Trump, Gaza, Umsiedlung, Zölle, CIA – Kommentar

In der vergangenen Nacht hat der US-Präsident Trump anlässlich des Treffens mit dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu verkündet, die USA sollen die Kontrolle im Gazastreifen übernehmen und die Palästinenser sollten umgesiedelt werden.
Bevor ich – nachdem ich schallend über die Meldung gelacht und das gepostet hatte – nun noch öfter nach meiner Einschätzung gefragt wurde: Bitteschön.
Die Einordnung von Trump ist leicht. Es ist nur schwer sie zu bezeichnen. Denn der Begriff „Soziopath“ wird in den USA und Europa unterschiedlich definiert und verwendet.
Ich halte Trump für einen Soziopathen. Oder für eine wandelnde dissoziale Persönlichkeitsstörung. Ähnlich wie Musk übrigens.
Trump ist zwar doof. Aber anders doof, als die meisten ihn wohl einschätzen.
Donald John Trump bricht nicht nur fortlaufend mit sozialen Konventionen. Er zeigt auch affektive Reaktionen, die gerne mal „etwas drüber“ erscheinen. Man beachte seine Tanzeinlagen. Covfefe.
Trump ist ein Sozialdarwinist. Die Großen fressen die kleinen, und das ist völlig in Ordnung so. So funktioniert die Welt.
Im Grunde hat Trump in seinem Weltbild den Adelstitel einfach durch Geld ersetzt. Was in den USA auf fruchtbaren Boden fällt. Denn die hatten ja nie einen Adel und haben die europäischen Erfahrungen nicht gemacht. Das Narrativ „vom Tellerwäscher zum Millionär“ ist tief in der US-Kultur verankert. Dass Trump Millionen geerbt hat und Unternehmungen in den Sand gesetzt und den Rest eher auf Pump aufgebaut hat, interessiert weniger.
Er redet kindlicher als andere Politiker und seine Wähler finden das völlig beautiful. Und er sieht seine Wähler natürlich als Bürger zweiter Klasse, denn sonst wären sie ja reich.
Die Zölle, die ausgesetzt wurden, bevor sie eingesetzt waren
In dieser Weltanschauung hat er kein Verständnis für immaterielle Werte. Für ihn ist alles eine Vertragsverhandlung zwischen Managern. Und genau so betreibt er Politik. Vorher auf dicke Hose machen, um mit der bestmöglichen Position in die Verhandlungen zu gehen.
Er würde auch nicht verstehen, dass viele andere die Scherben hinter ihm zusammenfegen müssen, wenn es ihn irgendwie interessieren würde.
Das hat er bereits in seiner ersten Amtszeit genau so gemacht. In seinem derzeitigen Aktionismus wird das nur deutlicher. Der aber vor allem seine Wähler adressiert, um die Positionen der Hardliner in den USA zu stärken.
Er wollte eine Mauer nach Mexiko bauen und Mexiko dafür bezahlen lassen. Natürlich hat Mexiko keinen Cent bezahlt und die Mauer ist weit entfernt davon fertig geworden zu sein. Aber er konnte seine politische Agenda durchsetzen, an die er nun anschließt.
Und genau das hat er gerade wieder bei den Zöllen bei Mexico und Kanada gemacht.
Er hat Strafzölle angeordnet und erst dann verhandelt. Nachdem die beiden Staaten dann zähneknirschend eingewilligt haben mehr für den Grenzschutz zu tun – Mexiko hat zugesagt 10.000 Mann abzustellen – hat er die Zölle „ausgesetzt“.
Das geht so schnell, dass selbst John Steward in der Daily Show sich darüber lustig macht, dass die Schreiber gar nicht mehr hinterherkommen und Trump vor Ausstrahlung der aktuellen Show schon wieder vieles über den Haufen geworfen hat, was in der Show kommen sollte.
Im Übrigen habe ich schon Interviews mit Trump Supportern gesehen, die glauben, die Staaten müssten die Strafzölle zahlen. Dass die Verbraucher in den USA diese Zölle am Ende des Tages bezahlen, wussten sie nicht.
Geschenkt.
Kolonie der USA
Und genau das sehe ich, wenn ich Trumps Pläne für den Gazastreifen ansehe.
