Trumps Umbau der Demokratie

Es kamen in den vergangenen Tagen wirklich so viele Fragen, was in den USA abgeht, dass ich nicht hinterherkomme.
Der Versuch einer Erklärung aus dem Lamäng.
Dass wohl viele Menschen verunsichert und überfordert sind, ist verständlich. Es geht mir ganz ähnlich.
Nur um eine Vorstellung zu geben: Ich habe auf dem Handy und Tablet u.a. auch ein Widget der Washington Post. Ich schaue ständig, eine Uhr zeigt mir immer die Uhrzeit in Moskau und Washington. Ich habe das Wall Street Journal, schaue öfter auf die New York Timesm deutsche Medien… Keine Chance.
Wollte ich hinterherkommen, was gerade in den USA abläuft, müsste ich mich jeden Tag ausschließlich um die USA kümmern. Und 12 Stunden arbeiten.
Was Trump derzeit versucht, ist nichts weniger, als die US-amerikanische Demokratie umzubauen.
Das tut er vor allem durch „Executive Orders“. Ich hätte gesagt „Dienstanweisungen“, Leo übersetzt es mit „Durchführungsverordnung“ oder „Rechtsverordnung“.
Um das zu verstehen, muss man etwas ausholen.
Die Verfassung
Acht Jahre hatten die amerikanischen Kolonien bis 1783 mit ihren Verbündeten für ihre Unabhängigkeit gekämpft. Es waren genau 13 Kolonien; so viele, wie die Flagge bis heute Streifen hat. Und die wollten auch einzelne Staaten bleiben.
Zunächst gab es die Konföderationsartikel, die einen losen Staatenbund vorsahen. 1787 wurde dann die Verfassung von George Washington, Benjamin Franklin und anderen unterzeichnet. Damit sind die USA eine der ältesten Demokratien der Welt. Nicht die älteste übrigens.
Darin fußt bis heute das Selbstverständnis der USA. Das ist das Narrativ. Und der Grund, warum die Kinder in der Schule bis heute nicht nur jeden Morgen auf die Flagge schwören müssen, sondern auch kaum etwas über die Welt außerhalb der USA lernen.
Denn nach dem Selbstverständnis waren die USA ja die logische Fortentwicklung, ein modernes Vorbild für andere Staaten. Dass die Welt nicht stehen geblieben ist… Nun ja.
Ein Beispiel ist das Recht Waffen zu tragen.
Das macht ja auch total Sinn. Eine junge Föderation, wenig erschlossen, umgeben von Wildnis mit Tieren, die einen essen wollen. Zudem musste man damit rechnen, dass europäische Staaten wieder versuchen würden, sich die Kolonien anzueignen. Also waren viele in den Milizen, den freiwilligen Armeen ihres Staates, organisiert. Die gibt es bis heute.
Vor allem aber wurde das Recht auf Waffen zu einer Zeit verabschiedet, als es Vorderlader gab. Und keine AR-15 Gewehre, die auf hunderte Meter genau schießen und auch mal 50 Schuss im Magazin haben können.

Und so gab man dem Präsidenten vergleichsweise viel Macht. Denn damals war das halt so. Es gab ja wenige Vergleiche, man konnte nicht schauen, wie andere das so machen. Zudem brauchte man eine nach außen starke Repräsentanz.
Dadurch kam es zu der für Europäer merkwürdig erscheinenden Situation, die wir heute sehen. Es gibt einen Präsidenten in Washington, der wie ein König regieren kann. Zumindest auf Bundesebene. Viele Menschen haben aber eine starke Skepsis gegenüber der Bundesregierung, gegen den „König“. Und Trump ist angetreten, das zu ändern und diese Macht scheinbar abzubauen. Scheinbar.
Natürlich, vieles wurde angepasst. Gerichte können die Regierung in ihre Schranken weisen, es gibt Gesetze und Zusatzartikel zur Verfassung. Aber der Kern, das Narrativ, hat sich seit fast 240 Jahren nicht verändert.
