Emotionen für Politik
2. August 2024
Liebe Lesende,
können Sie sich an Ihr erstes Date in der Disko erinnern? Oder an Ihre Jugendweihe? Wie sehen die Säle, in denen das stattfand, heute aus? Vielleicht stehen sie noch in schönster Blüte? Vielleicht gibt es aber auch nicht viel mehr davon als Ihre Erinnerungen… Mit genau solchen soll in Königs Wusterhausen jetzt Politik gemacht werden. Weil Riedels Gasthof in Neue Mühle so viele Einwohner mit schönen Erinnerungen verbinden, soll die Stadt einen Kauf des Gasthofs prüfen, mindestens aber dessen Erhalt. Das schlägt die CDU vor. Die AfD möchte den Denkmalschutz bemühen und darüber einen Abriss des Gasthofes verhindern. Diesen strebt die jetzige Eigentümerin, die PSD-Bank, an und möchte an dessen Stelle Wohnungen bauen samt neuer Gastronomie. Über das Thema wird am Montag in einer Sondersitzung der Stadtverordneten diskutiert.
UPDATE, 2.8., 16 Uhr: Die SVV wurde abgesagt, weil es bei der Einladung zur Konstituierenden Sitzung einen Formfehler gab, teilt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) die Stadtverwaltung mit.
Als Außenstehender reibt man sich verwundert die Augen: Ausgerechnet der Denkmalschutz wird angerufen, um den Gasthof zu erhalten, also jene Behörde, die bei anderen Vorhaben immer wieder als Bremser von Investitionen empfunden wird? Tatsächlich hatte die Denkmalschutzbehörde eine In-Schutz-Stellung bereits 2021 abgelehnt, berichtete Dezernentin Heike Zettwitz im jüngsten Kreistag. Kurz zuvor habe es eine Anzeige des geplanten Abrisses gegeben, woraufhin der Landkreis aktiv geworden sei und die Landesbehörde um Denkmalschutz ersucht habe. Mit der Ablehnung seien dem Landkreis nun weitgehend die Hände gebunden, so Heike Zettwitz. Man könne allenfalls ”Naturschutz- und artenschutzrechtliche Prüfungen vornehmen und ein Handbuch zu Beseitigung des Abbruchmaterials” ausreichen.
Nun pocht ausgerechnet die AfD darauf, dass der Denkmalschutz nochmals ausführlich geprüft werde. ”Viele Einwohner haben hier über die Generationen vereint hier wichtige Lebensereignisse erlebt, seien es die ersten Liebeleien getroffen als auch den Bund fürs Leben eingegangen. Daher ist das Gesamtensemble von Schleuse bis Riedels bis hin zu den althergebrachten Häusern auf der Seite des Tiergartens bis zum Segelverein unter Denkmalschutz zu stellen”, heißt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) es in der Begründung der Beschlussvorlage für die nächste Stadtverordnetenversammlung. Interessant wird diese Vorlage zusätzlich, wenn man sich das “Regierungsprogramm” genannte Wahlprogramm der AfD für das Land Brandenburg anschaut. Unter dem Titel ”Den Denkmalschutz ernst nehmen” wird ausgeführt, dass dem Denkmalschutz eine ”bedarfsgerechte finanzielle Förderung gewährt” werden müsse. Zugleich solle die ”Vielzahl an unnötigen und somit hinderlichen Vorschriften für potenzielle Investoren und in der Folge leerstehende Ruinen” geändert werden. ”Unflexible denkmalschutzrechtliche Bestimmungen verhindern jedoch oftmals die Nutzung leerstehender Gebäude, so dass diese zwangsläufig verfallen.”
Im Fall von Riedels Gasthof war es indes ausgerechnet nicht der Denkmalschutz, der die Nutzung über Jahre verhindert hat. Bevor der jetzige Pächter aus “Hoenckes Altes Wirtshaus” nach Neue Mühle zog, stand der Gasthof zwölf Jahre leer. Warum, das erschließt sich beim Lesen der Ausführungen des Investors auf seiner Homepage (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): Bausünden und teilweiser Verlust historischer Bausubstanz hätten zum jetzigen Zustand geführt - der sowohl unter wirtschaftlichen als auch energetischen Gesichtspunkten und aus Sicht des Brandschutzes nicht tragbar (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) sei. Große Flächen erforderten einen hohen Personaleinsatz und erzeugten hohe Nebenkosten, das habe bereits mehrere Pächter in die Flucht geschlagen.
Der in vielen Kommentaren in Sozialen Medien beschworene Aufschwung der Gastronomie in den vergangenen Monaten ist nach Informationen des Investors dem Umstand zu verdanken, dass der Pächter nur einen symbolischen Pachtzins zahle. ”Das, worauf sich die schönen Erinnerungen beziehen (großer historischer Tanzsaal, großer Biergarten), existiert in der Form nicht mehr”, schreibt der Investor. ”Die alte Bausubstanz besteht schon seit Jahren nur noch als ein Bruchteil.” Die PSD Bank wolle ”die Tradition weiterführen und das Ensemble aus verschiedenen Baustilen und Epochen wieder in eine Zukunft für viele Generationen transformieren”. Man ”weder einen Komplettabriss noch eine abgeschlossene Wohnanlage”, so der Investor weiter, er wolle sogar ein historisches Feldsteingebäudes als Teil des Gasthofes erhalten.
Gleichwohl bietet die PSD-Bank als ”Reaktion auf die zahlreichen Bürgerstimmen und politischen Appelle vor Ort” der Stadt den Rückkauf der Fläche an. Das unterstützt offenbar die CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung. Die Stadtverwaltung solle ”sämtliche Maßnahmen” ergreifen, um den Weiterbetrieb von Riedels Gasthof ab 2025 zu ermöglichen und einen Abriss des Gasthauses zu verhindern, fordert (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) sie in ihrem Antrag. Sie will erreichen, dass der Gasthof erst dann abgerissen wird, wenn eine Baugenehmigung vorliegt. Dazu soll der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan in der SVV gefasst und mit einer Veränderungssperre belegt werden. Ebenso möchte die CDU-Fraktion, dass der Denkmalschutz erneut sowie ein Kauf des Areals durch die Stadt geprüft werde. Der geplante Abriss habe ”nicht nur in den Kreisen der Stadtverordneten, sondern in der gesamten Stadtbevölkerung und darüber hinaus Entsetzen und Unverständnis” hervorgerufen. Durch die Pläne des Investors gingen ”der Charakter des Lokals und ein Ort mit dem unsere Einwohner viele schöne Erinnerungen verknüpfen (...) unwiederbringlich verloren”.
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