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“Lesen macht stark” - Vortrag zur praktischen Arbeit mit den “Wörterwelten”

Am 16. Mai fand in St. Wendel die Veranstaltung “Lesen macht stark”, organisiert von der Servicestelle „Kultur macht stark“ Saarland in Zusammenarbeit mit dem Landkreis und dem Institut für Lehrerfort- und Weiterbildung. In einem Vortrag durfte ich dort Einblicke in die praktische Arbeit bei den "“Wörterwelten” geben. Was ich dort erzählt habe, kannst du hier nachlesen - zumindest ansatzweise, denn den Vortrag habe ich sehr viel freier gestaltet.

Mein Name ist Tanja Karmann, ich bin Autorin, hauptsächlich im Bereich der Phantastik und da auch gern im Kinder- und Jugendbereich, und freue mich, Ihnen nun einen kleinen Einblick in die Praxis des Wörterwelten-Projekts geben zu dürfen. Das passt gerade ziemlich gut – denn tatsächlich bin ich aktuell mitten in einem solchen Projekt und zwar an einer Grundschule in Ensdorf. Dort wird das Schreibprojekt im Rahmen der freiwilligen Ganztagsschule realisiert. Es sind die zweiten Wörterwelten, die ich durchführen darf, die ersten fanden vor zwei Jahren an der Robert-Bosch-Realschule in Homburg statt. Dort waren die Teilnehmer ein gutes Stück älter, zwischen 12 und 15 Jahren, und diese paar Jahre machen natürlich einen gewaltigen Unterschied.

Es ist immer sehr spannend, die TeilnehmerInnen kennenzulernen. Da gibt es die SuS, denen man die Liebe zum Buch im Allgemeinen und den Hang zum Schreiben förmlich ansieht. Und dann gibt es die, denen man es auf den ersten Blick nicht zutraut. Wo man sich insgeheim ein bisschen fragt, warum die jetzt in diesem Projekt sind. Das sind die genau die Kinder, die wir erreichen wollen.

Und dann sitzen da auf einmal fünfzehnjährige Jungs und schreiben seitenweise Geschichten. Und wenn ich seitenweise sage, dann meine ich das auch so – ich kam ganz schön ins Schwitzen bei der Aufgabe, das alles noch pünktlich zum Druckschluss abzutippen. Das ist übrigens einer der wenigen negativen Punkte innerhalb der Wörterwelten: Die digitale Ausstattung. Ich bin zwar eine große Verfechterin des Schreibens von Hand, dennoch wäre es schön, wenn die Teilnehmer:innen ihre Texte selbst tippen könnten. Zumal manche Handschriften auch ganz schön schwer zu lesen waren.

Natürlich habe ich es dennoch gern gemacht. So viel Schreibbegeisterung muss schließlich belohnt werden. Und den Stolz in den Augen der Kinder bei der Abschlusspräsentation zu sehen, war die Mühe auf jeden Fall wert.

Nun sind die Wörterwelten nicht nur ein Schreibprojekt, sondern auch eine Autorenbegegnung und darin liegt ein besonderer Wert, wie ich im Lauf der Projekte festgestellt habe. Zum einen ist es für die Kinder und Jugendlichen unglaublich spannend, aus erster Hand Informationen aus der Buchbranche zu erhalten. Die meisten wissen sehr wenig darüber, wie Bücher entstehen, wie viele Menschen daran beteiligt sind oder wie der Arbeitsalltag eines Autors oder einer Autorin aussieht – oder überhaupt von jemandem, der auf kreative oder künstlerische Weise seinen Lebensunterhalt verdient oder in einem kulturellen Umfeld arbeitet. Das kommt in der Lebenswelt von vielen Kindern gar nicht vor und das empfinde ich als einen großen Mehrwert des Projekts.

Überhaupt ist der persönliche Kontakt zu den Teilnehmenden ein großer Faktor. Oft hatte ich den Eindruck, dass es gerade den Jugendlichen besonders gut tut, mit einem Erwachsenen zu reden, der weder ein Elternteil noch ein Lehrer oder sonsteine Autoritätsperson ist.

Daher finde ich es auch sehr gut, dass das Projekt ein Verpflegungsbudget hat, das ermöglicht, auch mal ein Eis essen zu gehen. Unter uns gesagt, habe ich manchmal den Eindruck, die kommen nur wegen der Snacks.

Die Möglichkeit, einen Ausflug zu machen, ist natürlich auch ein Highlight. Ich mache das gern am Anfang eines Projekts, um die Kinder besser kennenzulernen. Im April waren wir im Deutschen Zeitungsmuseum in Wadgassen, was sowohl thematisch als auch von der Entfernung gut gepasst hat. Den Besuch haben wir natürlich auch gleich verwendet, um eine Geschichte zu schreiben.

