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Eine Geheimdienstuntersuchung?!

Hallo,

wir haben im nd an jedem Werktag vier Plätze für Kommentare zu vergeben. Ich schreibe gar nicht so gerne Kommentare. In der Zeitung ist das Format sehr kurz und reicht für nicht viel mehr als einen Gedanken. Seit kurzem ist es auch möglich die Zeitung anders zu layouten, dann gibt es zwei längere Kommentare auf der Meinungsseite. Ich habe das als großen Erfolg gefeiert. Aber genug aus dem Innenleben der kleinen sozialistischen Tageszeitung.

Am Donnerstag habe ich mich freiwillig gemeldet für einen Kommentar zu Hans-Georg Maaßen und seiner Einstufung durch den Verfassungsschutz als “Beobachtungsfall” in der Kategorie “Rechtsextremismus”. Maaßen selbst hat die Antwort auf ein Auskunftsersuchen bei seiner alten Behörde veröffentlicht. 20 Seiten, in großen Teilen eine kommentierte Presseschau über Hans-Georg Maaßen und ein Best-of seiner Tweets. Das ist was der Inlandsgeheimdienst aktiv über den ex-Boss gesammelt hat. Dazu gibt die Behörde an, bei einer Suche in ihren gesamten elektronischen Akten 1000 Treffer erhalten zu haben. Mehr spuckt das System nicht aus. Diese Akten für das Auskunftsersuchen von Maaßen auszuwerten, wäre zu aufwändig, so der Inlandsgeheimdienst.

Nun, ich denke diese Akten sollten ausgewertet werden, aber nicht vom Verfassungsschutz und nicht für Herrn Maaßen. Deshalb fordere ich im Kommentar (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) eine unabhängige, wissenschaftliche Untersuchung von Maaßens Wirken beim VS. Nun, die Kommentare im nd sind kurz, und auf Mastodon und Bluesky gab es noch Nachfragen, die mich weiter ins Nachdenken gebracht haben.

Maaßen hat als Chef des VS natürlich politische Entscheidungen getroffen. Welche Abteilungen bekommen mehr oder weniger Geld, wer steigt in der Behörde auf, vor welchen Gefahren warnt der Verfassungsschutz und wie macht er das. Alles sehr interessante Fragen. Hätte man zum Beispiel schon früher und deutlicher vor der AfD warnen müssen? Hans-Georg Maaßen war von 2012 bis 2018 Chef des Verfassungsschutz. Die AfD wurde 2013 gegründet und ist in Maaßens VS-Präsidentschaft stetig nach rechts gewandert. Auch andere Entscheidungen des Verfassungsschutz in der Zeit wären eine Untersuchung wert, nicht nur im Themenfeld der extremen Rechten.

Ein naheliegender Platz um Maaßens Wirken aufzuklären wäre ein Untersuchungsausschuss im Bundestag. Mein Kollege Matthias Monroy forderte schon im November (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), einen solchen einzusetzen. Die Linke-Abgeordnete Martina Renner hat zu der Forderung jetzt eine Pressemitteilung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) veröffentlicht. Politisch ist die Forderung gut und richtig. Sie wird bei den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen im Bundestag wohl keine Mehrheit finden. Die Union hat kein Interesse an der Aufklärung der Arbeit ihres ehemaligen Mitglieds. Den Regierungsparteien ist nicht an Störungen im Betriebsablauf gelegen.

Aber der Verfassungsschutz selbst könnte etwas tun. Der jetzige Präsident Thomas Haldenwang gibt sich in der Öffentlichkeit gerne als oberster Demokratieverteidiger des Landes. Zur Demokratie gehören auch Transparenz und Vertrauen der Bürger*innen. (Im Kontext Verfassungsschutz alles sehr heikel, ist mir klar.) Innenministerium und Verfassungsschutz könnten dazu beitragen. Sie könnten ihre Akten für ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftler*innen öffnen, die das Wirken von Maaßen untersuchen. Gebraucht würden dafür wahrscheinlich Jurist*innen, Verwaltungsfachleute und Sozial- und Politikwissenschaftler*innen, die sich in den Themengebieten des Verfassungsschutz auskennen.

Klar, sowas hätte Unwägbarkeiten, Wissenschaftler*innen und Geheimdienst würden sich möglicherweise nicht einigen können, welche Akten eingesehen und welche Informationen veröffentlicht werden dürfen. Wichtig wäre erstmal, dass ein solcher Prozess angestoßen wird.

Über den Sinn des Inlandsgeheimdienst, und warum er eigentlich aufgelöst gehört, reden wir, wenn die Verhältnisse eine solche Debatte erfolgsversprechender erscheinen lassen.

Wie ekelhaft die Zeiten sind, in denen wir leben, war Thema in einem anderen Kommentar (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), den ich diese Woche geschrieben habe. Ich finde es doch bemerkenswert, wie die bürgerlichen Parteien ein rassistisches Gesetz nach dem anderen beschließen und sich gleichzeitig an Demos gegen Rechts beteiligen. Die Leute, die auf die Straße gehen, merken doch, dass es da Widersprüche gibt. Und auch bei Menschen die Sozialdemokrat*innen oder Grüne wählen, kann man latente Unzufriedenheit mit den Parteien und Politikverdrossenheit erzeugen.

Mein drittes Thema diese Woche führt zurück zu den anderen beiden. Seit der Correctiv-Recherche ist Martin Sellner ja leider prominent wie nie. Nach Berichten über ein mögliches Einreiseverbot inszenierte er am Montag seine Einreise in die Bundesrepublik. Dem schlechten Netz in der Grenzregion und der Antifa ist es zu verdanken, dass die Martin-Sellner-Show (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) nicht ganz so groß ausfiel. Ganz aktuell hat Sellners Anwalt, ein Ex-AfD-Politiker aus Freiburg, übrigens eine Mitteilung veröffentlicht, dass die Stadt Potsdam Sellner die Einreise nach Deutschland für drei Jahre untersagen wolle. Rechtlich dürfte das noch ziemlich interessant werden. Immerhin handelt es sich um einen massiven Eingriff in Grundrechte. Die gelten auch für völkische Nationalisten.

Dinge, auf die ich euch noch aufmerksam machen mag:

In Dortmund ist der Prozess gegen die Polizist*innen weitergegangen, die Mouhamed Dramé erschossen haben. Erstmals konnten Mouhameds Brüder dabei sein. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Die Stadt Köln, hat die Mitarbeiterin gefeuert (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), die am “Geheimtreffen von Potsdam” beteiligt war.

Bei der Hauptversammlung von Thyssenkrupp hat der Verein “Stolipinovo in Europa” (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) heute an tödliche Arbeitsunfälle beim Konzern erinnert und bessere Arbeitsbedingungen gefordert.

Apropos erinnern, Anna Biselli erinnert bei Netzpolitik (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) daran, dass der Versuch, Geflüchtete mit Bezahlkarten abzuschrecken, seit den 1990er Jahren schon mehrfach gescheitert ist.

Das war´s für diese Woche.