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„Martin, mit welcher Kamera fotografierst du?“ 

Kürzlich fragte Jens auf Twitter nach der Technik hinter meinen Fotos – nach der Kamera, mit der ich arbeite. Ich antwortete mit den Markennamen der Geräte und das Thema war erledigt. Allerdings kam mir vor wie der Freund, der auf die Frage, wie es ihm geht, antwortet: „Gut.“ Und dann das Thema wechselt.

Das ist für niemanden zufriedenstellend – auch nicht für mich. Es gibt schließlich einen Grund, warum ich genau diese Kameras verwende und Geschichten, auf welchem Weg sie zu mir kamen. Und die werde ich euch nun in einer ausführlichen Antwort an Jens erzählen.

Lieber Jens,

vielen Dank für deine Frage. Ich kenne sie schon sehr gut. Menschen, die mir über längere Zeit folgen oder denen eins meiner Bilder gefällt, wollen wissen, mit welcher Kamera ich arbeite.

Obwohl ich gerne so tue, als ob Technik mir egal ist, frage ich mich das manchmal auch. Wenn ich auf Insta bei einer komplexen oder witzigen Straßenaufnahme hängen bleibe, wundere ich mich ebenfalls.  

Jens, ich weiß nicht, ob du an einer ausführlichen Antwort interessiert bist oder ob dir mein kurzer Tweet gereicht hat. Falls ersteres der Fall ist, kannst du gerne weiterlesen.

Die Große: Canon EOS 5D MK II

Ich hielt sie in meinen Händen und bekam Herzklopfen. 2008 war ich mit zwei Freunden nach Köln auf die weltweite Leitmesse der Fotografie gefahren: die Photokina.

Schon auf der Hinfahrt sprachen wir fasziniert von der neuen Vollformatkamera, die auf der Messe zum ersten Mal präsentiert wurde. „Boah ey, wenn die so gut ist, wie ich es mir vorstelle, dann kaufe ich sie mir“, sagte ich begeistert.

Ich wollte sie unbedingt haben. Drei Jahre lang fotografierte ich mit einem kleineren Vorgängermodell, der EOS 350D, deren Bildrauschen mich täglich an meine Grenzen brachte.

In Köln angekommen, wurschdelten wir uns durch die laute und völlig überfüllte Fotomesse mit hunderten Anbietern unterschiedlichster Foto-Gadgets. Nach einer viertel Stunde nerviger Suche standen wir plötzlich vor dem groß angelegten Ausstellungsstand des japanischen Unternehmens Canon.

Wenn ich mich richtig erinnere, hatte Canon die EOS 5D Mark II nicht nur ein, sondern fünfmal ausgestellt – und vor jeder einzelnen hatte sich eine Schlange vorwiegend männlicher Interessierter gebildet.

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich wohl das erste und das letzte Mal eine Fotomesse besucht hatte. Die vielen bunten Bildschirme, Leute in Wanderstiefeln und Rucksäcken und die alles übertönenden Sprecher aller möglichen Fotovorträge wurden mir schnell too much.

Plötzlich stand ich davor und nahm die EOS 5D Mark II in die Hand. Ich konnte es gar nicht glauben! Sie fühlte sich metallisch und robust an – und mindestens doppelt so schwer wie die 350er. Außerdem hatte sie mit 21 Megapixeln eine fast dreimal so große Auflösung. Ich blickte durch den Sucher und drückte ein paar Mal den Auslöser.

Wie gut sie roch! Wie groß das Display war! Wow! Obwohl ich nicht mehr loslassen wollte, legte ich sie meinem ungeduldig wartenden Freund in die Hände.

Auf der Rückfahrt wusste ich, dass ich sie kaufen würde – schließlich konnte ich es mir leisten. Vier Jahre zuvor erbte ich von meinem (viel zu früh) verstorbenen Vater.

Bis heute – 14 Jahre lang – ist die CANON EOS 5D II an meiner Seite. Ich dokumentierte mit ihr als Hochzeitsfotograf Menschen von ihrer Schokoladenseite, porträtierte Geflüchtete auf Sizilien und zog mit ihr durch die Straßen Berlins. Mit ihr fotografierte ich alle Journalist:innen von Krautreporter und meine Kinder. Sie gehört zu mir.

Die Kleine: Fujifilm X100s

Der laute Auslöseklang der Großen störte mich nach ein paar Jahren. Tag für Tag war ich mit ihr durch die Straßen Karlsruhes flaniert und immer wieder drehten sich Menschen um, lösten sich interessante Szenen in Luft auf. Warum? Weil meine Präsenz durch das laute KLACKLACK nicht zu überhören war.

Von Berichten über Straßenfotografen wie Matt Stuart und Joel Meyerowitz wusste ich, dass sie mit einer Leica-Sucherkamera fotografierten. Bei diesen ist das kleine Fenster, durch das man beim Fotografieren sieht, links oben verbaut und nicht in der Mitte der Kamera.

So kann mensch die Kamera ans rechte Auge halten – und das linke wird nicht verdeckt. Auf der Straße ist das wichtig, weil so das linke Auge frei ist und man den Rest einer Szene linker Hand sehen kann, während man fotografiert.

Doch eine Leica konnte (und kann ich mir bis heute) nicht leisten. Ich wurde bei Fujifilm fündig, die solche Sucherkameras mit der X100er-Serie für einen Bruchteil einer Leica produzierten. Und dabei ziemlich schick, sogar analog aussahen.

Sobald ich das Geld beisammen hatte, bestellte ich mir die Fujifilm X100s. Ich spürte keine starken Emotionen, als ich sie zum ersten Mal in meiner Hand lag, nein. Doch ich spürte sofort den Unterschied beim Fotografieren auf der Straße.

Ich arbeitete mich ins Menü und die vielen Möglichkeiten ein und stellte fest, dass es eine Einstellung gibt, in der man den Auslöser überhaupt nicht (!) hört.

Oh! My! God! Mit einem Mal fühlte ich mich in der Stadt vollkommen unsichtbar.

Um noch weniger aufzufallen, klebte ich auf die hellen Stellen der Kamera schwarzes Gaffa-Tape. Das ich, nun ja, ein halbes Jahr später wieder abzog, weil ich wieder sehen wollte, wie sie „wirklich aussieht“. Tolle Idee, Herr Gommel.

Heute fotografiere ich mit der X100s hauptsächlich tagsüber, weil das Bildrauschen bei höheren ISO-Werten unerträglich ist. Auch praktisch: Sie passt in meine Gürteltasche und das erspart mir das Schleppen schwerer Ausrüstung.

Das Unauffällige: iPhone XS

Seit Handys mit kleinen Kameras ausgestattet werden, fotografiere ich damit. 2013 legte ich ein Jahr lang alles Kameras zur Seite und fotografierte ausschließlich mit dem iPhone. Anbei zwei Beispiele. 

Mit dem iPhone trage ich immer eine Kamera bei mir. Theoretisch. Auch nach icks Jahren Smartphone-Fotografie und diversen Projekten wie meine Schwarzweiß-Serie weiß ich sehr genau, dass mein Handy niemals meine Kameras ersetzen kann.

Das hat schlussendlich viel mit Sensorgrößen und Glas zu tun, mit offenen und geschlossenen Blenden und Schärfentiefe – weiter möchte ich an dieser Stelle nicht ausholen.

Lieber Jens, ich hoffe, dass dir meine ausführliche Antwort weitergeholfen hat. Für weitere Fragen melde dich gern: martin@krautreporter.de