Wo wir gerade von Budget sprechen: Es gibt im Projekt einen recht großen Posten für Material und das ist richtig gut. Wenn man nicht im Schulbereich arbeitet, ahnt man gar nicht, wie begrenzt die Mittel da sind und das z.B. AG-Leiter:innen ihre Bastelutensilien aus eigener Tasche bezahlen müssen (aber wem erzähle ich das!). Da ist es wirklich wohltuend, den Kindern mal eine schicke Sammelmappe für ihre Texte geben zu können oder einen ordentlichen Stift. Und Sie glauben gar nicht, wie es die Kreativität fördert, wenn man unlimitierten Zugang zu Papier, Stiften, Kleber etc. hat.

Gleiches gilt übrigens für den Etat für Bücher, der es erlaubt, nicht nur Fachliteratur (z.B. Schreibratgeber und Wörterbücher) zur Verfügung zu stellen, sondern auch Romane mit ähnlichen Themen, von denen sich die Kinder inspirieren lassen können. Ich denke, in dieser Runde muss ich nicht betonen, wie wichtig Lesekompetenz ist, nicht nur als Grundlage für ein eigenes Schreiben. Es ist übrigens erschreckend, aus erster Hand zu erfahren, welche kleine Rolle Bücher in manchen Familien spielen.

Wie kann man sich so eine Werkstatt denn nun vorstellen? Das ist natürlich recht unterschiedlich, aber einige Konstanten gibt es. So beginne ich jede Sitzung i.d.R. mit einer Einheit freien Schreibens. So können die Teilnehmenden besser ankommen und sich ein paar Dinge von der Seele schreiben, eine Technik, die ihnen auch in ihrem sonstigen Leben weiterhelfen kann. Dafür bekommen sie von mir ein eigenes Heft oder Notizbuch, dessen Inhalt natürlich geheim bleibt.

Was das „eigentliche Schreiben“, also das Verfassen handwerklich guter Texte angeht, muss man sich vorsichtig herantasten. Wichtig ist, dass der Einstieg niederschwellig gestaltet wird, im Fall der Grundschule auch spielerisch. So habe ich mit den Kindern des aktuellen Projekts z.B. beim Thema „Synonyme“ ein Domino gestaltet, mit dem im Anschluss selbstverständlich auch gespielt werden durfte. Auch Geschichtenwürfel, Straßenmalkreide und Memories kamen schon in meinen Werkstätten zum Einsatz.

Ganz wichtig ist es, v.a. zu Beginn, ganz konkrete und fest umrissene Aufgaben zu stellen. Kleine Übungen, z.B. das Einbeziehen aller Sinne bei Ortsbeschreibungen oder das Ändern der Erzählperspektive, bereiten auf das Schreiben der eigentlichen Geschichte vor. Positiver Nebeneffekt dabei ist, dass hier schon kleinere Texte entstehen, die in die Publikation aufgenommen werden können. So hat jeder Teilnehmende ein Erfolgserlebnis.

Überhaupt ist es wichtig, flexibel zu bleiben. Und da ist es besonders schön, dass am Ende der meisten Module ein Buch steht. Das motiviert nicht nur die SuS, sondern auch mich Verantwortliche, denn natürlich möchte ich, dass jedes Kind am Ende einen Beitrag für die Publikation hat. Und da muss man manchmal ein wenig tricksen bzw. sich auf die Teilnehmenden einstellen.
Ich erinnere mich z.B. an ein Mädchen, das sich sehr schwer damit tat, eine Geschichte zu schreiben – und das, obwohl sie die Ideen dafür praktisch schon vor sich liegen hatte. Am Ende hat die Teilnehmerin dann statt einer Kurzgeschichte mehrere Haikus verfasst, also Silbengedichte. Ein anderes Mädchen fiel durch einen unglaublichen Ideenreichtum auf, gerade was Details in Personen- und Ortsbeschreibungen angeht. Sobald sie Texte zu Papier bringen sollte, versiegte ihre Kreativität jedoch auf einen Schlag. Also ließ ich sie zeichnen – und wer weiß, vielleicht wurde damit der Grundstein für eine Laufbahn als Illustratorin gelegt.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Arbeit während der Werkstätten nicht immer einfach ist. Es erfordert viel Vor- und Nachbereitungszeit, aber v.a. auch volle Konzentration und ein „Sich-Einlassen“ auf die einzelnen SuS. Bei der Gruppenstärke sind ein individuelles Feedback und ein konzentriertes Arbeiten nur bedingt möglich. Oft sind die Teilnehmenden bereits erschöpft von einem langen Schultag oder bringen persönliches Gepäck mit, wie Konzentrationsstörungen, schwierige Familienverhältnisse oder Sprachbarrieren. Mindestens zwei der Teilnehmenden meiner Projekte würde ich in ein Autismusspektrum einordnen. Umso wertvoller ist es, wenn man diese Kinder erreicht. Man kann nie wissen, welchen Einfluss ein solches Projekt auf einen heranwachsenden Menschen hat, welchen Samen man da sät. Und deshalb bin ich froh, dass es das Wörterwelten-Projekt gibt und dass ich Teil davon sein darf.

Vielen Dank.

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