Wer nichts ändert, ändert nichts
Ich bin dann mal ratlos...
Immer wieder buchen mich Eltern oder auch Erwachsene ADHSler quasi für "last minute" Aufgaben im Coaching. Sie stecken beispielsweise mitten in einer Examensprüfung bzw. im Physikum für das Medizinstudium, im Abistress oder in sonstigen Aufgaben, die in aller Regel nicht in 14 Stunden Crashkurs oder Binge-Lernen zu meistern sind. Sind ja gerade Abiklausuren, da erlebe ich es natürlich nochmal stärker.
Oder sie arbeiten halt freiberuflich (z.B. im IT-Bereich) und haben sich in ihrem eigenen Perfektionismus bzw. Ansprüchen an Genialität der Lösung so verzettelt, dass keine Zeile Code mehr zusammen passt. Und eine Abgabe des Projektes von Minute zu Minute unwahrscheinlicher wird. Sprich : Es wäre einfacher und vielleicht schneller, wenn man JETZT ganz von vorne anfangen würde...
Kenne ich ja von meinem Studium nicht anders. Mache ich ja nicht besser. Oder vielleicht : "machte" ich nicht viel besser. Denn inzwischen bilde ich mir nicht mehr ein, dass ich quasi gegen die Grundgesetze von Zeit und Energie es vielleicht doch noch hinbekommen kann, nur weil ich es hinbekommen muss.
Schon gar nicht 5 Minuten nach 12.
Nur..... Sie möchten einen Rat bzw. Organisationstips, die dann zu weniger Selbstausbeutung bzw. einem totalen Erschöpfungsbild (neurodivergenter Burnout) führen, möchten (bzw. aus ihrer Sicht KÖNNEN) aber exakt NICHTS ändern.
Zumindest nicht in dem Sinne, dass nun Ratschläge von einem ADHS-Coach als Umsetzungscoach auf Grundlage von Wissen und Erfahrungen in diesem Bereich genutzt werden könnten. (Wie du sicher weisst : ADHSler reagieren meist in diesen Situationen eh so allergisch auf solche Ratschläge, wie vielleicht ein Transplantat bei einer Op als Fremdkörper abgestossen wird...)
Also eher das Gegenteil: Wir verschlimmbessern dann in diesen Situationen noch die Lage, weil wir ja schliesslich für eine paar Tage so unproduktiv und nicht leistungsfähig waren, dass wir JETZT angeblich die ganzen Rückstände aufholen sollen / müssen / können. Mit der Folge, dass wir garantiert in die totale Selbsterschöpfung geraten.
Sprich : Statt Aufteilung des Arbeitspensums wird noch eine Schippe drauf gelegt.
Statt gezielter Pausen wird die Dauerbelastbarkeit noch ins Extrem geführt und über 4-
8 h ohne Pause durchgepaukt.
Ich könnte zig Beispiele nennen, die ich auch meist noch verstehe. Was es nur leider nicht besser macht.
Denn schliesslich ist es verdammt schwer, wieder in "die Zone" des Lernens bzw. der Handlungsfähigkeit zu kommen, wenn man erst unterbrochen wird bzw. notgedrungen wegen Toilettengang, dem Pizzadienst an der Tür oder störende Eltern (später dann Lebensgefährten?) aus der scheinbaren Produktivität gerissen wird.
Leider ist das aber FAKE. Denn produktiv im Sinne von Arbeitsleistung oder gar Lernen ist es meist überhaupt nicht.
Ich gebe zu : Häufig kann es klappen, dass man dann last minute doch noch die Prüfung besteht. Aber dann darf man sich auch nicht wirklich wundern, wenn Energie und vor allem auch Stimmung im Sinne einer ständigen Dysphorie / Gereiztheit bzw. depressiven Grundstimmung quasi im absoluten Erschöpfungsbereich liegen (das hat übrigens auch wohl viel mit der Polyvagal-Theorie zu tun, wie unser Gehirn bzw. Organismus auf solche Dauerstress-Belastungen in relativen Entspannungsphasen bzw. bei einem so ungünstigen Daueralarm reagiert).
Aber wie denn dann?
Die meisten Selbstorganisationsbücher oder You-Tube Empfehlungen verschlingen ja nur weitere Zeit und ggf. Geld. Denn wenn man sich an die guten Tips halten könnte, die man ja eh schon kennt oder lange auf Empfehlung von Tante Frieda oder dem Kumpel aus dem Fittness-Club ausprobieren musste und für untauglich erachtet hat, dann hätte man ja kein Problem. Und eben auch kein ADHS...
ADHS ist eine Performance-Problematik. Also : Es ist nicht ein Problem des Wissens, sondern des Umsetzens.
Leider kommt aber uns die eigene Zeitblindheit bzw. auch die Problematik der Unterteilung von Zeiten (vorausschauendes Planen und dran HALTEN, was man sich für die Arbeits- und Prüfungseinteilung vorgenommen hat) in die Quere.
Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
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