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SĂ€ure Gurken đŸ„’

Vor ungefĂ€hr sechs Jahren nahm ich an dem Nachwuchsprogramm einer Medien-NGO teil. Im Rahmen des Programms konnten wir an verschiedenen Workshops teilnehmen und von dem Wissen arbeitender Journalist*innen profitieren. In einem Workshop wurde uns beigebracht, wie wir Medien unsere ThemenvorschlĂ€ge richtig schreiben, worauf wir dabei achten mĂŒssten. Von all dem, was uns die Kollegin erzĂ€hlte, blieben mir wenige Sachen im Sinn: Es muss kurz und sofort verstĂ€ndlich sein. Und am wichtigsten ist, dass du den Namen des Mediums richtig schreibst. Also wenn du das verkackst, dann kannst du es vergessen. Keine Chance.

Gestern traf ich in Berlin zwei Freund*innen zu Mittagessen. Als wir uns ĂŒber die lustigsten Disrespects unserer Arbeit gegenĂŒber unterhielten, kam mir eine Erfahrung, die ich vergessen hatte, wieder in den Sinn: Letztes Jahr schrieb mir ein Mensch, den ich als weißen ostdeutschen cis Mann einordne und vom Arbeitskontext ĂŒber fĂŒnf Ecken kannte, dass er gerne eine Kolumne fĂŒr meinen Newsletter „SĂ€ure Gurken“ schreiben möchte.

Als ich diese Mail las, musste ich an den Workshop, in dem ich lernte, dass man den Namen des Mediums, fĂŒr das man schreiben möchte, richtig drauf haben muss, denken. In dem Moment im Workshop fand ich das albern, eigentlich finde ich es bis heute unmöglich, dass eine Zusammenarbeit daran scheitern soll. Vor allem wenn es um ein großes Unternehmen geht, finde ich der Ausschluss hat einen anderen Beigeschmack. Es scheint mir eine Ausrede, Macht auszuĂŒben. Ein ohnehin etabliertes Medium mit Ansehen, Ressourcen und Reichweite geht nicht unter, wenn Menschen sich nicht genau sicher sind, ob es zum Beispiel „Spiegel“ oder „Der Spiegel“ heißt.

FĂŒr mich war diese Mail dennoch sehr respektlos. Ich bin nĂ€mlich kein Großunternehmen, sondern eine Einzelperson, die alleine einen Newsletter herausgibt, den weniger als 2.000 Menschen lesen. Schreibe doch meinen Vor- und Nachnamen richtig, und schreibe den Namen meines Newsletters richtig – es ist nicht zu viel verlangt. Den Namen eines journalistischen oder literarischen Produkts bekannt zu machen und soweit zu kommen, dass ein sorgloses Leben durch diese Arbeit möglich wird, ist so, so schwierig. Ein ist ein jahrelanger Kampf. Da den Namen richtig zu schreiben ist schon das Mindeste, was man machen kann, finde ich. Dennoch bleibt diese Geschichte einfach geil lustig. Jedenfalls haben wir gestern herzlich gelacht.

Mein Buch „Weißen Feminismus canceln. Warum unser Feminismus feministischer werden muss“ erschien im September bei S. Fischer. Die Premiere feierten wir am 11. Oktober im Heimathafen Neukölln in Berlin. Es war sooooo schön! Der Autor / Dichter Ozan Zakariya Keskinkılıç moderierte geschickt und wertschĂ€tzend, das Publikum war liebevoll. Meine Familie, Freund*innen, Agentin und Lektorin waren da, wir waren ein Knoll aus Feminismus, Glitzer und Liebe.

https://www.instagram.com/p/CySjyByLxZz/?igshid=MzRlODBiNWFlZA== (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre)

Und nun bin ich schon wieder in Deutschland. Ich muss gestehen, dass ich mein Leben in der TĂŒrkei sehr vermisse. Die WĂ€rme, die Ruhe.

Es muss seltsam klingen, dass es in der verrĂŒckten TĂŒrkei ruhiger sein soll als in Deutschland. Aber mein Leben dort ist eben ruhiger, es besteht aus lesen, schreiben, schlafen, spazieren, Kuchen backen, im Meer baden, Sport, kochen – und all das vermisse ich sehr. Und dieses Suchen der richtigen Bushaltestelle nach der S-Bahn an der Kreuzung mit nur einer Minute Umsteigezeit und vier verschiedenen Bushaltestellen und selbstverstĂ€ndliches Verpassen des Busses weil man es nur schafft, wenn man sich auskennt, und das Schwitzen und der Stress – das hatte ich lange nicht mehr, und das möchte ich auch nicht mehr.

Es ist trotzdem wunderschön, Herzensmenschen wieder zu sehen.

Ich bin jedenfalls eine Weile in Deutschland. Vielleicht sehen wir uns ja auf einer Lesung oder so.

Saure Zeiten erscheint weiterhin einmal im Monat, allerdings ohne Kolumne abwechselnder Autor*innen. Dieser Platz war reserviert fĂŒr Menschen, deren Perspektiven in der traditionellen Medienlandschaft zu kurz greifen. Autor*innen fĂŒr die Kolumne zu suchen, zu finden, anzufragen und zu begleiten kostet Zeit, und das Honorar, das ich ihnen fĂŒr ihre Arbeit zahle, kostet Geld. Meine Abo-Zahlen gehen seit der Corona-Pandemie zurĂŒck. Unter diesen Bedingungen kann ich die Kolumne leider nicht lĂ€nger anbieten. Bitte ĂŒberlege, heute ein Abo ĂŒber Steady (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) oder Patreon (S'ouvre dans une nouvelle fenĂȘtre) abzuschließen. Sollte ich irgendwann wieder genug Einnahmen haben, fĂŒhre ich die Kolumne erneut ein.

Liebe GrĂŒĂŸe
Sibel Schick

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