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Benchmark: Kündiger-Strecken

Seit dem Sommer 2022 müssen deutsche Abo-Dienste die Online-Kündigung von Abos ermöglichen. Die Pflicht zu Kündiger-Strecken bietet jedoch auch Vorteile: Im Gegensatz zu einer Kündigung per E-Mail hast Du bei einer Online-Kündigung noch die Möglichkeit Abwehrmechanismen einzubauen und zumindest für eine spätere Re-Aktivierung des Abos vorzubauen.

Ich habe mir deshalb Kündiger-Strecken von je 3 Benchmarks aus Media-Abos (Netflix, Spotify und YouTube) sowie Publisher-Abos (New York Times, Financial Times und Aftenposten) angeschaut, um herauszufinden, welche Taktiken sie anwenden.

Du findest die Screenshots der Strecken hochauflösend zum Rein-Zoomen in meinem Miro-Board:
👉
Zum Miro-Board (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

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Benchmarks – Media Abos

Netflix

Mit nur 2 % Churn-Rate im Monat ist Netflix der absolute Benchmark für Haltbarkeit. Grund genug, um sich die Kündiger-Strecke von Netflix anzuschauen. Interessanterweise hat Netflix einen aus Nutzersicht sehr einfachen Kündigung-Prozess:

Seite 1

Netflix platziert den finalen Kündigungs-Button direkt und prominent oben auf Seite 1. Darunter bzw. daneben nutzt Netflix zwei Abwehr-Mechanismen, die sich auch Publisher abschauen können:

  • Ein Downgrade-Angebot für das nächst günstigere Abo (in meinem Fall das Abo mit Werbung).

  • Die größte Fläche auf dieser Seite spielt mit der Verlustangst – dem FOMO Element (=Fear Of Missing Out). In diesem Fall hebt Netflix Inhalte vor, die ich noch nicht gesehen, aber vorgemerkt oder begonnen habe.

Seite 2

Auf Seite 2 hat Netflix die Kündigung bereits durchgeführt und fragt mich erst dann nach den Gründen für meine Kündigung.

Spotify

Auch Spotify habe ich in dieses Benchmarking mit aufgenommen, weil die monatliche Churn-Rate mit unter 4 % keinen Vergleich scheuen muss – und in den letzten Jahren sogar rückläufig ist. Die Kündiger-Strecke ist dabei ähnlich simpel wie bei Netflix:

Seite 1

Bereits auf der ersten Seite wird der finale Kündigungs-Button ausgespielt. Auch Spotify setzt, ähnlich wie Netflix, ein FOMO-Element ein:

  • Allerdings wird hier nicht wie bei Netflix Content aufgezeigt. Stattdessen kommuniziert Spotify, welche Vorteile ich durch die Kündigung verliere, u.a. die Werbefreiheit (ansonsten alle 15 Minuten Werbung).

  • Als Abonnent des “Family Abos” werde ich zudem darauf hingewiesen, dass alle weiteren Zugänge meines Abos ebenfalls ihr Abo verlieren.

Spotify verleiht dem Verlust emotionales Gewicht, indem betont wird, wie die Kündigung mein Musikerlebnis verändern wird (“Deine Art, Musik zu hören, wird sich ändern”).

Seite 2

Auf Seite 2 hat auch Spotify die Kündigung bereits durchgeführt und fragt erst dann nach den Gründen meiner Kündigung.

YouTube

YouTube habe ich in das Benchmarking mit aufgenommen, weil die Videoplattform aus meiner Sicht etwas sehr schlaues in der Kündiger-Strecke macht.

Seite 1

YouTube gestaltet nämlich das FOMO-Element auf der ersten Seite maßgeschneidert, indem es meine individuelle Nutzung hervorhebt. In meinem Fall wird angezeigt, dass ich durch das Abo bisher > 10 Stunden werbefrei Videos schauen konnte. Gleichzeitig listet YouTube alle Abo-Vorteile auf, die ich bisher noch gar nicht entdeckt oder genutzt habe (YouTube Music, Downloads).

Auch YouTube setzt den finalen Kündigungs-Button direkt auf der ersten Seite.

Seite 2

Auf Seite 2 ist die Kündigung fertig. YouTube erlaubt es mir, das Abo mit einem Klick zu reaktivieren. Eine Abfrage meiner Kündigungsgründe findet nicht statt.

Nachdem wir die Ansätze von Streaming-Diensten wie Netflix, Spotify und YouTube betrachtet haben, wenden wir uns nun den Taktiken der großen Publisher zu, um zu sehen, wie sie mit Kündiger-Strecken umgehen.

