Biomarker bei ADHS - gibt es objektive Marker für ADHS ?
Die spannende Welt der Biomarker: Wie sie uns helfen, ADHS besser zu verstehen
Was sind Biomarker und warum sind sie wichtig?
Ein Biomarker ist wie ein biologisches Hinweisschild, das uns zeigt, was im Körper vor sich geht. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Auto, das seltsame Geräusche macht. Der Mechaniker nutzt spezielle Werkzeuge, um die Ursache zu finden. Ähnlich können wir Biomarker nutzen, um Erkrankungen wie ADHS besser zu verstehen. Sie helfen uns dabei:
ADHS früher zu erkennen,
bessere Behandlungsmöglichkeiten zu finden, und
den Verlauf der Erkrankung zu beobachten.
Bisher wird ADHS hauptsächlich durch Gespräche und Tests diagnostiziert. Doch das kann schwierig sein, weil viele Kinder ähnliche Symptome haben. Biomarker könnten die Diagnose erleichtern, indem sie objektive Anhaltspunkte liefern.
Gibt es schon beweisende Tests?
Trotz intensiver Forschung gibt es bislang keinen Biomarker oder Test, der ADHS eindeutig nachweisen oder ausschließen kann. Die Krankheit bleibt eine klinische Diagnose, basierend auf Gesprächen, Verhaltenstests und Berichten aus dem Umfeld des Kindes. Biomarker bieten jedoch spannende Möglichkeiten, diese Diagnosen zukünftig zu unterstützen und präziser zu machen.
Die drei Hauptkategorien der ADHS-Biomarker
Wissenschaftler haben drei große Gruppen von Biomarkern untersucht, die für ADHS relevant sind:
Hormone und andere körperliche Stoffe
Epigenetik (Veränderungen in der Genregulation)
Das Mikrobiom (Bakterien im Darm)
Lassen Sie uns diese Bereiche genauer anschauen.
1. Hormone: Die chemischen Botenstoffe im Körper
Hormone steuern viele Prozesse in unserem Körper. Bei ADHS haben Forscher einige interessante Veränderungen entdeckt:
Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEA-S)
DHEA-S ist ein Hormon, das mit der Stressregulation zusammenhängt. Kinder mit ADHS haben oft niedrigere Werte dieses Hormons. Studien zeigen, dass ein Mangel an DHEA-S mit impulsivem Verhalten verbunden sein kann.
Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG)
SHBG ist ein Protein, das Sexualhormone wie Testosteron transportiert. Es wurde festgestellt, dass Jungen mit ADHS niedrigere SHBG-Werte haben, was Einfluss auf ihre Verhaltensweisen haben könnte.
Appetithormone
Hormone wie Orexin, Leptin und Ghrelin beeinflussen nicht nur den Hunger, sondern auch die Gehirnfunktion. Kinder mit ADHS zeigen oft niedrigere Werte dieser Hormone, was sich auf ihre Konzentration und Aufmerksamkeit auswirken könnte.
Wichtiger Hinweis zu Hormonen
Während diese Hormonveränderungen Hinweise auf ADHS geben könnten, sind sie keine eindeutigen Beweise. Viele dieser Werte können auch durch Stress, Schlafmangel oder Ernährung beeinflusst werden.
2. Epigenetik: Wie unsere Gene gesteuert werden
Unsere Gene bestimmen, wie unser Körper funktioniert. Doch sie sind nicht unveränderlich. Die Epigenetik untersucht, wie Umweltfaktoren wie Stress oder Ernährung die Genaktivierung beeinflussen können.
DNA-Methylierung
Dies ist eine chemische Änderung an der DNA, die die Funktion von Genen steuert. Kinder mit ADHS zeigen Veränderungen an bestimmten DNA-Abschnitten. Zum Beispiel wurde bei Kindern mit schwacher Aufmerksamkeit eine spezielle Veränderung im Gen LIME1 festgestellt.
