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Seelsorge: Das schlechte Gewissen, wenn ein zweites Kind zur Welt kommt

Hallo liebe Sina. 

Nun habe ich mich gerade getraut und mein steady Paket upgegradet um die Erlaubnis zu haben, diese E-Mail zu schreiben.

Bitte verzeihe die tippfehler, ich nutze die spracheingabe während ich mein zweites Kind in der Trage schaukle. Und genau das ist auch mein Anliegen: mit meiner ersten Tochter habe ich eine sehr enge Bindung, und habe sie immer sehr eng begleitet. Das ging teilweise bis zur selbstaufgabe und irgendwie haben wir uns trotzdem für ein zweites Kind entschieden dass nun seit 4 Wochen auf der Welt ist.

Und seitdem steht unsere Welt Kopf. Ich glaube dass das auch normal ist, dennoch Zweifel ich immer noch täglich an unserer Entscheidung für ein zweites Kind, wenn ich sehe wie sehr die große (fast drei Jahre) mich noch braucht und wie viel stärker ihre Wutanfälle und auch meine Ausraster geworden sind, seit die kleine auf der Welt ist.

Ich erinnere mich, dass du auch schon mal in Beiträgen oder stories erwähnt hast, dass du zu deiner ersten Tochter so eine "symbiotische" Bindung hattest, bevor sie große Schwester wurde und jetzt würde mich einfach interessieren, welche Impulse du mir auf den Weg geben kannst, damit ich mich nicht ständig zerrissen fühle zwischen dem schreienden Baby und der fordernden dreijährigen und wie du es geschafft hast, Talita ihren Platz in der Familie finden zu lassen, so dass sie sich damit als große Schwester wohl fühlt. Natürlich fordere ich nicht, dass du eure persönlichen Details preisgibst nur vielleicht hast du ein paar Ideen wie wir diese Krise nach der Geburt ein bisschen erträglicher für uns alle gestalten können. Ist es eine Frage des mindsets? Denke ich zu negativ über die Geburt der kleinen Schwester? Geht es hier um radikale Annahme? Und wie soll ich beide morgens fertig machen und die Große in die Kita bringen? Welche atemtechniken wendet man da bitte an ;-) die letzte Frage ist vielleicht nicht ganz ernst gemeint da geht es nur um die Gedanken die ich mir schon mache wenn ich in einigen Wochen nach der Elternzeit des Papas lange Zeit mit beiden alleine bin. Wie du siehst gibt es da noch viel klärungsbedarf und viel Gedankenkarussell auch wenn ich eigentlich entspannen könnte. Schreib mir gerne ob du denkst dass das ein Fall für eine längere Begleitung ist, dann grade ich das Paket noch mal up.

Ansonsten würde ich mich riesig über eine Antwort freuen auch wenn diese nicht alle Fragen und Unsicherheiten abdecken kann. Ich danke dir für deine tolle Arbeit hier auf steady und auf Instagram und wünsche dir alles Gute,

M.

 

Liebe M.,

 

zunächst mal: das ist alles völlig normal. Ich kenne soso viele Beispiele aus meinem Bekanntenkreis, wo Mehrfachmamas sagen, dass natürlich das 1. Kind eine krasse Umstellung ist und das Leben auf den Kopf stellt, aber die Umstellung vom 1. auf das 2. Kind allein deswegen eine schwierige Umstellung ist, einfach weil man so extrem in Selbstzweifel gerät. Ich muss auch ab und zu mal schmunzeln ohne das böse zu meinen, aber es wimmelt auf Insta nur so von ratgebenden und "coachenden" Mamis, die sich Bedürfnisorientierung auf die Fahne geschrieben haben und wirklich wundervolle Ratschläge geben, wie man Konflikte löst usw. Natürlich ist das alles richtig und vorbildlich und aller Ehren wert, aber mit zwei Kindern laufen die Uhren einfach noch mal etwas anders. 

