Shaabi â Wurzeln im Ăgyptischen Tanz
Shaabi (manchmal auch so geschrieben: Shaâabi, Chabi) oder Volkstanz, die Ă€lteste Form im Ă€gyptischen Tanz, wurde ĂŒber Jahrhunderte tradiert und spielt nach wie vor eine wichtige Rolle im Leben der lĂ€ndlichen Bevölkerung.
Die Wurzeln der Shaâabi-Musik liegen in vorislamischen Zeiten, stammen aus den lĂ€ndlichen Traditionen ganz Ăgyptens und finden sich in den Musiktraditionen der Fellahen (BĂ€uerInnen), Ghawazee (ZigeunerInnen), der Beduinen und der Musik Nubiens.
Die typischen Instrumente gehören zu den antiken Instrumenten, z.B.
Mizmar: oder Mizmar Baladi, Blasinstrument, der Oboe oder Klarinette Àhnlich
Rebaba: oder Rababa, eines der Ă€ltesten Saiteninstrumente, ursprĂŒnglich z.B. aus einer halben Kokosnuss oder einem Schildkrötenpanzer, bespannt mit Schaf- oder Fischhaut und nur einer Saite, heute zwei Saiten, wird mit einem Bogen gespielt, kam ĂŒber Andalusien nach Europa (âFiedelâ), spĂ€ter Violine
Arghul: Doppel-Bambusflöte mit einem Bordunrohr, wird mit Zirkularatmung gespielt, geht auf das Alte Reich in Ăgypten zurĂŒck (bis ca. 2.700 v. Chr.)
Diese traditionelle Musik und die dazugehörigen TĂ€nze haben sich im Laufe der Zeit wenig verĂ€ndert. Typische Shaâabi-Musik kann fröhlich und ĂŒbermĂŒtig sein, hat aber auch eine groĂe Tiefe und Kraft. Viele Wiederholungen und der typische Klang erzeugen hypnotisch-tranceartige EindrĂŒcke.
Ruhe und Zentriertheit in der Bewegung
Die TĂ€nzerin interpretiert die der traditionellen Musik eigene Erdigkeit, Kraft und ein In-Sich-Ruhen, das niemals starr ist. Eine flexible WirbelsĂ€ule ist dabei stĂ€ndig in Bewegung â die aus der Bein- und FuĂarbeit kommende Energie wird in Fluss gehalten und erzeugt doch ein Bild groĂer Ruhe und Zentriertheit.
Shaâabi wird traditionell in der Gruppe getanzt. Freude an der eigenen Bewegung, am Im-Fluss-Sein und am Kontakt unter den TĂ€nzerinnen stehen im Vordergrund. Da dieser Stil auch die Grund-Bewegungsmuster fĂŒr alle Stile im Ăgyptischen Tanz vorgibt, steht er am Beginn jedes AnfĂ€ngerinnen-Kurses und ist fĂŒr Fortgeschrittene immer wieder eine herausfordernde Ăbung in den grundlegenden Bewegungsprinzipien:
Erdigkeit, bewegliche WirbelsĂ€ule, aufrechte Haltung, bewegliche HĂŒften und PrĂ€senz â die TĂ€nzerin nicht darzustellen, sondern zu sein!
Ghawazi
Einer der UrsprĂŒnge der Ă€gyptischen Folklore liegt im Tanz der Ghawazee (oder Ghawazi). Dieser Tanzstil hat seine Wurzeln in den Traditionen der Nawar, einer nomadischen Gemeinschaft mit indischen Wurzeln, die ĂŒber Persien nach Ăgypten gelangte. Die Nawar spielten eine bedeutende Rolle in der Ă€gyptischen Musikkultur und Tanztradition und prĂ€gten diese durch ihre charakteristischen Bewegungen und Rhythmen nachhaltig.
Ăhnlich wie die Roma, die sich spĂ€ter in verschiedenen Teilen Europas niederlieĂen, fĂŒhrten auch die Nawar ein reisendes Leben, das von Musik und Tanz geprĂ€gt war. WĂ€hrend die Roma in Europa ihre eigenen Musik- und Tanztraditionen entwickelten, integrierten die Nawar ihre kulturellen EinflĂŒsse in die lokale Ă€gyptische Kultur und trugen wesentlich zur Entstehung des heutigen Ă€gyptischen Tanzes bei.
Die Ghawazee verdienten ihren Lebensunterhalt traditionell mit Musik und Tanz, wobei sie ihre Kultur ĂŒber Jahrhunderte hinweg bewahrten und weitergaben. Ihr Tanzstil, den sie selbst als Raqs Shaâabi bezeichneten, wurde im 19. Jahrhundert von europĂ€ischen Reisenden bewundert â insbesondere wegen seiner freien, ausdrucksstarken Bewegungen, die sich von den damaligen gesellschaftlichen Normen fĂŒr Frauen in Europa deutlich abhoben.
