Der unabhängige Mann
… ist ein Mythos!
Medien verbreiten ihn weiter, und das bei weitem nicht nur durch dystopische Hollywoodfilme, sondern genauso durch Alkohol- oder Sneaker-Werbung, durch binäre Kinderbuchgeschichten oder unlustige Comedynummern und TikTok-Trends.
Dem Mythos sitzen immernoch zu viele Männer und genauso Frauen auf. Dabei kennen wir alle einen Mann, der nach dem Tod seiner Frau nicht alleine klar kommt. Viele sterben sogar kurz danach. Bei der Mehrzahl steigen die Töchter und Nachbarinnen mit ein und stemmen in einem zweiten Haushalt die MentalLoad, die vorher seine Frau getragen hat! Studien zeigen, dass verheiratete Männer gesünder leben und am glücklichsten sind, wenn sie in einer Paarbezeihung leben (während bei Frauen das Glück einzieht, wenn sie alleinlebend und kinderlos sind (Si apre in una nuova finestra).)
Trotzdem haben die wenigsten Männer dieses Wissen verinnerlicht, es gehört nicht zum aktuellen, gesellschaftlichen Bild vom Mann: Niemand ist unabhängig von der Fürsorge anderer! Wir alle brauchen Menschen, die sich um uns kümmern. In den ersten und den letzten Lebensjahren ganz besonders, aber im Grunde fast jeden Tag. Doch im Bild vom unabhängigen Mann steht das Geld im Vordergrund und im Subtext steckt die Angst, sich emotional abhängig zu machen (von einer Frau, natürlich! Schließlich war Eva Schuld…).
Mein Vorschlag deshalb für eine Botschaft an Söhne:
"Werde unabhängig… ”
in Haushaltsdingen! Lerne, dass es immer Phasen geben wird, in denen du abhängig sein wirst, von der Fürsorge anderer - auch und grade in einer Partnerschaft. Sorge aber dafür, dass du dich nicht auf der Care-Arbeit und Fürsorge anderer ausruhst, sondern lerne, dich zu kümmern, um dich selbst, und um andere! Das wird dein Leben verlängern"
Das Pendant: "Werde finanziell unabhängig!"
Die Version, bei der es ums Geld geht, ist angekommen bei Männern. Söhne lernen es vor allem im beruflichen Kontext, hier wird sie nur anders formuliert: “Du muss mal eine Familie versorgen können!” Traurig, wenn Berufswünsche unter diesem Anspruch vergraben werden müssen. Und interessant, dass viele Frauen die explizite Version “werde finanziell unabhängig” vor allem auch von ihren Vätern gehört haben. Weil viele sie inzwischen umsetzen, lässt sich mit Blick auf die letzten Jahrzehnte feststellen: "In Sachen Gleichstellung sind wir heute ja um einiges vorangekommen". Das stimmt aber eben nur halb!
Was ich mir deshalb für die Zukunft wünsche:
Männer, die sich rückblickend an den Appell ihrer Eltern erinnern,
Übe dich im Kümmern. Lerne, was Care-Arbeit bedeutet! Lerne, dich selbst zu versorgen! Mach dich nicht abhängig vom Care-Wissen Deiner Partnerin, damit du alleine klar kommst, wenn sie mal nicht da ist - vor allem wenn Ihr Kinder habt, vor allem auch im Alter! Und wenn du Care-Arbeit auslagerst an andere, dann bezahle sie fair!
Diese Botschaft zur Unabhängigkeit fehlte in den letzten Jahrzehnten - sie war weder Anliegen der Gleichstellungspolitik, noch ein Erziehungsziel für Söhne. Die Blickrichtung war: "Frauen in den Beruf!" Und dem fehlt bis heute an noch sehr vielen Stellen das Pendant: Männer in Care!
Foto ©Cayetano Gil via unsplash (Si apre in una nuova finestra)
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