Erstmal schön auf den Busch hauen, und wenn alle aufgescheucht sind, kann man verhandeln. Hauptsache die Luft scheppert. Deshalb spare ich mir derzeit das Lesen der Newsticker, in denen lediglich zu lesen ist, wer gegen Trumps Pläne protestiert hat.
Selbst China, Diggi. China! Der Gazastreifen ist etwa so groß wie das Klärwerk von Beijing.
Schon vorher hat Trump sinngemäß gesagt, dass die Palästinenser da ja weg wollen. Weil der Gazastreifen eh Schrott sei. Gestern Nacht wiederholte er das. „Warum sollten sie zurückkehren wollen? Der Ort ist die Hölle“.
Er versteht sicher, so ganz theoretisch, dass die Palästinenser sich eher in die Luft sprengen, als den Gazastreifen zu verlassen. Aber sein Hirn kann das in seiner Weltsicht nicht prozessual verarbeiten.
Aber, und das ist ein großes, mahnendes aber, man muss die Hälfte seiner Forderungen abziehen, dann weiß man ungefähr, was hinten wirklich dabei rauskommen kann.
Gepoltert hat er, er sehe die USA in einer „langfristigen Eigentümerposition“. Bedeutet, eine Kolonie der USA. (Zumindest würden einige dann wieder verstehen, was „Kolonie“ tatsächlich bedeutet.)
Das wird so nicht umsetzbar sein bzw. viel zu negative Folgen haben. Und die Palästinenser einfach rauszuschmeißen wird auch nicht funktionieren. Aus dem einfachen Grund, dass sie nicht freiwillig gehen werden (womit er wohl eher weniger rechnet) und dass sie niemand haben will. Zudem wird ihm die EU auf die Füße steigen, weil die natürlich wenig Lust auf eine Million palästinensischer Flüchtlinge hat. (Eine Million würde auf dem Weg nach Europa in Syrien, im Libanon und in der Türkei versickern.)
Poltern und Ernst
Ich halte es derzeit für absolut denkbar, dass das US-Militär im Gazastreifen eingreift. Dass dort Truppen stationiert werden, um da „Ordnung reinzubringen“. Aus US-Sicht ist das staatenloses Land.
Denn - und das dürfte Trumps tatsächliches Ziel sein - damit würde zum einen ein weiterer Stützpunkt im Nahen Osten geschaffen werden. Nur wenige Minuten Flugzeit von Syrien und – viel wichtiger – dem roten Meer entfernt, dass für den Handel so wichtig ist.
Zum zweiten sieht Trump, wenn er Trümmerlandschaften sieht, als Immobilienmensch natürlich Investitionsmöglichkeiten. Blühende Landschaften. US-Firmen, die „ein paar wirklich schöne Orte bauen“. So wörtlich.
Alles, was dem im Weg steht, kann mit Verhandlungen oder Gewalt ausgeräumt werden. Das muss ihm logisch erscheinen.
Sein Poltern ist also einerseits doof. Und bewusst populistisch. Andererseits muss man aber einen Teil ernst nehmen. Die Frage ist halt immer nur, welchen Teil.
Völlig ernst nehme ich den Stopp der Zahlung an die WHO. Die USA sind der mit Abstand größte Geldgeber. Die Zahlen wurden in den Medien häufig verzerrt wiedergegeben. Denn die Gesundheitsorganisation der UN wird inzwischen nur noch zu einem Viertel aus den Mitgliedsbeiträgen finanziert. Es ist ein riesiger Wasserkopf geworden, der nur durch Spenden finanziert wird. Und die kommen etwa zur Hälfte aus den USA. Entweder von den USA selber, oder von Organisationen wie der Gates Foundation (bis Januar „Bill & Melinda Gates Foundation“).
Ähnlich ernst nehme ich den Stopp von USAID. Das ist übrigens eine Behörde, keine Spendenorganisation.
Der Umbau der Geheimdienste ist ebenfalls ernst zu nehmen. Das kann ich aber noch nicht ganz einschätzen. Denn es erschließt sich nicht, warum er damit ausgerechnet bei der CIA anfängt. Die NSA ist weit größer und andere Dienste sind aus US-Sicht weit überflüssiger.
Die Regierung hat heute einen Einstellungsstopp verkündet und allen Mitarbeitern der CIA eine Abfindung angeboten, wenn sie gehen.