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Krankenwagen angegriffen – Der Blick auf Details

Israel hat gestern einen Krankenwagen angegriffen.
Die Darstellungen gehen auseinander. Erneut berichten die meisten deutschsprachigen Medien nur sehr kurz. Ich gehe davon aus, dass die sich sehr ähnelnden Berichte auf eine Meldung einer Presseagentur zurückgehen. Da häufig das gleiche Bild verwendet wird, das von der AFP stammt, gehe ich von einer Meldung der AFP oder Reuters aus.

Die New York Times hat dazu einige weitere Hintergründe veröffentlicht. Die Washington Post hat einen ausführlichen Beitrag veröffentlicht, an dem mehrere Journalisten auch in der Region gearbeitet haben und für den sie Experten befragt haben.

Ich gebe dies hier verkürzt wieder, zusammen mit meinen derzeitigen Einschätzungen aufgrund der vorliegenden Informationen.

Hinweis: Im Englischen wird dieser Angriff als „strike“ bezeichnet, was einem kurzen, gezielten Schlag entspricht. Ein größerer Angriff wäre ein „attack“ oder eine „offensive“, ein Sturmangriff oder ein Anschlag wären ein „assault“.

Darstellung der Hamas

Die Hamas hat gemeldet, dass ein Konvoi von Krankenwagen in der Nähe des größten Krankenhauses in Gaza-Stadt, dem Al-Schifa-Krankenhaus, angegriffen wurde. Dabei seien 13 Menschen getötet und 26 verletzt worden.

Der Konvoi diente laut Hamas dazu, Verletzte an die Grenze zu Ägypten zu transportieren, wo sie behandelt werden sollten.

Darstellung des israelischen Militärs

Bei dem Schlag gegen einen Krankenwagen sind mehrere Terroristen ausgeschaltet worden. Sie hatten den Wagen als Transportmittel benutzt. Der Schlag wurde von einem Flugzeug aus ausgeführt.
Die Informationen dazu wurden von Nachrichtendiensten geliefert, mit denen die IDF zusammenarbeitet.
Das Gebit um das Krankenhaus wurde als Kampfgebiet („battle zone“) bezeichnet.

Weitere Informationen

Laut palästinensischem Roten Halbmond sollten Patienten in einem Konvoi von fünf Krankenwagen vom Al-Schifa-Krankenhaus in den Süden verlegt werden. Der Konvoi wurde vom durch die Hamas geführten Gesundheitsministerium für 16:00 Uhr Ortszeit angekündigt. Er sollte „eine große Anzahl Verwundeter“ transportieren.
Der Rote Halbmond hat wiederum beim Internationalen Roten Kreuz um eine Begleitung gebeten, um die Überführung sicherer zu machen. Er sei dann jedoch ohne Begleitung aufgrund von „Dringlichkeit“ alleine losgefahren.

Die palästinensische Nachrichtenorganisation Alkofiya meldete um 16:11 Uhr auf Telegram, der Konvoi sei gestartet. Der palästinensische Journalist Muthanna Al-Najjar schrieb auf Telegram um 16:34 Uhr, bei einem Schlag am Al-Schifa-Krankenhaus seien Dutzende getötet und verletzt worden.
Der Rote Halbmond und das Hamas-Gesundheitsministerium sagten, der Konvoi sei zweimal befeuert worden. Der Rote Halbmond berichtete, einen Krankenwagen in dem Konvoi gehabt zu haben, neben dem eine „Granate“ („shell“) einschlug. Die Hamas berichtete, das Führungsfahrzeug sei getroffen worden, dabei seien ein Fahrer und ein Sanitäter verletzt worden.
Anschließend sei der Rest des Konvois zum Al-Schifa-Krankenhaus weitergefahren.
Der Direktor des Krankenhauses Mohamed Abu Selima sagte, der Konvoi sei am Krankenhaus getroffen worden. Der 25-jährige „Filmemacher“ und Augenzeuge Bisan Owda sagte, die Tür des Krankenhauses sei beschossen worden. Tausende seien „da draußen“ und es sei ein „Massaker“.

Die Angaben widersprechen sich also bereits unmittelbar nach dem Schlag und sie stimmen auch nicht vollständig mit den Bildern und Videos überein, die veröffentlicht wurden.
Sowohl der Direktor als auch der palästinensische Rote Halbmond sagten, keine Sanitäter oder Fahrer seien getötet worden.

Auf den Bildern ist ein vergleichsweise leicht beschädigter Krankenwagen zu sehen, um den herum Tote und Verletzte liegen, fast ausschließlich junge Männer.

Hintergrund

Israel hatte die Informationen, dass Hamas Terroristen – mutmaßlich ein höherer Kommandeur – den Konvoi zum verdeckten Transport nutzen wird.
Dafür sprechen nicht nur die Angaben Israels, sondern auch die verschiedenen Aussagen und die Tatsache, dass der Konvoi kurzfristig ohne zuvor angeforderte Begleitung losgefahren ist.

