auf einer Cocktailparty damit angeben wollt. Der Kater bekam Tabletten zur Entwässerung und einen Freifahrtschein zur Kardiologin, den wir direkt am nächsten Tag einlösten.

Es zeigte sich, dass die Klappe, die Vorhof und Kammer des Herzens trennt, auf der rechten Seite undicht war. So undicht, dass das sauerstoffarme Blut, das eigentlich zur Sauerstoffanreicherung in die Lunge geleitet werden soll, müßig zwischen Kammer und Vorhof herumschwappte. Das Blut, das nicht zügig durch das Herz transportiert wird, staut sich in die Gefäße zurück, wo der Druck auf die Gefäßwände so hoch wird, dass Flüssigkeit wie durch ein Seihtuch in die Gewebe abgepresst wird. Um den Körper dennoch zu versorgen, schlägt das Herz immer schneller. Das hatte bei Bärli zu einer starken Größenzunahme der rechten Herzhälfte geführt. "Hochgradiges rechtsseitiges Herzversagen" stand im Bericht.

Wir bekamen allerlei Medikamente mit nach Hause, die den Blutdruck senken, das Herz beruhigen und überschüssiges Wasser aus dem Kater befördern sollten. Dazu den Hinweis, dass ich mir nicht allzu große Hoffnungen machen solle, da rechtsseitige Herzdefekte in der Regel schwerer medikamentös zu behandeln sind. Zwei Wochen sollte ich den Kater mit Tabletten füttern, dann würde sich zeigen, ob die Medikation wirkt.

Nach den beiden Praxisbesuchen weinte ich drei Tage lang in seliger Rotweinumarmung. Ich hatte mir vorgestellt, dass die beiden Katzen irgendwann alt und gebrechlich werden, nach und nach immer mehr Alterszipperlein bekommen und die Lebensqualität sukzessive abnimmt, so dass man als Halterin langsam innerlich Abschied nehmen kann. An eine von heute auf morgen lebensbedrohliche Krankheit hatte ich nicht gedacht.

Natürlich hat der Bär diese Krankheit schon lange. Damit ein Herz so aussieht wie bei ihm, muss es schon lange versucht haben, die undichte Herzklappe auszugleichen. Und das gelingt vielen Katzen bei Herzerkrankungen erstaunlich gut, man merkt ihnen meistens nicht an, dass ihnen drin ein Kampf ums Überleben läuft. Mein Bärli war das ganze Jahr über aktiv, im Frühjahr war ich wegen der Maulatmung schon einmal bei der Ärztin, die zwar den hohen Blutdruck feststellte, ansonsten aber keine auffälligen Herzgeräusche, die Aufschluss hätten geben können, dass er einen dringend behandlungsbedürftigen Herzdefekt hatte. Die Krankheit musste in gewisser Weise so schlimm werden, damit sie behandelt werden kann.

Ich weinte und weinte also, säuselte dem Kater wieder und wieder meine Liebeserklärungen mit Rotweinatem ins Gesicht, und hoffte. Hoffte so sehr, dass die Medikamente anschlugen. Und sie taten es.

Bereits drei Tage nach der ersten Tablette legte er sich abends zum ersten mal wieder in Seitenlage in meinen Arm. Er hielt das nur kurz durch – die Atmung ist in Seiten- und Rückenlage noch schwerer -, aber er tat es. Dann begann er, wieder mit mir zu reden. Nur sehr wenig anfangs, hier ein Vorwurf, da eine Beschwerde, aber er redete wieder. Auch putzte er sich wieder, vor allem Bauch und Po hatte er wegen der gekrümmten Körperhaltung länger nicht putzen können. Das gekochte Hühnerfleisch, das ich gekauft hatte, damit sein Leben – wenn es denn sein soll – möglichst lecker zuende geht, riss er mir gierig aus den Fingern.

Um Silvester herum bemerkte ich, dass er wieder etwas lethargischer war und blickte dem Kontroll-Ultraschall, das für den 03. Januar angesetzt war, sorgenvoll entgegen. Den aktuellen Befund – kein Wasser mehr in der Brust und kaum noch etwas im Bauch, Reduktion der Entwässerungstabletten – nahm ich beinahe ungläubig zur Kenntnis. Doch offenbar war es nur ein kleines Tief zum Jahreswechsel, denn seitdem geht es besser und besser.

Als ich meine Tierärztin vorgestern davon erzählte, war sie überrascht. "Es geht ihm besser als es bei seiner Diagnose der Fall sein sollte", sagte sie. Die meisten Katzen würden eine solche Diagnose nicht überstehen, weil die medikamentöse Entwässerung nicht anschlägt. Dann bliebe nur Punktion oder Einschläfern. Und eine Punktion zum Ablassen der Flüssigkeit ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn man die Einlagerung von Flüssigkeit im Griff hat, sonst läuft das Tier immer wieder voll. Wenn die Entwässerung also nicht funktioniere, würde man in der Regel einschläfern.

Und hier ist er, mein todkranker kleiner Herr. Er liegt abends wieder stundenlang in seiner Lieblingsbrezelhaltung in meinem Arm, erzählt tagsüber viel (vor allem, dass es ihm an Aufmerksamkeit und Liebe mangelt und ich überhaupt eine sehr schlechte Mutter bin), frisst wie ein Scheunentor und prügelt sich wieder mit seiner Schwester, dem Katzi ohne Namen, das ich meistens Mäuslein nenne. Er erkundet auch wieder Wohnung und Balkon, statt den ganzen Tag zu schlafen. Vor ein paar Tagen erwischte ich ihn zum ersten Mal seit langem dabei, wie er die Zoomies bekam und wie ein Verrückter durch die Wohnung galoppierte. Heute hat er zum ersten Mal wieder mit ganzem Körpereinsatz mit der Angel gespielt. Er stieg auf die Hinterbeine und langte mit ganzer Körperspannung mit beiden Pfoten nach dem kleinen Spielzeug an der Schnur. Und während ich hier tippe, sitzt er neben mir auf dem Tisch und meckert in einem fort aus vollem Hals, weil er nicht ins Schlafzimmer – das Gelobte Land – darf, denn das ist nur dann für die Katzen geöffnet, wenn ich mich auch darin aufhalte.

Die Krankheit ist unheilbar, er wird für den Rest seines Lebens Medikamente nehmen müssen, die die Folgen der undichten Herzklappe abpuffern und mildern. Und natürlich ist sein Verhalten nicht mehr ganz so wild wie früher, aber es ist wie früher, er tut die gleichen Dinge wie früher, zeigt die gleichen Zeichen von Leben und Freude (und Empörung) wie früher. Niemand weiß, wie lange dieses Hoch anhält. Es ist möglich, dass die Tabletten irgendwann einfach nicht mehr wirken, und niemand kann sagen, ob das in einer Woche oder in einem Jahr passiert.

Im Moment kann ich nur sagen: Hallo mein böser kleiner Bär, schön, dass Du wieder da bist. Deine lautstarken Vorwürfe darüber, dass meine ganze Existenz für Dich eine einzige Enttäuschung ist, klangen nie süßer in meinen Ohren.

Bei Twitter und Mastodon haben so viele von Euch mitgefiebert, dem Bär und mir Kraft und Mut und warme Gedanken geschickt. Das hier ist also auch Euer Verdienst. 

Danke.

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Argomento Kessel Buntes

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