Die AfD und Elon Musk
Oha,
22 Prozent der 24 bis 29-Jährigen würden, laut der vergangene Woche vorgestellten Studie (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) “Jugend in Deutschland 2024”, die AfD wählen. Im letzten Jahr waren es zwölf Prozent. Dabei handelt es sich nicht um eine Wahlprognose, sondern um eine Trendanalyse.
Die Jugend in Deutschland - das waren doch diejenigen, von denen wir immer dachten, sie seine ach-so-woke? 👀
“Die Annahme, dass die Jungen links sind, ist falsch”, sagt Klaus Hurrelmann - Sozialwissenschaftler und Mitautor der Studie. Sowohl die aktuelle als auch vergangene Studien zeigten, dass “die Jugend” immer pessimistischer werde - ein Abwärtstrend, der sich auch nach der Corona-Pandemie nicht legt.
Inflation, Krieg in Europa und Nahost, die “Spaltung” der Gesellschaft - all das bereitet ihnen Sorgen. Hinzu kommen psychische Belastungen wie Stress, Erschöpfung oder Selbstzweifel. Die AfD hat auf viele dieser Ängste einfache Antworten und ist insbesondere auf Tiktok präsent (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), das immer noch eine Plattform für jüngere Menschen ist.
Gefordert wird deshalb von der Bundesschülerkonferenz: mehr Medienkompetenz-Lehre in den Schulen und bessere Aufklärung zum Thema Rechtspopulismus.
Wir tragen unseren Teil dazu bei und schauen heute auf die AfD und ihre Dialoge mit Elon Musk. Unterstützt unsere Arbeit für 1,50 Euro / Ausgabe!
Liebe Grüße!
Maria und Johannes
Was ist passiert?
“Dear Elon Musk, this event is just one out of many disturbing developments in Germany. Please feel invited to my office in the German Bundestag at your earliest convenience to discuss in further detail.”
Das hat kürzlich Alice Weidel auf dem Kurznachrichtendienst X geschrieben.
Sie reagierte damit auf einen Kommentar von Elon Musk, der sich zu einem Video geäußert hatte, das eine von Islamisten organisierte Kundgebung in Hamburg zeigte.
Laut NDR (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) handelte es sich bei dem Anmelder der Kundgebung um einen Mann, der der Gruppierung “Muslim Interaktiv”nahestehen soll. Diese wird vom Hamburger Verfassungsschutz (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft.
Auf der Kundgebung wurden vor allem Medien kritisiert, die angeblich “Hetzkampagnen” gegen Muslim Interaktiv fahren würden – so schreibt es der NDR. Es habe aber auch mindestens ein Plakat gegeben, das die Aufschrift “Kalifat ist die Lösung” trug.
Vermutlich hat sich Elon Musk darauf bezogen, als er schrieb: “Surely demanding overthrow of the government in Germany is illegal?” (In etwa: "Die Forderung, die Regierung zu stürzen, ist in Deutschland sicherlich illegal?")
Auf diese Suggestivfrage reagierte AfD-Chefin Alice Weidel mit dem eingangs zitierten Tweet. Sie ist nicht die Einzige aus ihrer Partei, die in den vergangenen Monaten öffentlich mit Elon Musk kommunizierte.
Warum sie das macht, darum geht es in dieser Woche.
Wer spricht da?
Alice Weidel ist Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der AfD. 1979 in Gütersloh geboren, wuchs sie mit ihren zwei Geschwistern - der Vater Handelsvertreter, die Mutter Hausfrau - und ihrem Dackel im Münsterland auf.
Sie machte ein Doppelstudium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Bayreuth, das sie als Jahrgangsbeste abschloss. 2011 promovierte sie als Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Rentensystem in China.
Nach dem Studium arbeitete Weidel unter anderem für die Investmentbank Goldman Sachs und im Vorstandsbüro der Vermögensverwaltungsgesellschaft Allianz Global Investors in Frankfurt am Main. Eine ihrer Auslandsstationen war China, wo sie insgesamt sechs Jahre tätig war. Für kaum sechs Monate war sie beim Nahrungsmittelkonzern Heristo AG in Bad Rothenfelde angestellt, ehe man sich “gütlich trennte”, wie der Spiegel schreibt.