Dieses Vorgehen ist üblich und bekannt. Bekannt geworden ist, dass bereits Saddam Hussein in den 1980ern in Kolonnen von identischen Wagen gefahren ist und man nicht wissen konnte, in welchem er sitzt. Nach meinem Wissen stammt diese Taktik von der PLO.

Der ehemalige „Chief“ für solche Schläge und Analyst für das U.S. Verteidigungsministerium Marc Garlasco sagte, dass die Trefferbilder nahelegen, dass es sich um einen Schlag mit einer Spike Rakete gehandelt hat.
Die Spike sind eine Gruppe von Panzerabwehrraketen, die auch von Deutschland genutzt werden. Garlasco sagte der Washington Post, Israel würde solche Spike-Schläge bevorzugen, um hochrangige Kommandeure nun auch mobil zu treffen. Er sagte auch, die Militärs - damit sind die unmittelbar Ausführenden gemeint - würden dann nicht mehr detailliert prüfen, inwieweit Zivilisten gefährdet werden.

Die Spike sind „fire and forget“, bedeutet: das Ziel wird einmal anvisiert und die Waffe macht den Rest dann alleine. Beim Einschlag war das Flugzeug längst weg, zumal es sicher aus einer Entfernung von mehreren Kilometern gefeuert hat.

Interpretation

Ich habe mehrere Videos und Aufnahmen gesehen.
Nach meiner Interpretation wurde lediglich ein Krankenwagen getroffen. Es ist also nicht so, dass wahllos der ganze Konvoi angegriffen wurde. Dazu passen auch die Aussagen, dass keine Sanitäter oder Fahrer der Hilfsorganisationen getötet wurden.

Die Rakete hat den Krankenwagen nicht voll getroffen, sondern eher im unteren Bereich. Wodurch sie die Detonation vor allem unter dem Fahrzeug zu den Seiten ausgebreitet hat.
Die umliegenden Toten (inklusive einem Pferd) zeigten häufig gebrochene und verdrehte Unterschenkel. Die meisten lagen auf der Beifahrerseite.
Es sind weder große Trümmer noch Krater oder ausgebrannte Fahrzeuge zu sehen.

Daher gehe ich davon aus, dass die IDF nachrichtendienstliche Informationen hatten, dass ein vermutlich namentlich bekannter Kommandeur sich nicht nur in einem der Krankenwagen befindet, sondern vermutlich sogar in welchem. Und diesen haben sie dann gezielt durch einen „spike stike“ ausgeschaltet. Die Piloten haben nicht mehr bewertet, ob dadurch nahe Zivilisten getroffen werden.
Das legt wiederum nahe, dass die IDF bzw. die Geheimdienste (Mossad, Schin Bet, Aman) Informanten im Krankenhaus haben oder Kommunikation abgehört wurde. Daher bewerte ich den Schlag als typische nachrichtendienstliche Operation.

Ob der gesamte Konvoi eine Fake Operation war, oder ob der Anführer sich nur eingeklinkt hat, lässt sich nicht sagen. Ebenso wenig lässt sich beziffern, wie viele der etwa ein Dutzend Getöteten zur Hamas gehörten und wie viele tatsächlich zivile Opfer sind.
Laut Israel dient das Al-Schifa-Krankenhaus als Waffenlager und Kommandozentrum. Dies haben die IDF im Vorfeld bereits mehrfach veröffentlicht. Zudem soll die Hamas bis zu 30.000 Menschen um das Krankenhaus zusammengezogen haben, um es zu schützen.

Selbstverständlich steht hier der Verdacht eines Kriegsverbrechens im Raum. Es ist jedoch nur ein Verdacht. Denn sollte meine Interpretation zutreffen, was die Quellen und die Aufnahmen und Hintergründe nahelegen, ist das durchaus fraglich.

Ich schließe definitiv aus, dass die IDF dort willkürlich irgendeinen Krankentransport angegriffen haben. Der Vorwurf wäre also lediglich den Piloten oder deren unmittelbarem Befehlshaber zu machen, da sie keine Rücksicht auf die Umstehenden genommen haben.
Militärisch gesehen war es definitiv ein gezielter und aus Sicht Israels gerechtfertigter Präzisionsschlag.

Eine Rechtfertigung zu bewerten ist die Aufgabe anderer. Da dazu weit mehr Informationen nötig sind. Beispielsweise wie viele Zivilisten getötet wurden, wie sicher Israel davon ausgehen konnte, dass sich Hamas-Terroristen in dem Wagen befanden, und so weiter.
Ein Krankenwagen alleine ist kein umfassender Schutz. Da Soldaten und Terroristen ja sonst nur in Krankenwagen herumfahren würden und sicher wären.
Daher müssen alle dementsprechenden Meinungsäußerungen auf Mutmaßungen oder einer emotionalen Bewertung beruhen.

Sujet Krieg

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