Benchmarks – Publisher Abos

New York Times

Mit über 10 Millionen Abonnenten darf die New York Times (NYT) in diesem Benchmarking natürlich nicht fehlen.

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Zum Einstieg in die Strecke fragt die NYT zunächst die Gründe für die Kündigung ab. Im Gegensatz zu den oben betrachteten Media-Diensten findet dieser Schritt also vor der finalen Kündigung statt.

Seite 2

Auf der zweiten Seite bietet die NYT mir dann statt der Kündigung einen Rabatt an. Ich erhalte hier als potentieller Kündiger das gesamte nächste Jahr mit 75 % Rabatt. Die NYT geht hier wie in der Abo-Gewinnung sehr preisaggressiv vor.

Auf dieser Seite befindet sich auch der finale Kündigungs-Button (“Confirm cancel”). Es fällt auf, dass dieser exakt gleich gestaltet ist wie der Button “Accept offer” zur Annahme des rabattierten Angebots (schwarzer Hintergrund, gleiche Größe). Ein erstes, leichtes Dark Pattern. Als Dark Pattern werden Tricks auf Webseiten und in Apps bezeichnet, die Nutzer dazu verleiten, etwas anderes zu tun, als sie eigentlich vorhatten (in unserem Fall kündigen).

Sehr gut ist die Angabe oben links, in welchem Schritt der Kündigung ich mich aktuell befinde. Gerade bei Strecken auf denen der finale Kündigungs-Button nicht direkt auf Seite 1 platziert ist, kann dies helfen, Frustration beim Nutzer zu senken.

Aftenposten

Die Aftenposten sticht durch einen interessanten Test hervor. Laut einem Bericht bei der INMA konnte der Verlag die Kündigungen in der Strecke deutlich senken. Dies gelang durch weniger Kündigungsschritte und den Verzicht auf Dark Patterns. Den INMA-Artikel findest Du hier (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Seite 1

Teilt ein Abonnent der Aftenposten seinen Zugang mit einer weiteren Person (der Publisher bietet einen Gast-Zugang pro Abo an), wird direkt im ersten Schritt darauf aufmerksam gemacht, dass auch diese Person den Zugang verliert. Dies ist laut Aftenposten ein starker Grund für Abonnenten, die Kündigung abzubrechen.

Wird das Abo nicht geteilt bzw. wird die Strecke fortgesetzt, erscheint ein rabattiertes Angebot. In mehreren Tests fand Aftenposten heraus, dass hier das beste Angebot “3 Monate zum Preis von einem” ist.

Bei meinem Durchlauf durch die Kündigerstrecke der Aftenposten war mein Abo noch in der Probe-Phase: Das rabattierte 3-Monats-Angebot wurde mir nicht ausgespielt. Stattdessen wurde ich gefragt, ob ich mein bereits rabattiertes Test-Angebot tatsächlich kündigen möchte.

Seite 2

Auf Seite 2 wird nach den Gründen für die Kündigung gefragt. Hier befindet sich auch der finale Kündigungsbutton.

Seite 3

Auf Seite 3 ist die Kündigung dann abgeschlossen. Es erscheint eine kleine persönliche Nachricht der Chefredakteurin und ein Button zur direkten Re-Aktivierung des Abos.

Financial Times

Ein weiterer Blickpunkt ist die Financial Times (FT). Ihre Kündiger-Strecke unterscheidet sich durch die Länge und den Einsatz von Dark Patterns.

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Wie die NYT fragt auch die Financial Times im ersten Schritt nach den Gründen für die Kündigung.

Seite 2

Auf der zweiten Seite setzt die Financial Times wie unsere Benchmarks Spotify, Netflix und YouTube auf FOMO-Elemente:

  • Im ersten Block werden die 3 wichtigsten Artikel des Tages verlinkt.

  • Im zweiten Block zeigt die FT Evergreen-Artikel.

  • Im dritten Block folgt eine persönliche Nachricht eines Redakteurs.

Hier wird ein erster Dark-Pattern sichtbar: Der Button “Continue to Cancel” (rechts) ist im Gegensatz zu “Keep subscription” (links) nicht farblich hervorgehoben.

Seite 3

Auf Seite 3 bietet die FT dann ein rabattiertes Abo an. Die Dark-Patterns werden hier noch einmal stärker: Die bisherige Button-Struktur wird aufgelöst. Die beiden oberen Buttons lassen mich mein bisheriges Abo behalten oder auf das neue Angebot wechseln. Unter dem weißen Inhalts-Kasten erscheint nun aber ein neuer schwarz-hinterlegter Button, welcher der finale Kündigungs-Button ist.

