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Blaue Stunden, blaue Wellen

Trauern kennt keine Logik, keine Zeit. Über den Umgang mit dem Tod meines Vaters und das türkisleuchtende Ozeanblau des Mittelmeers

(Illustration: Elisabeth Moch)

 

Das Wasser in der Bucht ist so blau, dass es künstlich aussieht, wenn man es fotografiert. Der Himmel ein helleres, mit weißen Wölkchen durchsetztes Blau. Weiße Boote ankern in der Bucht, von denen Leute ins Wasser springen. Der stille Trubel des bewegten, vom Rest der Bucht abgetrennten Strands eines Luxushotels. Das Buch, das ich gerade lese, fällt zur Seite, ich kann mich nicht konzentrieren. Ich bin auf Sizilien, in Toarmina, einem der schönsten Orte der Welt und soll eine Geschichte über die Stadt und ihre historischen Grand Hotels schreiben, aber ich kann mich, wie gesagt, nicht konzentrieren. Ich übernachte in einer mit alten, eleganten Möbeln ausgestatteten Suite, mit Acqua-di-Parma-Fläschchen im Bad und dem bequemsten Bett, in dem ich je geschlafen habe. Die Suite ist in etwa so groß wie meine Berliner Wohnung und kostet dreimal so viel pro Nacht wie diese im Monat. Ich könnte sie mir niemals leisten. Elisabeth – meine Begleitung, die die Geschichte illustriert – und ich werden zu unserer Bootstour abgeholt. Der Strandconcierge geht voran, mit unseren Obsttellern auf einem Tablett, an blendend weißen Sonnenliegen und -schirmen vorbei.

Ich kann mich nicht konzentrieren, weil ich immer wieder an meinen Vater denken muss. Oder vielmehr, weil ich versuche, nicht an ihn zu denken. Vor etwas mehr als zwei Monaten ging ich gerade für eine Lesung auf die Bühne, als mein Telefon vibrierte. Es war meine Mutter und ich wusste, warum sie anrief, ein Teil von mir hatte schon lange damit gerechnet. Ich drückte den Anruf weg, stellte das Telefon aus, setzte ein Lächeln auf und absolvierte die Lesung mit aller Professionalität, die mir zur Verfügung stand. 

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