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Die Leiden des jungen D.

Dorian A. Setzte sich endlich an seinen heimatlichen Schreibtisch. Es war Sonntagabend, der 10. Mai, draußen noch immer strahlender Sonnenschein. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände wie gemeinsames Frühstück und Familienausflug an den See hatte der junge Verwaltungsbeamte an diesem Wochenende wirklich ewig warten müssen, bis er sich endlich wieder seiner Arbeit widmen konnte. Seine Frau und seine drei kleinen Kinder aßen gerade zu Abend, doch darauf konnte er gut und gerne verzichten. Es gab wichtigeres zu tun.

Irgendwo zwitscherte ein Vogel. Dorian A. Schloss genervt das Fenster. Er musste sich jetzt konzentrieren. Er sah seine heutige Berufung darin, alle PowerPoint Folien für die anstehende Verwaltungsschulung noch einmal generalzuüberholen. Nichts durfte schiefgehen. In der Verwaltung kann man viel Schaden anrichten. Sehr viel Schaden. Es war wichtig, dass das die neuen Kollegen von der Pike auf lernten. Er kontrollierte die Einheitlichkeit der Schriftgrösse und die Einhaltung der neuen unternehmenseigenen Schriftart Closed Avec, die in der üblichen Schrift-Auswahl von Windows nicht zu finden war. Wo die Designer diese Schriftart ausgegraben und warum die Vorstandsmitglieder diese durchgewunken hatten, entzog sich seiner Kenntnis. Doch das war nun unwichtig.

Das Einfachste war es, ein Wort aus einer alten, korrekten Präsentation herauszukopieren und hier einzufügen. Im Anschluss musste man auf das Pinselsymbol klicken, dann auf das Wort in der korrekten Schriftart und dann auf den zu korrigierenden Text.

Ein leichter Duft nach geschmorten Zwiebeln drang unter der Tür hindurch an seine Nase. Seine Frau hatte heute Bratentag und er liebte Braten. Aber das war es wert. Das Werk musste vollendet werden.

In den nächsten 3 Stunden vereinheitlichte  er auch die Aufzählungszeichen, auch diese waren in der normalen Windows-Auswahl nicht zu finden, sondern mussten sorgfältig aus den Symbolen herausgesucht und in ein smartes Türkis (ebenfalls nur mit Sonderkenntnissen auffindbar) getaucht werden.

In weiterer stundenlanger Kleinarbeit vervollständigte er die lieblos erstellten Folien der Kollegen um gewitzte Grafiken wie Sprechblasen, Warn- und Ausrufezeichen. Als er gegen 0:47 die Mail an die Kollegen herausschickte und sie darin über „kleinere Änderungen in den Schulungsmaterialien“ informierte, wunderte er sich über seine eigene Bescheidenheit. Niemand würde es je richtig würdigen, was er hier vollbracht hatte. Sei’s drum. Auf die Rückmeldungen der Kollegen würde er noch mindestens 7 Stunden warten müssen, die er wohl oder übel im Bett neben seiner Frau verbringen

würde.

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