Und nun kommt Trump. Reloaded. Krasser als je zuvor.
Executive Orders und andere
Eine Übersicht, was Trump in seinen etwa vier Wochen seit Amtsantritt auf den Weg gebracht hat:
Am ersten Tag seiner Amtszeit hat Trump das Department of Government Efficiency („Ministerium für Regierungseffizienz“), kurz DOGE, ins Leben gerufen. Leiter ist Elon Musk.
Das „Ministerium“ soll 20 Mitarbeiter haben. Also ist das Ministerium im Grunde Elon Musk. Es soll vor allem Mitarbeiter in Bundesbehörden rauschmeißen und die Bude digitalisieren.
Das Problem dabei ist, dass eine Bundesbehörde durch den Kongress genehmigt werden muss. DOGE ist also irgendwie irgendwas, aber kein „Ministerium“. Und hat somit auch gar keine Befugnisse, beispielsweise in die Bücher anderer Behörden zu gucken. Man stelle sich vor: Musk guckt sich die Interna der NSA und CIA an. „Spannend“ wäre euphemistisch. Im Detail geht es derzeit um Sozialversicherungsnummern, Geburtsdaten und Finanztransaktionen in den Datenbanken den Behörden für Arbeit, Schulen und Finanzen.
Trump hat da also etwas hingeschissen, anders kann man es nicht bezeichnen, was juristisch gar nicht geklärt ist.
Verschiedene Medien hatten ein Büro im Pentagon. Das fünfeckige Verteidigungsministerium beherbergt tausende von Arbeitsplätzen und gehört zu den größten Gebäuden der Welt.
Trump bzw. sein Verteidigungsminister Hegseth haben nun einige Medien rausgeworfen. Man spricht zwar von einer „Rotation“, aber es gibt keine offiziellen Angaben, wer wann wie oft rotiert.
Rausgeworfen wurden u.a. der größte Nachrichtensender CNN, die Washington Post, New York Times, NBC News, Politico und andere. Ein Büro bekommen u.a. die rechtspopulistische Plattform Breitbart, Washington Examiner und die New York Post. Alles eher konservative Medien, die im Wahlkampf pro Trump waren.
USAID wird drastisch eingestampft.
Das Akronym liest sich zwar US-AID, also US-Hilfe. Es heißt aber eigentlich USA-ID: United States Agency for International Development (Agentur für internationale Entwicklung). Es ist keine Wohltätigkeitsorganisation, sondern eine Behörde der US-Außenpolitik mit 3800 Mitarbeitern.
Nachdem sein Büro einen kritischen Bericht über die Folgen von Trumps Anweisungen veröffentlicht hat, erhielt der Unabhängige Generalinspekteur Paul K. Martin am nächsten Tag folgende Mail: „Im Namen von Präsident Donald Trump schreibe ich Ihnen, um Sie zu informieren, das Ihre Position als Generalinspekteur der United States Agency for International Development mit sofortiger Wirkung gekündigt ist. Vielen Dank für Ihren Dienst.“
Ebenso eingestampft wird übrigens das Consumer Financial Protection Bureau, eine Behörde für Verbraucherschutz im Finanzbereich.
In den USA galt bisher das Geburtsrecht. Anders als in den meisten anderen Staaten erhält jeder, der in den USA geboren wird, automatisch die Staatsbürgerschaft. Ebenfalls eine Hinterlassenschaft der Anfänge der USA.
Im Zuge seines angeblichen Kampfes gegen illegale Migration hat Trump dies beendet.
In Trumps Wahlkampf 2020 hatten Nutzer auf TikTok dazu aufgerufen, für seine Rede in Tulsa Karten zu buchen, aber nicht hinzugehen. Nachdem Trump vor einer nur zu einem Viertel besetzten Halle sprach, ließ er ein Verbot von TikTok prüfen.
Inzwischen hat der Kongress tatsächlich TikTok in den USA verboten, das oberste Gericht hat dies bestätigt. Da TikTok Auflagen nicht erfüllt hat. Trump hat angeordnet, diese Verfügungen nicht umzusetzen.
