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Ich möchte widersprechen

»Ich versuche es aus Selbstschutz zu verdrängen«, schreibt mir ein Freund. Und eine Freundin: »Ich verdränge es massiv.« Und ich frage mich: Wie geht das? Ich kann es nicht. Ich kann nicht nicht daran denken, dass ein Krieg droht. Oder, mehr noch, dass er schon da ist.

Während ich noch Angst vor einem Krieg habe, höre ich den Podcast »Lakonisch elegant«, in dem der Musiker und Autor Yuriy Gurzhy (Si apre in una nuova finestra) sagt: »Der Krieg läuft, er ist schon da. (…) Und dieser Krieg kennt keine Grenzen. Europa ist klein — wenn es eskaliert, werden wir es spüren.« Und es fühlt sich beschissen an, mir erst Sorgen zu machen, wenn es mich selbst betrifft. Wenn ich darüber nachdenke, wie ich meinem Kind diesen Krieg erklären soll. Im Radio läuft »Nie wieder Krieg« von Tocotronic und es fühlt sich alles so weird an. Eine Freundin schreibt: »Wir können ja eh nichts tun.«

Loslassen ist am schwersten, wenn der Abschied nicht selbst gewählt ist. Ich nehme in diesen Tagen Abschied von meiner Hoffnung.

»Die Leiden der privilegierten weißen Frau«, werden vielleicht Menschen denken, deren Leben die Hoffnung seit Jahren, seit Jahrzehnten oder schon immer nicht zulassen. »Der Hoffnungslosigkeit zum Trotz«, schreibt Şeyda Kurt (Si apre in una nuova finestra) zum zweiten Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau.

Ich weiß nicht, was ich tun kann, aber ich weiß, dass ich nicht schweigen will. Deshalb möchte ich widersprechen. Ich widerspreche einem Bundeskanzler, der die Opfer des rassistischen Anschlags nur beim Vornamen nennt. Ich widerspreche einem Diskurs, der sich darüber beschwert, dass keine Frauen an einem Waffenhändlertisch sitzen, statt über die Waffen zu diskutieren. Ich widerspreche einer Erinnerungskultur, die den Zugehörigen nicht erlaubt, selbstbestimmt zu trauern. Ich widerspreche einem Krieg und nicht nur einem, sondern allen. Ich widerspreche einem Selbstschutz, den sich nicht alle leisten können.

Ich würde gerne der Hoffnungslosigkeit widersprechen — aber ich weiß nicht, wie.

Der Text erschien am 20. Februar 2022 auf meinem Instagram-Account (Si apre in una nuova finestra). Das Foto von mir hat Oğuz Yılmaz gemacht.

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