Zwanghaftes, übermässiges Nachfragen und zu viele Gedanken bei ADHS
Ehrlich geschrieben: Ein Teil meiner Klienten kann ganz schön anstrengend sein.
Wie ein kleines Kind können einige meiner Patienten mir quasi Löcher in den Bauch fragen. Und hören und hören nicht auf.
Nun freue ich mich natürlich, wenn ich über Informationsvermittlung mich nützlich machen kann (sonst würde ich ja auch nicht diesen Blog bzw. ADHSSpektrum schreiben oder Webinare und Kurse veranstalten). Aber bei diesen Klienten fehlt das rechte Maß.
Ist Nachdenken nicht besser als vorschnelle Entscheidungen treffen?
Eigentlich unterstellt man ja bei ADHS eher, dass man zu schnell, zu oberflächlich im Wahrnehmen und Denken ist. Also ein eher assoziativ gelockerter, hüpfender Denk- und Wahrnehmungsstil.
Aber wie so häufig bei diesem Syndrom der Extreme gilt auch das genaue Gegenteil, das zwanghafte Gedankenmachen ("overthinking"). Das geht über Grübeln (im Sinne von "worry") häufig hinaus, ja kann schon schwer von Zwangsgedanken oder einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung zu unterscheiden sein.
Sind Sie ein Grübler? Verbringen Sie viel Zeit damit, über Dinge nachzudenken, die passieren könnten oder von denen Sie sich wünschen, dass sie anders verlaufen wären? Wenn ja, dann denken Sie vielleicht zu viel nach.
Ein gewisses Maß an Sorgen kann zwar hilfreich sein, um uns zu motivieren, Maßnahmen zu ergreifen und Probleme zu lösen, aber wenn es zu viel wird, kann es unser tägliches Leben beeinträchtigen. Wir können uns dabei ertappen, wie wir uns über Details den Kopf zerbrechen oder uns auf Worst-Case-Szenarien fixieren. Es fällt uns vielleicht schwer, Entscheidungen zu treffen oder Maßnahmen zu ergreifen. Vielleicht beginnen wir sogar, Situationen zu meiden, die uns Angst machen.
Übermässige Gedanken , Hyperfokus auf das letzte Detail und kognitive Flexibilität
Unter dem Gesichtspunkt der Exekutivfunktionen ist "Overthinking" wohl am ehesten als Problem der Kognitiven Flexibilität zu sehen. Zwar können ADHSler sehr kreativ und flexibel sein, wenn es um ANDERE geht. In Hinblick auf das eigene Gehirn bzw. Denken kann man aber gerade unter Alarm bzw. unangenehmen Gefühlszuständen quasi immer weiter ins Detail bzw. den Perfektionismus getrieben werden, obwohl man das sogar selber als völlig übertrieben und negativ erlebt.
Der Hyperfokus auf das Detail ist dann so ausgeprägt, dass quasi eine magnetische Denk- und Wahrnehmungsproblematik uns am Problem bzw. dem letzten Detail des Details "kleben" lässt.
Wenn man dann seiner Partnerin oder Partner, Arbeitskollegen oder anderen Menschen im Umfeld immer mehr Details zu einem Erlebnis oder aber einer Fragestellung aus der Nase ziehen will (obwohl derjenige vielleicht gar nicht mehr Informationen selber über das Thema zur Verfügung hat) und einfach nicht aufhören KANN, dann wird es für Aussenstehende einfach lästig. Es nervt.
Zumal man häufig die gleichen Fragestellungen (aus einem geringfügig anderen Blickwinkel) immer und immer wieder (scheinbar neu) beantworten soll.
Gibt es Unterschiede zwischen dem übermässigem Überdenken und Zwangsgedanken- und Zwangshandlungen?
Zwischen Overthinking und OCD gibt es definitiv einige Unterschiede. Zum einen ist "Overthinking" ein allgemeiner Begriff, der auf jeden angewendet werden kann, der dazu neigt, zu viel nachzudenken. Die Zwangsstörung hingegen ist eine spezifische Angststörung, die durch Zwänge und Zwanghaftigkeit gekennzeichnet ist.
Übermäßiges Nachdenken kann oft zu Angst und Stress führen, da Menschen dazu neigen, über Dinge nachzudenken, die sie nicht kontrollieren können. Dies gilt insbesondere für Menschen, die mit Zwangsstörungen zu kämpfen haben, da sie aufdringliche Gedanken haben können, die sich nur schwer abschütteln lassen. Zum Beispiel könnte sich jemand mit Zwangsstörungen zwanghaft Sorgen machen, dass dem eigenen Kind etwas zustört, auch wenn es gesund ist. Und dann die Zwangshandlung von Händewaschen gar nichts direkt mit der Gesundheit des Kindes zu tun hat. Dies kann zu einer Menge Angst und Stress führen.
Zwangsstörungen können auch sehr lähmend sein, da sie das tägliche Leben beeinträchtigen können. So kann es sein, dass jemand mit einer Zwangsstörung bestimmte Rituale durchführen muss, um sich von seinen Ängsten zu befreien. Dies kann es schwierig machen, zur Arbeit zu gehen, Kontakte zu knüpfen oder sogar das Haus zu verlassen.
