Guten Morgen, Syrien-Politik!
Es sind erstaunliche Dinge, die sich in den vergangenen Tagen in Syrien zugetragen haben. Für dortige Verhältnisse vergleichsweise friedlich haben Rebellengruppen das morsche Regime der Assads gestürzt.
Wie schnell es am Ende ging, wie wenig strukturierten Widerstand das Regime noch zu leisten im Stande war, all das sagt viel über die Einschätzungsfähigkeiten westlicher Dienste und Experten aus ("But after successfully capturing Aleppo and Hama, the rebel forces will face military, social, and governance challenges as they move south" schrieb Qutaiba Idlbi beim Atlantic Council noch am Freitag (Opens in a new window); "Assad regime could fall within days" hieß es noch am Samstag laut CNN aus US-Regierungskreisen (Opens in a new window)).
Innenpolitisch allerdings machen es sich die einschlägigen Verdächtigen wieder einmal leicht: Könnte man denn nicht jetzt massenhaft nach Syrien abschieben? Kurz gesagt: Nein.
Denn weder wäre Syrien in seinem jetzigen Zustand in der Lage, eine größere Menge Rückkehrer zu versorgen. Noch ist damit aus anderen Gründen zu rechnen — vor allem aufgrund der Unberechenbarkeit der weiteren Entwicklung.
Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz ansetzt und sagt:
Viele haben nicht nur Hoffnung, sondern natürlich auch Sorgen. Sie fragen sich, wie es jetzt weitergeht
hätte eine Botschaft an die hier lebenden Syrerinnen und Syrer kommen können. Kam aber nicht — zumindest keine, die ihre akuten Fragen betrifft.
Im Ergebnis wäre eine massenhafte Rückkehr in Deutschland lebender Syrer aus deutscher Sicht dabei vor allem eines: ziemlich dumm und folgenschwer.
Um all das soll es deshalb in dieser Ausgabe gehen, die aus aktuellem Anlass ein paar Dinge vorsortiert.
In diesem Sinne: Alles Gute, Syrien -- und Guten Morgen, Berlin.
Falk Steiner
Syrien-Politik: Was nun, was tun, was besser nicht?
Zuallererst - und noch einmal am Ende dieses Textes - steht die Frage, die derzeit niemand abschließend beantworten kann: Was ist Haiat Tahrir al-Scham ("HTS") heute eigentlich? Also jene Gruppe, die nun den Kampf gegen Assads Kräfte angeführt hat und historisch teilweise aus der Jabhat-al-Nusra hervorging? Die sich als Organisation mit lokalen, sunnitisch-dschihadistischen Wurzeln einst als lokaler Ableger Al-Qaidas sah?
Derzeit ist vollkommen unklar, ob die HTS, die sich für die Machtübernahme mit anderen Akteuren verband, neben der Beseitigung Assads auch weiterhin anti-schiitische, anti-drusische, anti-jüdische Absichten verfolgt. Zwar gibt sich die Führung derzeit gemäßigt -- angeblich wurde der selbsternannten schiitischen Schutzmacht Iran sogar zugesagt, dass die schiitischen Heiligtümer unter den Schutz der HTS gestellt würden. Aber ob das dauerhaft so sein wird? Wie viel Frieden kann nun entstehen? Was im Frieden wachsen? Gerade für Deutschland ist das eine wichtige Entwicklung.
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