2013 trat sie in die AfD ein, die damals vor allem für ihren EU- und Euro-kritischen Kurs bekannt war. Zu den Gründungsfiguren zählten viele Ökonom:innen - auch Weidels Doktorvater. Weidel profilierte sich vor allem mit wirtschaftspolitischen Themen und zählte zu den fundamentalistischen Eurokritiker:innen, die für einen Ausstieg Deutschlands aus dem Währungsraum plädierten. Auch deswegen wurde sie beim offenen Führungskampf 2015 zwischen Gründungsmitglied Bernd Lucke und Frauke Petry, die heute beide nicht mehr in der AfD sind, dem marktliberalen Lucke-Lager zugerechnet. Doch Weidel bewies besondere Biegsamkeit in ihrer Loyalität und wechselte “noch rechtzeitig (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” ins Petry-Lager mit dessen Unterstützung sie in den Bundesvorstand gewählt wurde.
Wieder zwei Jahre später, (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) 2017, ist es Petry selbst, die an der Parteispitze ins Wanken gerät und Alice Weidel, die an ihrer statt als heißer Tipp für die Parteivorsitzende gilt. Gemeinsam mit Petry war Weidel zunächst eine treibende Kraft hinter einem Partei-Ausschlussverfahren gegen Björn Höcke, mit dessen “völkischem Gerede” sie nichts anfangen konnte. Nach Petrys Austritt aus der Partei wurde Weidel zur Co-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag und zur Beisitzenden im Parteivorstand gewählt. Dieser Parteivorstand beschloss einstimmig, das Ausschlussverfahren gegen Höcke nicht weiter zu verfolgen.
Melanie Amann schreibt im Spiegel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): “Im Machttableau der Rechtspopulisten ist Weidel die Rolle der gemäßigten Liberalen zugewiesen, sie soll den letzten Rest der braven Lucke-AfD verkörpern, die bürgerliche Wähler noch mit Zahlen und nicht mit Stammtischparolen locken wollte.”
Doch der Aufstieg verläuft nicht ohne Probleme: Schweizer Zeitungen machten publik, dass Weidel gar nicht in Deutschland lebt, sondern in einer Kleinstadt nahe Bern. Die Welt publizierte eine angebliche Mail von Weidel, in der sie Politiker als “Schweine” und “Marionetten der Siegermächte” schmäht - die AfD dementiert. Zuletzt meldete die Zeit, dass ausgerechnet die scharfe Flüchtlingskritikerin Weidel eine syrische Asylbewerberin bei sich habe putzen lassen.
Konsequenzen gibt es keine. Aber Weidel verändert ihre Polit-Performance: Den geschliffenen Habitus, den sie zu Beginn nach außen trug, ersetzte sie im Wahlkampf 2017 durch einen provokanteren Ton. Sie verließ beispielsweise eine ZDF-Talkshow aus Protest und inszenierte sich und ihre Partei als Opfer des öffentlichen Diskurses. Der Nebeneffekt: Die oben genannten Enthüllungen deutete Weidel zu Belegen einer vermeintlichen medialen Kampagne gegen sich um.
Dass sich ihre Realität recht biegsam gestaltet, zeigt auch Weidels Lebensentwurf: Sie lebt in einer lesbischen Partnerschaft mit einer Frau mit srilankischen Wurzeln - ihre beiden Kinder sind dunkelhäutig. Für die AfD besteht das Idealbild einer Familie jedoch darin, dass Mann und Frau Kinder großziehen. Eine Adoption von homosexuellen Paaren lehnt sie ab.
Wer sich die weiteren Positionen der AfD zu diesem Thema anschauen will, findet ein Dossier beim Schwulen- und Lesbenverband (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Darin heißt es: “Ob mit oder ohne Weidel – die AfD ist eine unberechenbare, radikale und zutiefst homophobe Partei.” Weidel dient an der Führungsspitze vielmehr als Feigenblatt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): Sie soll zeigen, dass die AfD angeblich auch für andere Lebensformen offen ist.
Ein ehemaliger Nachbar von Weidel sagt gegenüber dem Spiegel: “Mich befremdet es, dass Alice sich in unserer toleranten Stadt in ‘alternativen Kreisen’ bewegt und dann zu euch rüberfährt zum Hetzen.”