Man groovt sich mit dem ersten Kind ein, findet Routinen, findet eine Art Erziehungsstil bzw. Art das Kind zu begleiten. Und gerade in der bedürfnisorientierten Szene steht ja der Aufbau einer Eltern-Kind-BEZIEHUNG ganz im Fokus. Ich glaube manchmal, dass die ersten Kinder einen lehren, wie Beziehungsaufbau in Perfektion gelingen kann (überspitzt) und die zweiten Kinder einen lehren, dass es gute Beziehung auch jenseits jeder Perfektion zwischen Scheitern und Versagen geben kann. Oder wie Jesper Juul schreibt: Kinder brauchen Eltern, die das Risiko eingehen, sich wie Menschen aus Fleisch und Blut zu benehmen. Und wenn man zwei Kinder hat, ist es einfach mal ein Fakt, dass die Bedürfnisse dieser beiden Kinder NICHT immer deckungsgleich sind und du nicht beiden Kindern gleichermaßen gerecht werden kannst. 

Aber das ist nicht schlimm und muss nichts sein, was dir Angst macht. Ich kann dir aus meiner Erfahrung mit vier Kindern sagen: Es wird mit jedem Kind schlimmer, man wird mit jedem Kind etwas unfähiger und man lernt mit jedem Kind etwas gnädiger mit sich selbst zu sein. Und meine Meinung ist: Daran wächst die ganze Familie, weil es einen riesen Haufen negativer Emotionen zutage fördert und das die Lektionen sind, die im Leben wirklich entscheiden. Deine große Tochter lernt Gefühle von Enttäuschung und Wut kennen. Und das ist gut und richtig. Wutanfälle sind nicht "schlimm" oder "böse" und schon gar nicht ein Zeichen dafür, dass bei euch etwas schief läuft oder dass du etwas falsch gemacht hättest. Leider fühlen sich Eltern, deren große Kinder bisher sehr kooperativ waren und plötzlich so deutliche Wut und Aggression zeigen, schnell unter Druck und versuchen diese Emotionen zu deckeln oder empfinden in ihrem Selbstzweifel massiven Stress. Da darfst du dir wirklich immer wieder sagen: Es ist alles okay. Das ist normal, das darf sein und es ist absolut richtig, dass Kinder Frust erleben, mitbekommen, dass diese Gefühle sein dürfen, dass SIE sein dürfen und sie lernen, dass in Krisenmomenten die Verbindung nicht abbricht. Das sind Lektionen, die für ein gesundes seelisches Aufwachsen total wichtig sind. Ich habe gerade heute noch gelesen, dass früher die angepassten Kinder (vornehmlich Mädchen) gerne gelobt und als "normal" angesehen worden sind, dies aber die heute 40jährigen sind, die nie gelernt haben, ihre Wut und ihren Frust rauszulassen und zu integrieren, und jetzt als Erwachsene Frauen in der Lebensmitte zu kämpfen haben mit Depressionen und aus ihren Lebensbezügen ausbrechen, weil in der Anpassung plötzlich das Maß voll war und alles explodiert. 

Freu dich, wenn deine Große wütend ist - das bedeutet, dass sie einmal vermutlich eine seelisch gesunde Frau sein wird, die für sich einstehen kann. Ebenso darfst du in solchen Momenten deine Wut zeigen. Nichts hat mir so sehr den Spiegel vorgehalten und mir gezeigt wie ich bin, wie die Auseinandersetzungen mit meinem älteren Sohn. Da war Wut, die ich an mir nicht mochte, da waren plötzlich die ollen, bösen, erpressenden Sätze, die ich mir mit Talita noch verkniffen habe... Aber ganz ehrlich: Es hat so gut getan mir einzugestehen, dass ich keine perfekte Mama bin und scheiß-blöde Fehler mache. Es hat so gut getan mir einzugestehen, dass ich in der Theorie großartig und in der Praxis manchmal eine verdammte Anfängerin mit zwei linken Händen bin. Es hat so gut getan, meine Kinder um Verzeihung bitten zu müssen und zu sehen, dass sie verzeihende Menschen mit großem Herzen werden und Menschen, die sich nicht zu schade sind, ebenfalls Fehler einzuräumen und um Verzeihung zu bitten. Der Umgang mit diesen "Schatten" und das Annehmen dieser blöden Seiten und der Unfähigkeit ist so unglaublich wichtig. Ich glaube C.G. Jung hat die Frage gestellt: "Willst du richtig oder ganz sein?" - Und ich muss ehrlich sagen: Ich war als Mama mit einem Kind häufiger richtig. Aber alle weiteren Kinder haben mich ganz gemacht.