Seite 4

Auf Seite 4 ist die Kündigung dann abgeschlossen. Die FT bietet mir hier die Möglichkeit, mein Abo direkt wieder zu reaktvieren. Gleichzeitig bietet sie mir auch ein Downgrade für das neue Angebot “FT Edit” an.

Wir haben uns jetzt detailliert 6 Kündiger-Strecken von Abo-Benchmarks angeschaut. Zeit für ein Fazit.

Fazit

Die Benchmarks aus den größten Media Abo-Diensten und Publishern verdeutlichen aus meiner Sicht 3 Punkte:

Dein Produkt entscheidet über Haltbarkeit

Die Beispiele von Netflix und Spotify machen deutlich, dass am Ende das Produkt darüber entscheidet, wie die Haltbarkeit Deines Abos ausfällt. Die Kündiger-Strecken sind dort sehr simpel gehalten und trotzdem haben beide Anbieter geringe Kündigungs-Quoten.

Deine Kündiger-Strecke sollte also nur ein Teil Deiner Anti-Churn-Strategie sein. Trotzdem macht es Sinn, die Strecke zu optimieren und nicht einfach nur ein Formular auszuspielen. Denn im Gegensatz zu einer einfachen Kündigung per E-Mail hast Du mit der Strecke Möglichkeiten Abwehrmechanismen zu installieren und für eine spätere Re-Aktivierung vorzubauen.

Simple Strecken

Bei all den möglichen Optimierungen: Der Trend geht eindeutig zu kurzen und simplen Kündiger-Strecken. Bis auf die Financial Times zeigen alle Benchmarks spätestens auf Seite 2 den finalen Kündigungs-Button.

Die Strecken sind somit nicht nur auf die kurzfristige Abwehr sondern auch auf die (spätere) Re-Aktivierung optimiert. Das macht aus meiner Erfahrung auch absolut Sinn: Abo-Dienste und deutsche Publisher sehen einen anwachsenden Anteil an Mehrfachbestellern. Also Abonnenten, die “immer mal wieder” abonnieren und kündigen. Wir fischen also zunehmend im gleichen Teich nach Abonnenten.

Ein erschwerter Kündigungsprozess wird diese Kundengruppe eher abschrecken und Du vergibst somit langfristig Umsatz-Potential. Sorge deshalb nicht für Frustration bei der Kündigung (viele Schritte und Dark Pattern), sondern finde ein gutes Mittelmaß zwischen akuter Kündigungs-Abwehr und späterer Re-Aktivierung.

FOMO, FOMO und Rabatt

Mit welchen Taktiken das gehen kann, zeigen die Benchmarks:

  • FOMO-Elemente, die eine Verlustangst beim Abonnenten erzeugen.

  • Rabattierte Angebote oder günstigere Downgrades.

  • Hinweis bei Nutzung von Familien-Abos/Gast-Zugängen.

Als FOMO-Elemente eignen sich für Publisher Artikel, die gerade sehr aktuell sind oder Artikel, die der Nutzer sich gemerkt hat. Auch das Aufzeigen der bisherigen Nutzung wie bei YouTube kann im Publisher-Umfeld sehr gut funktionieren (“Sie haben bisher 1.110 Artikel mit Ihrem Abo gelesen”, “Sie haben bereits über 100 Artikel an Freunde verschickt”, ”Sie nutzen Ihr Abo täglich über eine Stunde” etc.).

Nutzt ein Abonnent Dein Familien-Abo oder Gast-Zugänge, macht es absolut Sinn, in der Kündiger-Strecke darauf aufmerksam zu machen. Laut Aftenposten ist dies einer der größten Abwehrfaktoren. Hier spielt sicher auch die Angst vor negativer sozialer Bewertung eine Rolle.

Solltest Du diese Taktiken nicht nur auf einer Seite kommunizieren und somit den finalen Kündigungsbutton nicht auf Seite 1 ausspielen, empfehle ich die Seiten-Anzahl analog zur NYT in der Strecke anzuzeigen (“Schritt 1/2”). Dies trägt dazu bei, auch bei längeren Strecken Frustration bei den Nutzern vorzubeugen, indem es ihnen eine klare Orientierung über ihren Fortschritt gibt.

Ich hoffe, dieser Artikel samt Miro-Board (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) hilft Dir bei der optimalen Gestaltung Deiner Kündiger-Strecke. Falls Dir dieser Artikel oder der Newsletter gefällt, würde ich mich freuen, wenn Du ihn an Deine Kolleginnen und Kollegen weiter empfiehlst.

Sascha

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