Der erste und offensichtliche Beweggrund hinter einer Interaktion mit Elon Musk auf X, seinem sozialen Netzwerk, dürfte dieser sein:
1️⃣ Aufmerksamkeit
Das Video der Kundgebung in Hamburg, das Elon Musk kommentiert hat, stammte ursprünglich von Nius. Der Plattform also, über die der Medienkritiker Stefan Niggemeier (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) kürzlich schrieb: “Nius ist kein seriöses journalistisches Medium, das lässt sich an vielen einzelnen Beispielen zeigen: Nius denkt sich Dinge aus, Nius schreibt ab, Nius stellt Menschen bloß. Tatsachen werden verdreht, bis sie ins eigene Weltbild passen und sich als Empörungsmacher einsetzen lassen.”
Das Video hat mittlerweile rund 50 Millionen Views erreicht. Sicherlich mithilfe des Kommentars von Elon Musk. Wer also mit ihm interagiert, gewinnt ein großes Publikum für die eigene Agenda, die eigenen Inhalte.
Das ist kein Wunder. Zumindest, wenn man einem Platformer-Bericht (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) aus dem vergangenen Jahr glaubt. Damals wurde berichtet, dass Musk den X-Algorithmus anpassen ließ, um seine eigenen Beiträge zu pushen:
“Der Algorithmus erhöhte Musks Tweets künstlich um den Faktor 1.000 - ein konstanter Wert, der dafür sorgte, dass seine Tweets im Feed höher rangierten als die aller anderen. Intern wird dies als ‘Power-User-Multiplikator’ bezeichnet, der allerdings nur für Elon Musk gilt, wie man uns sagte.”
Zwar erreichen die Accounts, die mit Musk interagieren, nicht dieselbe Reichweite. Aber sie dürften von seinem “Glanz” profitieren. Wohl auch deshalb wurde Alice Weidels an Musk gerichtete Einladung in ihr Bundestagsbüro bislang knapp 800.000-mal von X-Nutzer:innen gesehen. Es ist ihr mit Abstand reichweitenstärkster Post der vergangenen Wochen.
Die haben nicht nur ihre Einladung gelesen. Denn Weidel schreibt ebenfalls, dass die von Islamisten organisierte Kundgebung in Hamburg “nur eine von vielen verstörenden Entwicklungen” in Deutschland sei.
2️⃣ Ein zerrüttetes Bild von Deutschland zeichnen
Auch darum geht es AfD-Politiker:innen, wenn sie mit Elon Musk interagieren. Sie wollen ihr Zerrbild von Deutschland und ihre Deutung der Realität in die Welt tragen. Das wird vor allem bei Björn Höcke deutlich, auf den Musk ebenfalls kürzlich reagierte.
Höcke schrieb am 6. April auf X (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): “Once again, Germany is at the forefront of persecuting political opponents and suppressing free speech.” (In etwa: “Deutschland ist wieder einmal führend bei der Verfolgung von politischen Gegnern und der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung.”)
Damit bezog er sich auf die Klage gegen ihn aufgrund der “Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)”. Höcke wird vorgeworfen, die hierzulande verbotene Losung der Sturmabteilung (SA), “Alles für Deutschland”, während AfD-Veranstaltungen auf zwei Bühnen gesagt zu haben. Höckes Deutung: “I am charged with the crime of using an alleged quote in which I expressed my patriotism ‘incorrectly’.” (“Mir wird vorgeworfen, ein angebliches Zitat verwendet und damit meinen Patriotismus ‘falsch’ ausgedrückt zu haben.”)
Dann lädt er ein, dem Gerichtsprozess beizuwohnen, um “aus erster Hand zu erfahren, wie es um Bürgerrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland bestellt” sei. Darauf schrieb Musk: “What did you say?” (“Was haben Sie gesagt?”)
Und Höcke antwortete, dass er am Ende einer Parteiveranstaltung den “Slogan” aufgesagt habe, “Alles für unsere Heimat! Alles für Sachsen-Anhalt! Alles für Deutschland.”