Ja, es gab die Momente, wo ich Talita (die 30 Minuten eine Engelsgeduld bewiesen hatte, als ich ihren kleinen Bruder in den Schlaf begleitete) angeschnauzt habe, ob sie nicht mal einen kleinen Moment Geduld haben könne. Ja, ich habe ihr die Schuld gegeben und so idiotische Sachen gesagt wie "So. Und weil du uns jetzt gestört hast, wird das mit dem Schlafen noch länger dauern und du bist selbst schuld, wenn wir heute nicht mehr spielen!" Und es war gut, dieser Bad-Mom in mir zu begegnen und die Perfektions-Allüren goobye zu küssen und ihr zu sagen "Boah, Talita, da war ich richtig fies zu dir!" Jupp... ich habe sie mit dem Fernseher bekannt gemacht, damit ich im Nebenzimmer meine Ruhe habe zum Stillen - und ich bin mit ihr und dem kleinen Bruder schlafend in der Trage zum Spielplatz gegangen und musste mir ihr trauriges Gesicht anschauen, wenn ich gesagt habe "Nein, ich kann mit dem Kleinen im Tragetuch nicht dieses und jenes spielen." Und dennoch ist unser Verhältnis heute ungebrochen eng. Wir lieben uns heiß und innig und man sieht es in den Stories ja manchmal aufblitzen: Talita ist wahnsinnig liebevoll und fürsorglich gegenüber ihrer jüngsten Schwester.

Als praktischen Rat kann ich dir nur eins mitgeben (und das ist kein Tool, das "funktioniert", aber etwas, das manch eine Situation vielleicht etwas abfängt - zumindest für das Gefühl der großen Kinder). Kinder lieben es und schätzen es, wenn sie gebraucht werden. Wenn du es schaffst, das zu kommunizieren, ohne dabei Druck aufzubauen, kann sich deine Große gewertschätzt fühlen inmitten von blöden Gefühlen, die sie manchmal aushalten muss. Ich habe manchmal gesagt "Natürlich musst du nicht und wenn du jetzt wütend auf mich bist, ist das auch völlig okay. Wenn du noch eine Moment wartest, hilft mir das in diesem Moment sehr." Dann ist sich in etwas Geduld üben keine Pflicht und keine Erwartung, sondern eine Möglichkeit mit dir connectet zu bleiben. Und wenn es nicht harmonisch läuft, dann pfeift ihr euch beide mal übel an und müsst euch beieinander entschuldigen und wachst auch daran. 

Und ein letztes: Es sieht auf Insta immer so leicht und harmonisch aus und ich sage zum Schutz meiner Kinder nicht öffentlich, was hier manchmal für Ausraster an der Tagesordnung sind. Aber ich habe hier schon einen Eiergroßen Flummi an den Kopf bekommen, mir ist schon dutzendfach vor die Füße gespuckt worden und Geschirr wurde zerschmissen – von mir. Ich habe erlebt, dass ein Kind wegläuft und ein anderes aus Protest eine Flasche O-Saft in der Küche leert... ich glaube ich kenne ALLE Formen von kindlichen Ausrastern. Und möchte mal vorsichtig sagen: ist normal. Das wichtigste ist, gemeinsam Scherben aufzukehren und dafür zu sorgen, dass niemand nach Momenten des Versagens das Gesicht verlieren muss.

 

ich wünsche dir alles Liebe und vermute, dass du das richtig großartig machst und das Verhältnis zu keinem deiner Kinder leiden wird.

 

Alles Liebe, 

 

Sina

 

 

 

 

 

 

 


 

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