Zwangsgedanken und Zwangsrituale sind häufig dem Klienten als widersinnig bzw. störend bekannt. Sie wiederholen sich häufig, obwohl es für die Situation nicht passend ist. Das Wiederholen gibt aber auch eine Form von Sicherheit. Das Unterlassen der Zwangsgedanken(ketten) bzw. Zwangshandlungen löst dann erst die Spannungen und Missbehagen auf.
Anders beim übermässigen Denken und Grübeln. Da erscheinen die Gedanken zwar als übermässig häufig und intensiv, grundsätzlich aber passend zur Frage- und Problemstellung.
Was kann man nun tun, wenn man unter dem übermässigen Denken / Overthinking bei ADHS leidet?
Wenn Sie mit übertriebenem Denken oder Analysieren von Situationen zu kämpfen haben, sind Sie nicht allein. Es handelt sich um ein häufiges Problem, das mit Hilfe eines Therapeuten oder Coach angegangen werden kann.
Es ist wohl die Domäne der kognitiven Verhaltenstherapie. Ich selber wende dann auch gerne Methoden zur Acceptance- und Commitment-Therapie bzw. Schematherapie an. (Und natürlich Emoflex (Si apre in una nuova finestra) als Übersetzung der Gedanken und damit assoziierten Gefühle) in Bilder.
In der Zwischenzeit finden Sie hier einige Tipps, wie Sie Ihr übermäßiges Denken in den Griff bekommen:
1. Seien Sie sich Ihrer Gedanken bewusst.
Der erste Schritt besteht darin, dass Sie sich Ihrer Gedanken bewusst werden. Wenn Sie sich dabei ertappen, dass Sie sich Sorgen machen oder grübeln, treten Sie einen Schritt zurück und beobachten Sie Ihre Gedanken, ohne sie zu bewerten. Worauf sind Sie fixiert? Wovor haben Sie Angst?
2. Stellen Sie Ihre Gedanken in Frage.
Sobald Sie Ihre Gedanken erkannt haben, können Sie sie in Frage stellen. Sind sie wirklich wahr? Berücksichtigen Sie alle Beweise? Verstärken Sie das Negative und bagatellisieren Sie das Positive?
3. Konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart.
Eine Möglichkeit, das Grübeln zu beenden, besteht darin, sich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren. Wenn Sie feststellen, dass Ihre Gedanken abschweifen, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder auf das, was Sie gerade tun. Nehmen Sie den Anblick, die Geräusche und die Gerüche um Sie herum wahr. Spüren Sie Ihren Körper und die Empfindungen, die er erfährt.
4. Werden Sie aktiv.
Wenn Sie in Ihrem Kopf feststecken, kann es hilfreich sein, aktiv zu werden. Das kann dazu beitragen, dass Sie im gegenwärtigen Moment verankert sind und ein Gefühl der Kontrolle bekommen. Selbst wenn die Maßnahme, die Sie ergreifen, nichts mit dem Problem zu tun hat, über das Sie zu viel nachdenken, kann sie dennoch hilfreich sein, um Sie aus dem Kopf zu bringen.
5. Versuchen Sie nicht, alles zu kontrollieren.
Einer der Hauptgründe, warum wir zu viel nachdenken, ist, dass wir alles kontrollieren wollen. Wir wollen wissen, was passieren wird, und wir wollen in der Lage sein, schlechte Dinge zu verhindern. Aber die Wahrheit ist, dass wir nicht alles kontrollieren können. Und das ist auch gut so.
6. Übe dich in Achtsamkeit.
Achtsamkeit ist ein Zustand, in dem man präsent ist und seine Gedanken und seine Umgebung wahrnimmt, ohne sie zu bewerten. Sie kann hilfreich sein, um übermäßiges Denken in den Griff zu bekommen, denn sie ermöglicht es Ihnen, Ihre Gedanken zu beobachten, ohne sich in ihnen zu verfangen.
7. Akzeptieren Sie, dass Sie nicht immer alles wissen können.
Ein Teil des Überdenkens ist der Wunsch, alle Antworten zu haben. Wir wollen wissen, was passieren wird, und wir wollen das Ergebnis kontrollieren können. Aber die Wahrheit ist, dass wir nicht immer alles wissen können. Und das ist auch gut so.
8. Lassen Sie den Perfektionismus los.
Perfektionismus ist ein weiterer häufiger Grund für übermäßiges Nachdenken. Wir wollen, dass alles perfekt ist, und wir machen uns Vorwürfe, wenn es nicht so ist. Aber die Wahrheit ist, dass Perfektionismus ein unerreichbares Ziel ist. Lassen Sie das Bedürfnis nach Perfektion los und gönnen Sie sich etwas Gnade.
9. Geben Sie sich Zeit.
Wenn Sie sich von Ihren Gedanken überwältigt fühlen, kann es hilfreich sein, sich etwas Zeit zu lassen. Nehmen Sie Abstand von der Situation und machen Sie eine Pause. Gehen Sie spazieren, lesen Sie ein Buch oder sehen Sie sich einen Film an. Tun Sie etwas, das Sie von Ihren übermäßigen Gedanken ablenkt.
10. Suchen Sie sich professionelle Hilfe.
Wenn Sie Schwierigkeiten haben, Ihre Grübeleien selbst in den Griff zu bekommen, scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Therapeut oder Berater kann Ihnen helfen, die Ursache für Ihr übermäßiges Denken zu verstehen und Ihnen Werkzeuge an die Hand geben, um es zu bewältigen.