Dass es sich um eine verbotene Losung handelt, die auf den Nationalsozialismus zurückgeht, erwähnt Höcke nicht. Dass die SA eine paramilitärische Kampforganisation der NSDAP und laut Bundeszentrale für politische Bildung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen “Politik der Straße” war, die Terror gegen politische Gegner:innen, Juden/Jüdinnen und Andersdenkende ausübte und eine wichtige Rolle bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten einnahm - auch das erwähnt Höcke nicht.
Stattdessen deutet er die Anklage in seinem Sinne um und stellt sich als Opfer einer gesteuerten Justiz dar, die ihn, den Oppositionspolitiker Höcke, denunzieren und verhindern will und sein Recht auf freie Meinungsäußerung einschränkt.
3️⃣ Elon Musk propagiert radikal free speech - aber nicht für alle
Elon Musk hat auf X sprachliche Tabus und Regeln abgeschafft und die Moderation weitgehend eingestampft. “Moderation ist ein Propagandawort für Zensur”, soll Musk laut RND (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) einmal gesagt haben. Alice Weidel erklärte passend laut Rheinische Post: “Seit Elon Musk Twitter übernommen hat, kann auf Twitter wieder offener für Freiheit und Selbstbestimmung eingetreten werden. Das ist gut für die Twitter-Blase - und letztlich für die Meinungsfreiheit in Deutschland.”
Dazu schreibt die Forschungsstelle BAG (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) “Gegen Hass im Netz”: “Dass sich Musk bei seinem Projekt ‘Twitter 2.0’ an dem liberalen, ‘woken’ Milieu stößt, daraus macht er keinen Hehl. ‘The bird is freed’ verkündete er zur Übernahme, sich so als Kämpfer für ‘free speech’ inszenierend.”
Die Folge davon – die ganz im Sinne der AfD sein dürfte: Musk hat viele Accounts freischalten lassen, die zuvor von Twitter verbannt worden waren. Darunter der US-amerikanische rechtsextreme Alex Jones (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und die rechtsextreme Identitäre Bewegung, die laut RND (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) “wegen mehrerer Verstöße gegen die Twitter-Regeln zu Terrorismus oder gewalttätigem Extremismus gesperrt worden waren”.
Extreme Ideen und Narrative finden auf X ungehindert Verbreitung und damit ein Publikum.
Musks radical free speech-Ansatz und seine eingeschränkte Moderation haben Folgen: Laut einer Untersuchung des Institute for Strategic Dialogue (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) hat sich “das Volumen der englischsprachigen antisemitischen Tweets in der Zeit nach der Übernahme von Musk mehr als verdoppelt”. Zudem seien allein in der ersten Woche nach Musks Übernahme tausende Accounts entstanden, die antisemitische Inhalten veröffentlichten.
Free speech gilt aber nicht für jede:n. Wie The Intercept (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) 2022 berichtete, wurden damals mehrere Accounts von bekannten antifaschistischen Aktivist:innen, aber auch von Journalist:innen, die über die “far-right” berichten, zeitweise gesperrt. Der Grund: Mehrere rechtsextreme Akteur:innen sollen das X-Beschwerdesystem mit falschen Meldungen über Verstöße gegen Nutzungsbedingungen überschwemmt haben. Mit Erfolg.
Ende 2023 wurde auch der Account eines deutschen Forschers gesperrt, der “den wachsenden Hass auf der Plattform (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” untersuchen wollte.
Ob es Höcke auf eine Reaktion von Elon Musk und damit einhergehend seine Reichweite angelegt hatte, wissen nur er und seine neurechten Strateg:innen. Auf jeden Fall haben sie alles dafür orchestriert: Der X-Beitrag war in englischer Sprache verfasst und handelte von einem angeblichen Angriff auf die freie Meinungsäußerung. Das Thema also von Elon Musk.
Viele Akteur:innen der extrem rechten Sphäre wollen die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass die Meinungsfreiheit in Gefahr sei, es ein Meinungsdiktat gebe oder die Cancel Culture um sich greife – bevorzugt von Links.
Sprache ist für die AfD das Einfallstor für ihre Ideologie. Denn: Was nicht ausgesprochen wird, kann nicht in der Breite der Gesellschaft gedacht werden. Es ist nicht vorstellbar. Damit wird es unwahrscheinlicher, dass die Mehrheit das von der AfD angestrebte Handeln gutheißt. Damit haben wir uns auch schon einmal in einer früheren Ausgabe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) beschäftigt.