Die typischen freien HĂŒftbewegungen im Ăgyptischen Tanz können auf die Tradition der Ghawazi zurĂŒckgefĂŒhrt werden. Ihr Tanz ist sehr zentriert, geerdet und wenig raumgreifend, die HĂŒften stĂ€ndig in vibrierender Bewegung. Dazu begleiten sie sich auf Zimbeln. Der amerikanischen TĂ€nzerin und Tanzforscherin Aisha Ali ist es zu verdanken, dass Videoaufzeichnungen von Ghawazi Musikern und TĂ€nzerinnen aus den 1970er Jahren bestehen.
Ihre unverwechselbare Art zu tanzen und sich fĂŒr den Tanz zu kleiden begrĂŒndete ihren Mythos als Eroberinnen der Herzen.
âThe Romany Trail (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)â ist eine Dokumentation ĂŒber die Geschichte und Kultur von Roma (Sinti, NawarâŠ)-Gemeinschaften weltweit. Sie fĂŒhrt zunĂ€chst nach Indien, dann nach Ăgypten und Spanien, weiter nach Bosnien, Herzegowina und Mazedonien, Ungarn und Deutschland. Im ersten Teil wird ihr Weg nach Ăgypten beschrieben:
https://youtu.be/8nx3uAuboII?si=s8QPZ18ggb2PtZwE&t=391 (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)EuropĂ€ische Reisende im 19. Jahrhundert waren fasziniert von ihren Bewegungen und machten sie in ihren Reiseberichten auf der ganzen Welt bekannt. Mit einem skandalösen Beigeschmack. Die NatĂŒrlichkeit, Freiheit und Unbeschwertheit ihrer Bewegungen widersprach jedem fĂŒr das weibliche Geschlecht festgelegtem Verhaltenskodex.
âDennoch beschrieb Charles Leland die Ghawazi sehr gut: Sie scheinen alle die FĂ€higkeit zu haben, jeden Teil ihres Körpers frei zu bewegen, geradeso wie Menschen mit den Ohren wackeln können; und es ist wunderbar, wie sie Stunden um Stunden jeden Muskel heftigst und rasend schnell bewegen und von Kopf bis FuĂ wie elektrifiziert zucken, ohne im mindesten ermĂŒdet zu sein und, was unglaublich ist, ohne zu schwitzenâŠ
Am Anfang jeden Tanzes bewegen sich die Ghawazi einfach nach der Musik und schwingen ihren Körper weich hin und her. Dann werden Wellenbewegungen gemacht, die den Körper von Kopf bis FuĂ durchlaufen, und ĂŒber diese Wellen gleiten mit unglaublicher Geschwindigkeit Schauer und KrĂ€uselwellen, wie beim Anblick einer groĂen Welle im Wind, die aussieht wie ein kleineres Meer, das von tausend winzigen Wellen durchfurcht ist.â
(aus: Wendy Buonaventura â Die Schlange und die Sphinx.)
Invaders of the heart
Ihre unverwechselbare Art zu tanzen und sich fĂŒr den Tanz zu kleiden begrĂŒndete ihren Mythos als âInvaders of the heartâ. Heute gibt es in Ăgypten eine Familie, die â nach eigenen Angaben â Nachkommen der Ghawazi sind. Sie leben in Luxor (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) und sind bekannt als âBanat Mazinâ.
https://www.youtube.com/watch?v=A8kOjzcM19w&t=5s (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)Edwina Nearing, die Khairiyya Mazin, die jĂŒngste der Mazin-Schwestern im JĂ€nner 1993 in Ăgypten besuchte, beschreibt in ihrem Artikel âGhawazi on the edge of extinction (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)â:
https://astrid-pinter.at/ (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)âEs gibt noch immer Nachfrage nach TanzauffĂŒhrungen der Ghawazi: Verlobungsfeiern, Hochzeiten und BeschneidungsfesteâŠ.
In OberĂ€gypten werden Ghawazi engagiert um auf hohen HolzbĂŒhnen zu tanzen, die eigens fĂŒr diesen Zweck errichtet werdenâŠ
Die Ghawazi im Gebiet von Luxor, hauptsĂ€chlich die Mazins, fĂŒhren auĂerdem eine andere Tradition fort, die von Reisenden des 19. Jahrhunderts beschrieben wurde: sie tanzen in HĂ€usern oder auf Booten am Nil.
FĂŒr private Feste, die fĂŒr Touristen organisiert werden, die die antiken pharaonischen Monumente in OberĂ€gypten besuchenâŠ.
Aber jetzt, im JĂ€nner 1993, gibt es keine Ghawazi, die in Luxor tanzen. Die wirtschaftliche Situation, die Videokassetten, und das âDallasâ-Syndrom verlangen ihren Tribut, die Ghawazi verlieren an PopularitĂ€tâŠâ