MicroRNAs (miRNAs)
miRNAs sind kleine Moleküle, die Gene ein- oder ausschalten können. Forscher haben entdeckt, dass bestimmte miRNAs bei Kindern mit ADHS häufiger vorkommen. Eine davon, miR-140-3p, beeinflusst Bereiche im Gehirn, die für Konzentration wichtig sind.
Was bedeutet das für die Praxis?
Epigenetische Veränderungen könnten uns helfen, ADHS besser zu verstehen. Aber auch hier gilt: Solche Marker sind momentan noch keine Garantie für eine Diagnose. Sie zeigen lediglich, wie Umwelt und Gene zusammenwirken könnten.
3. Das Mikrobiom: Die Rolle des Darms
Wussten Sie, dass unser Darm und unser Gehirn eng verbunden sind? Diese Verbindung nennt man die „Darm-Hirn-Achse“. Im Darm leben Milliarden von Bakterien, die unsere Gesundheit beeinflussen. Bei ADHS scheinen diese Bakterien eine besondere Rolle zu spielen.
Veränderungen im Mikrobiom
Kinder mit ADHS haben oft eine andere Zusammensetzung der Darmbakterien als andere Kinder. Eine häufigere Bakterienart ist zum Beispiel Sutterella stercoricanis, die auch mit Ernährungsgewohnheiten zusammenhängt.
Darm-Leakage (undichte Darmbarriere)
Wenn die Darmwand durchlässig wird, können Stoffe in den Körper gelangen, die dort Entzündungen auslösen. Bei Kindern mit ADHS wurden höhere Werte solcher Stoffe gefunden, was ihre Symptome verschlimmern könnte.
Probiotika als Therapie
In einer Studie erhielten Kinder mit ADHS ein Probiotikum (Bifidobacterium bifidum). Nach 12 Wochen zeigten sie eine bessere Aufmerksamkeit und weniger Impulsivität.
Grenzen der Mikrobiom-Forschung
Obwohl diese Ergebnisse vielversprechend sind, ist die Mikrobiom-Forschung noch jung. Nicht alle Kinder mit ADHS zeigen dieselben Veränderungen, und viele andere Faktoren wie Stress oder Ernährung spielen eine Rolle.
Warum gibt es noch keinen eindeutigen Test?
ADHS ist eine sehr komplexe Erkrankung. Es gibt nicht „den einen“ Marker, der ADHS beweisen oder ausschließen könnte. Stattdessen handelt es sich um eine Kombination vieler kleiner Hinweise, die zusammen ein Bild ergeben. Die Forschung an Biomarkern ist ein spannender Schritt in Richtung objektivere Diagnosen, aber sie ersetzt nicht die Erfahrung und Einschätzung eines Arztes oder Therapeuten.
Was bedeuten diese Erkenntnisse für Eltern?
Neue Hoffnung bei der Diagnostik: Biomarker könnten zukünftig helfen, ADHS objektiver zu erkennen.
Individuelle Behandlungen: Therapien könnten besser auf das Kind abgestimmt werden – z. B. durch gezielte Ernährungsänderungen oder Hormonausgleich.
Bessere Kontrolle: Biomarker können zeigen, ob eine Therapie wirklich hilft.
Wichtig zu wissen: Auch wenn Biomarker spannende Ansätze liefern, bleiben Gespräche mit Fachärzten, Lehrern und Therapeuten entscheidend.
Fazit: ADHS verstehen und gezielt handeln
Die Forschung zu Biomarkern steckt noch in den Kinderschuhen, aber sie bietet viel Potenzial. Eltern könnten bald von genaueren Diagnosen und personalisierten Behandlungsansätzen profitieren. Gleichzeitig bleibt ADHS eine Erkrankung, die individuelle Aufmerksamkeit erfordert. Es lohnt sich, diese spannenden Entwicklungen im Blick zu behalten!
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LG Martin
Quelle: Lee, S.-Y., Wang, L.-J., & Yen, C.-F. (2025). Identification of diagnostic and therapeutic biomarkers for attention-deficit/hyperactivity disorder. The Kaohsiung Journal of Medical Sciences. https://doi.org/10.1002/kjm2.12931