Informationsseiten u.a. der Gesundheitsbehörde FDA wurden auf Trumps Anordnung hin abgeschaltet. Nicht umformuliert, abgeschaltet.
Die Förderung von Forschung im Gesundheitssektor wurde dramatisch gekürzt. Gelder für das National Institutes of Health wurden ersatzlos gestrichen.

Während eines Fluges über dem Gebiet erklärte Trump kurz vorm Superbowl, der Golf von Mexiko hieße nun Golf von Amerika.
Nein, das ist kein Scherz.
Google Maps hat es bereits umgesetzt. In Mexiko liest man nach wie vor den korrekten Namen, in Europa beide, in den USA nur noch „Gulf of America“.
Es war auch Zeit für wichtiges: Das Verbot von Plastik-Strohalmen wurde zurückgenommen.
Ich könnte noch viele Seiten weitermachen. Transgender im Militär, Asylanträge, usw.
Lustig war die gestrige Ankündigung: „Heute kommt Abdulla II. von jordanien zum bilateralen Staatsbesuch, danach unterzeichnet der Präsident weitere Executive Orders.“
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Foto: Übersicht der Washington Post der wichtigsten Verfahren.
Die Gefahr
Ich habe den Eindruck, sehr viele Menschen stehen in den USA gerade mit offenem Mund da. Oder ohne Job. Oder beides.
Einige Experten sprechen inzwischen von einer „Verfassungskrise“.
Nicht, weil damit nicht zu rechnen gewesen wäre. Sondern mit der Geschwindigkeit und Radikalität, mit der Trump über alles hinweg donnert. Durch die Executive Orders. Und deshalb berichten die Medien in Deutschland auch weit weniger, als da drüben tatsächlich abläuft. Man kommt nicht mehr hinterher.
Die Washington Post veröffentlicht Artikel wie in einem Live Ticker, und alle handeln von Trumps Anweisungen. So etwas habe ich noch nie gesehen, auch nicht beim Überfall Russlands auf die Ukraine. Er unterschreibt täglich neue.

Inzwischen laufen ca. 50 große Gerichtsverfahren vor Bundesgerichten gegen seine Anweisungen. Die erste Klage wurde wenige Minuten nach seiner Amtsübername eingereicht, dabei ging es um DOGE.
Darüber hinaus gibt es Klagen von Bundesstaaten; gegen die Kürzungen beim NIH haben derzeit 22 Staaten geklagt.
Und Trump hat bisher fast alles verloren.
Deshalb die Erklärung zur Verfassung eingangs.
Die Gesetze macht nicht Trump. Sondern Senat und Repräsentantenhaus. Das ist die Legislative, die gesetzgebende Gewalt. Der Präsident setzt sie um, er ist die Exekutive, die ausführende Gewalt.
Die USA haben nur blöderweise die Executive Orders vergessen.
König Trump befielt. Wenn er bzw. der Präsident verklagt werden, ist es ihm völlig gleichgültig. „Sue me!“, verklag mich doch! Wie Millionäre das halt auch privat so handhaben.
Die Frage ist nun also, was passiert, wenn Trump sich nicht an das hält, was die Gerichte anordnen. Und das ist die große Gefahr. Die scheinbar erst sehr allmählig mehr und mehr US-Amerikaner verstehen.
Im Grunde ist es schon so. Die Anordnung das Verbot von TikTok nicht umzusetzen ist bereits ein solcher Verstoß. Aber man darf sicher sein, das geht jetzt erst so richtig los.
Es wurde gerichtlich bestätigt, dass DOGE keinen Einblick in die Finanzen der Behörden haben darf. Das wurde nun abgeschwächt, einige Mitarbeiter dürfen Einsicht in einige Finanzen haben. In der vergangenen Nacht hat Trump eine Executive Order unterzeichnet, dass alle Behörden mit DOGE zusammenzuarbeiten haben.