4️⃣ Elon Musk stärkt das internationale rechte Netzwerk
X wird mehr und mehr zu einem extremen rechten Netzwerk. Musk befördert das mit seinem Verhalten. Das zeigte sich besonders in den Monaten nach seiner Übernahme, im Vergleich zum Zeitraum davor. Ebenfalls eine Untersuchung des ISD (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) zeigt, dass er vor seiner Übernahme kaum mit “right-wing”-Medien oder -Accounts interagierte. Danach nahmen seine Interaktionen laut ISD aber um 1690 Prozent zu – jede fünfte seiner Interaktionen entfielen im Untersuchungszeitraum auf rechte Akteur:innen.
Das ISD schreibt: “Obwohl er behauptet, Twitter solle ‘politisch neutral’ sein, […] scheint Musk viel Zeit damit zu verbringen, mit reaktionären und rechtsextremen Accounts zu interagieren und diese zu pushen.” Jedes Mal, wenn Musk einen dieser Tweets teilt, beantwortet, zitiert oder liked, empfiehlt er ihn sozusagen allen Follower:innen – einem Publikum von derzeit mehr als 180 Millionen Accounts.
5️⃣ Musk übernimmt rechte talking points
Nicht nur verhilft Musk rechten Akteur:innen zu Reichweite, auch ihre Narrative teilt er. Im vergangenen Jahr kommentierte er beispielsweise einen Beitrag von “RadioGenoa (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” mit einem Video von einem Seenotrettungsboot. Dazu der Text, dass derzeit acht von der deutschen Regierung mitfinanzierte Schiffe im Mittelmeer unterwegs seien und “illegale Migranten einsammeln und in Italien abladen” würden. Und dann: “Hoffen wir, dass die AfD die Wahlen gewinnt und den europäischen Selbstmord aufhält.”
Musk schrieb dazu: “Is the German public aware of this?” (“Weiß die deutsche Öffentlichkeit davon?”)
Seine Frage erhielt über 75 Millionen Views.
So vielen wurde das Video gezeigt und der Text, in dem für eine Wahl der AfD geworben wurde. Und in dem die Verschwörungserzählung geteilt wurde, dass es sich bei Seenotretter:innen um steuerfinanzierte Schlepper:innen handle. Was auf das Narrativ des gesteuerten Großen Austauschs (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) einzahlt, also auf die Lüge, dass es von Regierungshand (“den Eliten”) geplant sei, die “ethnisch deutsche Bevölkerung” durch Migrant:innen zu ersetzen.
Auf Musks Frage, in der dieser angebliche Geheimplan im Subtext mitschwingt, antwortete das Auswärtige Amt so: “Yes. And it’s called saving lives (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).” (“Ja. Das nennt sich Leben retten.”)
Dazu schrieb Musk wiederum, dass ihm das Video “Invasions-Vibes (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” gebe. Invasoren – ein neurechter Begriff. So werden Migrant:innen auch im Kontext der Verschwörungserzählung vom Großen Austausch bezeichnet.
Das fasst die Forschungsstelle BAG (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) so zusammen: “Musk bezieht auf Twitter immer wieder selbst Position, wobei er auch rechtsextreme und verschwörungsideologische talking points bedient. Unklar bleibt bei all dem, inwiefern er dabei seine politische Gesinnung auslebt oder (extrem) rechte Gruppen adressiert, um Nutzer:innen zu gewinnen und das Geschäft anzukurbeln. In jedem Fall gab es sowohl einen Zufluss an extremistischen Accounts wie auch eine Zunahme an Hassinhalten.”
Deshalb mehren sich mittlerweile Stimmen, dass Elon Musk kein guter “Selfie-Partner” für Politiker:innen. Auf Netzpolitik (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)kommentiert das Journalist Markus Reuter so:
“Wir müssen Elon Musk als das sehen, was er ist: Ein Ermöglicher von Nazi-Inhalten und ein Mann, der mit seinem unglaublichen Reichtum rechtsradikales Gedankengut verstärkt, indem er eine wichtige Kommunikationsplattform so umbaut, dass der rechte und rassistische Diskurs ungestört wachsen kann.”
Es benötigt nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass dies der Zustand ist, den sich die AfD für eine soziale Plattform wünscht.